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Alle Märchen gelogen, Sugababes und Kindheitsträume – Was diese Woche wichtig war

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Hallo zusammen!

Habt ihr heute morgen schon mal überprüft, ob es eure Lieblingsband noch bei Spotify gibt? OK, das war jetzt ein wenig polemisch. Soooooo viele Bands sind es auch noch nicht, die in den letzten Tagen und Wochen angekündigt haben, den weltgrößten Streaminganbieter verlassen zu wollen. Aber neben den seit Ende der 90er-Jahre stabilen Deerhoof haben in den letzten Tagen auch Jamie Stewarts fantastische Band Xiu Xiu (die zur letzten Platte noch bei uns im Interview waren) und nun auch King Gizzard & The Lizzard Wizard diesen Schritt verkündet. Bei all diesen Bands handelt es sich zwar nicht um Streaming-Charts-Top-10-Acts, aber alle drei haben über die Jahre einen umfangreichen Back-Katalog angesammelt – und King Gizzard zum Beispiel ein paar „Hits“, die zwischen 20 und 50 Millionen Streams verbuchen können. Eine Entscheidung wie diese hat also definitiv finanzielle Konsequenzen, selbst wenn all diese Bands im Kern eine eher analog tickende Fangruppe haben, die auch noch Platten, Merch und Konzerttickets kauft. 

Interessant wird es bei den Gründen für den Ausstieg: Spotify selbst hat erst kürzlich im diesjährigen „Loud & Clear“-Bericht offengelegt, dass man im vergangenen Jahr fast 60 Milliarden US-Dollar „an die Musikindustrie ausgeschüttet“ habe. Mehr als jemals zuvor. Und ja, keine Frage: Einige Acts – auch welche, über die wir oft schreiben – profitieren sehr von diesem Modell und der Sichtbarkeit bzw. Verfügbarkeit, die Spotify gewährleisten kann. Andere Zahlen der letzten Jahre zeigen, dass Spotify unter den etablierten Streamingdiensten (Tidal, Apple Music, Deezer, Amazon Music) mit am schlechtesten pro Einzelstream zahlt. Kleinere Indiekünstler:innen trifft es außerdem, dass Spotify erst ab 1000 Streams pro Jahr überhaupt Auszahlungen macht. Dass dieses System, das mit Hilfe der großen Plattenfirmen aufgebaut wurde, im Indie-Game nicht funktioniert und viele kreative Menschen ihre Arbeit entwertet sehen, rumort schon länger in unserer Bubble – wobei sich der Unmut hier natürlich nicht nur gegen Spotify richtet. Es hilft auch nicht, dass Spotify und andere wenig bis gar nix gegen K.I.-generierte Musik machen, wie man zuletzt am Fall der „Band“ The Velvet Sundown sehen konnte den wir hier ausführlich erklären.

Diese Faktoren muss man mitdenken, wenn man auf die aktuellen „Austritte“ schaut – die übrigens noch nicht vollzogen sind, weil es technisch und rechtlich gar nicht so leicht ist, das zu erwirken. Deerhoof, Xiu Xiu und King Gizzard & The Lizzard Wizard nennen für ihr „Fuck Spotify!“ alle ein privates Investment von Spotify-Gründer und CEO Daniel Ek als Hauptgrund. Ek ist nämlich nicht nur Mr. Spotify sondern auch einer der reichsten Männer der Welt: Laut Forbes, Stand Mai 2025, wird er mit einem Nettovermögen von knapp über neun Milliarden Dollar bewertet. Daniel Ek ist aber auch Investor: Er gründete vor einigen Jahren den Investment-Fonds Prima Materia – mit dem in London lebenden „Business Angel“ Shakil Khan. Khan ist der Typ Mann, der sich selbst solche Sätze ins LinkedIn-Profil schreibt: „He is one of the most influential business people on the planet. His wisdom stretches across dozens of areas of expertise. He’s a role model.“ Auf der Website des Fonds steht ausdrücklich, es gäbe keine Verbindung zu Spotify. Was vielleicht buchhalterisch betrachtet stimmt, aber natürlich Quatsch ist, denn die Tatsache, dass der Spotify-Gründer, der durch Spotify reich wurde, einen beträchtlichen Teil seines Geldes in Prima Materia packt – das ist ja schon eine Verbindung.

Deerhoof, Xiu Xiu und King Gizzard & The Lizzard Wizard stört vor allem, dass Ek einer der Hauptinvestoren einer Münchener Firma namens Helsing ist. Helsing produziert Soft- und Hardware für K.I.-betriebene Waffensysteme. Der Bestseller ist gerade die „HX – 2“, eine „AI Strike Drohne“, die zur genannten „lauernden Munition“ gehört, die sich in einen Luftraum schleichen kann, um dann – K.I.-gesteuert, allerdings mit einem menschlichen Operator – ihr Ziel zu zerstören. Die ukrainischen Streitkräfte sind gerade sehr dankbar über diese Waffen.

Und spätestens hier wird es moralisch vertrackt: Es ist nun mal leider eine Tatsache, dass auch den Menschen in Europa spätestens seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine klar ist, dass Pazifismus und Weltfrieden nur funktionieren würden, wenn alle mitmachen. Ek und auch die Geschäftsführung von Helsing argumentieren also – mit Teils blumigen Worten – dass man vor allem die Demokratie verteidigen wolle und man sich entsprechend rüsten müsse. Was sicher stimmt – aber eben auch nichts daran ändert, dass man Soft- und Hardware baut für Geräte, die ohne großes emotionales Zutun lernen, wie man am besten Menschenleben auslöschen kann. Auch auf der kleineren Ebene ist diese Diskussion tricky: Wir alle nutzen Spotify gerne, wir schätzen viele Menschen, die bei Spotify Deutschland arbeiten und zweifelsfrei im Herzen Musikfans sind, die Gutes für die Künstler:innen rausholen wollen. Trotzdem hören wir in unseren Interviews mit zahlentechnisch „kleineren“ Acts oder Newcomer:innen immer wieder, dass sie zunehmend an einem System verzweifeln, an dem für kreativen Menschen nur die Krümel vom Kuchen übrigbleiben. Die große Auflösung können wir also hier (mal wieder) nicht liefern, aber dieses emotionale, moralische und intellektuelle Dilemma wollten wir trotzdem mal in dieser Tiefe teilen. 

Kleine, zynische Schlusspointe zum Ende: Der meistgestreamte Song von Deerhoof bei Spotify heisst übrigens „Your Dystopic Creation Doesn’t Fear You“. Ein Satz, den Skynet … äh … Helsing … hoffentlich als Reminder in der Firmenzentrale hängen hat.

Royel Otis über ihre Top 5 Songs

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Die Frage nach den eigenen Lieblingsliedern hört man öfter als erwartet. Meistens steht man dann verdutzt da, geht planlos die eigenen Playlisten durch und kommt schließlich doch auf keine zufriedenstellende Antwort. Deshalb ist es ratsam, solch eine Liste stets parat zu haben, um vorbereitet zu sein. Falls ihr Inspiration braucht, seid ihr hier genau richtig. Royel Otis schreiten mit gutem Beispiel voran und haben uns ihre Top 5 Songs vorgestellt! Von japanischem City-Pop aus den 80ern mit Hiroshi Sato bis zum verträumten Alt-Rock Klassiker „Fade Into You“ von Mazzy Star nimmt uns das australische Duo mit auf eine aufschlussreiche Reise durch ihre All-Time-Favourites.

Unsere Lieblingssongs in dieser Woche

Wir sind es natürlich gewohnt, unsere aktuellen Top 5 Songs zur Hand zu haben – immerhin teilen wir sie hier jede Woche. Wobei wir uns dabei allerdings nur auf die aktuellen Neuerscheinungen beschränken. Da hat uns vor allem Eli Preiss überzeugt, die in ihrer neuen Single selbstbewusst, unnahbar, zerstörerisch durch die Nacht zieht und mit jedem „Wimpernschlag“Herzen bricht, rausreißt oder zertrümmert. Newcomerin Shelly Coral verlässt mit dem zarten „100 Meilen“ endlich die Soundcloud-Bubble, die sie schon länger feiert, während der Düsseldorfer Rapper Nikan mit „zeig’s dir“ ein echtes Liebeslied in die Clubs schickt. Philippa Kinskys Indie-Pop-Song „Flowers“ ist das perfekte Antidote gegen das Doomscrolling, das unser Einstiegsthema mit sich brachte und „OH LORD“ von der Hamburch-Kölle-Konecke Tom Hengst & Lugatti der Track, der uns noch zum Glück fehlte. 

Album der Woche: Hanumankind – Monsoon Season

It’s „Monsoon Season“! Und dass nicht nur aufgrund des aktuellen „Sommer“wetters hier in Deutschland. Der indische Rapper Hanumankind hat vergangenen Freitag seinen Mix aus Südstaaten-Rap mit indischen Einflüssen in Mixtape-Form gegossen – und überschwemmt uns auf „Monsoon Season“ mit hochkarätigen Features, starken Memphis-Flows und zwölf hitverdächtigen Tracks. Auch wenn Hanumankind seit seinem musikalischen Debüt 2019 immer wieder erfolgreiche Singles verbuchen konnte, kam mit dem Song „Big Dawgs“ vergangenes Jahr endlich der große Durchbruch, der den indischen Rapper ins internationale Spotlight katapultierte.

Short der Woche: Lil Wayne überrascht mit Metal-Feature! 

Lil Wayne und Metall? Das war bislang nichts, womit wir gerechnet haben, nun aber im neuen Song mit der Künstlerin Lucifena Realität geworden ist. Wie es dazu kam und wie die Reaktionen darauf sind, erfahrt ihr in unserem Short dazu.

@diffusmagazin Lil Wayne überrascht mit Metal-Feature! 🤯 #metalband #lilwayne #rap #hiphop #rapper #metalrap #rapmetalband ♬ Originalton – DIFFUS

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