AI, Memes und Black Metal: Draugveil im Interview
Am 13. Juni veröffentlichte Draugveil sein Debütalbum „Cruel World Of Dreams And Fears“ – ohne Vorankündigung, ohne Label, ohne PR – und schon Stunden später konnte man sich als Black-Metal-Fan kaum noch vor Social-Media-Posts zu dem Release retten.
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Man muss das Album nicht einmal gehört haben, um zu verstehen, warum es sich online ausgebreitet hat wie ein höllisches Lauffeuer: Das Cover-Foto von „Cruel World Of Dreams And Fears“ schreit mit seinem Mix aus Kitschigkeit und Black-Metal-Kvlt geradezu danach, geteilt zu werden. Und die Memes ließen nicht lange auf sich warten:
„Das Internet verdaut alles, das liegt in seiner Natur. Du gibst ihm etwas Verletzliches und es lacht, oder es weint, oder es remixt“, sagt Draugveil selbst zum viralen Erfolg des Soloprojekts. „Ich habe gar nichts erwartet. Ich wollte einfach, dass sich das Cover anfühlt wie ein Traum, den man schonmal gesehen hat – auch, wenn das vielleicht nicht der Fall ist. Wenn die Leute es in ein Meme verwandeln, ist das vielleicht eine Art von Liebe in Verkleidung. In dem Moment, in dem etwas deine Kontrolle verlässt, ist es am Leben. Das ist wunderschön.“
Ständig im Wandel
Es ist nicht das erste Projekt des in Prag ansässigen Musikers, bislang aber definitiv das aufsehenerregendste: Unter dem Namen Gxreparty macht er aggressiven Trap Metal, mit Shinagawalove shoegazigen Alternative Metal, der eher an Deftones erinnert als an die Second Wave. „Ich habe es schon immer geliebt, zu experimentieren und erkunden. Durch verschiedene Musikstile kann ich frei meine Gefühle ausdrücken. Wir sind menschlich – niemals zu lange in der gleichen Stimmung oder Verfassung. Und Kreativität ist das Werkzeug, das mir erlaubt, diese sich ständig ändernden Gefühle in Kunst zu verwandeln“, so Draugveil. „Ich glaube nicht an starre Identitäten oder lineare künstlerische Wege. Ich sehe jedes Projekt als einen Vektor – einen Pfad des Entkommens, wie bei Deleuzes und Guattaris Rhizom. Die haben mal geschrieben: ‘Wir sind müde von Bäumen. Sie lassen uns leiden.’ Und das habe ich verstanden: Bäume wollen, dass man in eine Richtung wächst, verwurzelt und definiert bleibt. Aber ich habe es immer bevorzugt, durch den Schlamm zu kriechen. Jeder Sound, jeder Stil ist neues Gelände, in das man eindringen kann.“
Im Hintergrund lauerte bei all diesen Klangexkursionen jedoch immer schon der Black Metal, wie der Mittzwanziger erklärt. Auf „Cruel World Of Dreams And Fears“ kämpft er sich nun schließlich an die Vorderfront: Das Album feiert den rauen Sound und die Theatralik der Neunziger; verneigt sich hier und da auch vor Dungeon Synth. Mit solch einem ausgereiften Debüt aus dem Nichts zu kommen, ist schon ein ziemlicher Power Move. „Es kam nicht aus dem Nichts, es kam aus der Stille“, korrigiert Draugveil und hat damit auch den nötigen Pathos des Genres verinnerlicht. „Draugveil war nicht geplant oder entworfen, es ist aufgetaucht. Es hat sich eher angefühlt als wäre ich besessen anstatt zu komponieren. Eines Morgens bin ich mit dem kompletten Konzept aufgewacht und wusste, dass ich es nicht aufschieben konnte. Es hat danach verlangt, geboren zu werden. Ich habe etwas erlaubt, an die Oberfläche zu treten – etwas, das durch die Risse von Traumata, Lebenserfahrungen und Fantasien zu mir geflüstert hatte.“
Es regnet nicht nur Rosen
Inhaltlich geht es auf „Cruel World Of Dreams And Fears“ um Liebe, Isolation und Trauer – „Romantizismus gefiltert durch postmodernen Ruin“, wie der Musiker selbst sagt. Damit weckt das Projekt ästhetisch, klanglich und thematisch schnell Erinnerungen an den Hype um Draugveils ukrainischen Landsmann Këkht Aräkh: noch einer dieser Einzelgänger, der in manchen Ecken des Internets zum Meme degradiert, in anderen zum Heilsbringer einer neuen Black-Metal-Bewegung emporgehoben wird. Beide Musiker fechten an, was man im Black Metal kann und darf – und kriegen dafür nicht nur Lob.
Während engstirnige Genre-Purist:innen sich schon von der reinen Campiness des Draugveil-Albumcovers provoziert fühlen, hat sich noch eine andere Debatte um „Cruel World Of Dreams And Fears“ etabliert: Ist das AI? In Kommentarspalten wird aktuell hitzig diskutiert, ob Artwork, Riffs und/oder Lyrics nicht Produkte einer Künstlichen Intelligenz sind. Wie bei diesen Online-Debatten üblich, werden dabei gerne Meinungen als Fakten deklariert und reichen selten über Kritik an Looks oder (fehlender) Originalität in Musik und Texten hinaus. (Wenn generische Songs nun schon als handfester Beweis für AI gehandelt werden, können sich viele Black-Metal-Bands warm anziehen btw.) Mit Sicherheit bestimmen, woher das alles kommt, kann aber eben nur Draugveil. Und was sagt der zu den Vorwürfen? „Was für ein Ritt. Lass die Leute entscheiden. Ich habe nur Kunst gemacht und sie der Welt gezeigt.“ Aus dieser Antwort kann wohl jede:r ziehen, was man will.
Die große Resonanz auf sein Release kam für Draugveil überraschend, weiterführende Pläne gibt es für das Projekt bislang nicht. Auch Auftritte stehen damit erstmal nicht auf dem Plan: „Ich mache keine Versprechungen. Draugveil kam ungebeten und kann ebenso wieder verschwinden. Aber ich mag die Idee, es in einen physischen Raum zu bringen – vielleicht nicht Shows im traditionellen Sinne, aber so etwas wie Rituale. Die Zeit wird es zeigen.“
Ob das alles nun authentischer Selbstausdruck oder provokantes Kalkül ist: Spannend ist und bleibt es allemal.
Hier gehts zur Hard in Here Playlist:

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