„Billie Jo“: Drei Zeilen aus der neuen Casper Single erklärt
Noch zwei Wochen und ein Release-Freitag liegen zwischen uns und der Veröffentlichung des neuen Casper Albums „Alles war schön und nichts tat weh“. Bisher versüßte uns der Rapper schon mit dem opulenten Titeltrack sowie den gemeinsamen Features mit Tua und Haiyti die Wartezeit auf die neue Platte. Heute gesellt sich mit „Billie Jo“ eine weitere Singleauskopplung dazu, die es besonders inhaltlich in sich hat.
„Billie Jo“ ist ein Anti-Kriegssong, in dem Casper die tragische Geschichte von Billie Jo, der Frau eines Kriegsveteranen erzählt, die 2016 zusammen mit ihren Kindern bei einem intrafamiliären Amoklauf durch ihren Mann ums Leben gekommen ist. Das besondere dabei: Casper erzählt hier die Geschichte seiner Cousine. Berichten zufolge litt ein Familienvater nach seiner Rückkehr aus dem Irak-Krieg an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (kurz: PTBS), die als Auslöser für den Amoklauf gilt:
“Police say the children’s father shot his children / And his wife and set their home on fire / After coming home from church Sunday / He then shot himself / Two beautiful kids, a smiling wife, a nice home / All of what should have been a happy life” – Outro “Billie Jo”, Casper 2022
In seinem Song “Billie Jo“ geht Casper auf die Hintergründe zur Tat ein. Doch was ist eigentlich eine „Xanax-Pille“, was hat es mit dem „Affen aus Bagdad“ auf sich und wieso liegen „gefaltete Flaggen vor der Tür“? Eine Erklärung.
Casper – Billie Jo
„Er kam zurück aus dem Irak-Konflikt / Zu Vaterpflichten und Schlafverzicht / Xanax-Pillen nach Arztvorschrift / Flog als Captain der Staffel Apache, Tigers“
Wie zuvor schon erwähnt, war der Täter vor seinem Tod als Soldat in der US-Army tätig, genauer gesagt soll er Teil einer Lufteinheit Army gewesen sein. Zu der Zeit war der eingesetzte Kampfhelikopter ein Boeng AH-64 Apache, weshalb Casper in der oben genannten Zeile von der „Staffel Apache“ spricht. Das Wort Tiger fügt er zudem an, da der Spitzname der besagten Lufteinheit „Flying Tigers“ war.
Nach seiner langen Dienstzeit bei der US-Army und den traumatischen Erlebnissen, die er während seines Aufenthalts im Irak durchsteht, leidet der Soldat nach seiner Rückkehr an PTBS. Diese tritt als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis, eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes auf. Zur kurzzeitigen Behandlung von Störungen wie dieser wird auch Xanax (oder Xanax-Pille: siehe „Billie Jo“) eingesetzt, der nicht nur als Arzneistoff, sondern auch als Party-Droge aus diversen Deutschrap-Songs bekannt ist. Es soll angstlösend, entspannend und beruhigend wirken.
„Brachte ’nen Affen aus Bagdad mit, hat ihn fest im Klammergriff / Für den das ganze Geld ins Loch in Papas Arm verschwindet“
Auch in jener Zeile aus der Pre-Hook von „Billie Jo“ wird es thematisch nicht unbedingt fröhlicher. Mit dem Wortlaut „Brachte ’nen Affen aus Bagdad mit, hat ihn fest im Klammergriff“ überführt Casper das Sprichwort „to have a monkey on (one’s) back“ aus dem Englischen ins Deutsche. Sinngemäß bedeutet das so viel wie „Probleme zu haben“, wird in kritischen Fällen aber auch mit der Wortgruppe „an der Nadel hängen“ übersetzt.
Im Fall des Soldaten trifft vermutlich Letzteres, also die Abhängigkeit von Drogen (z.B. Heroin) zu, wie Caspers Zeile „für den das ganze Geld ins Loch in Papas Arm verschwindet“ zeigt. Eine Erkrankung an PTBS gilt wiederum als mögliche Ursache dafür, dass er auch zu Drogen griff. Das wiederum soll für Soldat:innen nicht unüblich sein, da so auch schon oft während des Aufenthalts physische Schmerzen selbst behandelt werden oder eine Leistungssteigerung herbeigeführt wird.
„Da war’n Blumen vor der Tür mit gefalteter Flagge/ Rekruten, die salutier’n, nach geschossener Salve“
Folgende Zeilen stammen aus der episch-anmutenden Hook von „Billie Jo“: „Da war’n Blumen vor der Tür mit gefalteter Flagge/ Rekruten, die salutier’n, nach geschossener Salve“. Casper beschreibt hier eine Art Gedenk-Ritual, das als Ehrung von verstorbenen Soldat:innen vollzogen wird.
Die gefaltete Flagge von der Casper spricht, wird auch als Dreispitz bezeichnet und hat sich als Aufbewahrungs-Variante der US-Flagge eingebürgert. Doch auch bei Begräbnissen von Streitkräften oder ihren Angehörigen wird die Flagge in Form des Dreispitzes gefaltet und an den nächsten Angehörigen übergeben. Auch wenn Casper das Salutieren und den sogenannten „Salve“ (gleichzeitiges, zeremonielles Abfeuern mehrer Geschütze als ehrbezeigender Gruß) erwähnt, spricht er davon, wie Soldat:innen ihre Ehre und ihr Mitgefühl gegenüber verstorbenen Kriegsteilnehmer:innen zeigen.
„Billie Jo“ ist also nicht einfach eine „weitere“ Single auf dem Weg bis zum Release der neuen Casper Platte, sondern spricht wirklich schwere Themen an. Und mit genau solchen verwobenen Referenzen und Detailverliebtheit beweist Casper erneut sein unheimliches Geschick für Sprache und Text.
Das neue DIFFUS Print-Magazin
Titelstory: SSIO
Außerdem im Heft: Interviews mit badmómzjay, t-low, Magda, Paula Engels, fcukers, Betterov uvm. Außerdem große Reportagen über Kneipenkultur, Queer Rage und Essays!