„90 Kilo“ – Apsilon und Luvre47 haben ein Herz aus Blei
Vor knapp einen Monat veröffentlicht Apsilon die Single „Zufall“, in der er bildgewaltig den mutmaßlichen Zerfall einer romantischen Verbindung schildert. Für seinen neuen Song „90 Kilo“ hat sich der Rapper aus Moabit nicht nur auf seine inhaltlichen gesellschaftskritischen Wurzeln zurückbesonnen, sondern sich noch tatkräftige Unterstützung von Luvre47 geholt. Der Neuköllner ist wiederum spätestens seit seinem Beitrag zum Soundtrack von „Sonne und Beton“, dem Film von Felix Lobrecht, in aller Munde und war zuletzt auch gemeinsam mit Lea in „Pass auf mich auf“ zu hören.
Auch wenn in „90 Kilo“ von schweren Herzen die Rede ist, dreht sich der Song nicht ansatzweise um die romantische Liebe, sondern um Klassenunterschiede und strukturelle Nachteile in einem System, das nicht für Zwischenmenschlichkeit gemacht ist. Dementsprechend sind die Herzen nur schwer, weil Apsilon und Luvre47 tagtäglich mit dem Leid und der Hilflosigkeit ihrer Communities konfrontiert sind, sobald sie in Moabit oder Neukölln, Gropiusstadt das Haus verlassen. „Bist du pleite hier, Bruder ja dann bist du freiwild / Willst du frei sein, ja dann jag lieber die Scheine / Glaubst du Hartz IV-4 reicht hier alleine / Ich glaub nicht, guck auf die Straße, ja dann wеißt du was ich meine“ heißt es treffender und bedrückender Weise in Apsilons Part.
Auf einem erstaunlich bouncenden Beat, der von Apsilons Bruder Arman und Palazzo gezimmert wurde, lassen sich Apsilon und Luvre47 auf die zurückgelehnte Rhythmik der Drums ein und experimentieren mit verschiedenen Flows. Das klingt jetzt nach Rap-Phrasendrescherei, allerdings ergänzen sich die beiden tatsächlich nicht nur technisch, sondern auch stimmlich und inhaltlich: Während Apsilon das Elend eher bebildert, beschreibt Luvre47 wie die betroffenen Menschen mit ihrem Schicksal umgehen. Es geht um Schmerz, Betäubung, lähmende Sorgen, Lethargie, Kraftlosigkeit und Aggression. Trotzdem klingt „90 Kilo“ auf Sound-Ebene wie ein sogenannter Bop. Das Kopfnicken, Mit-Wippen und Genießen fällt überhaupt nicht schwer und das trotz der schweren Thematik und den ungefilterten Umgang der beiden.
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