Death Metal fürs Stadion & Heulen im Moshpit
Gatecreeper – Dark Superstition
Stadion-Death-Metal, anyone? Dass Gatecreeper Bock auf die ganz großen Metal-Bühnen haben, machen sie mit ihrem dritten Album „Dark Superstition“ mehr als deutlich. Wer sich in ihren Breakthrough „Deserted“ (2019) verliebt hat und mit dem Schweden der Neunziger generell nicht viel anfangen kann, wird hiermit wohl so seine Probleme haben, denn die Band aus Arizona packt endgültig den Old-School-Melodeath-Hammer aus.
„Dark Superstition“ ist fokussiert auf melodiöse Riffs und eine gloomy doomy Atmosphäre, die hier und da gar Gothic-Metal-Anleihen erkennen lässt. In Erwartung hymnischer Acht-Euro-Arena-Bier-in-die-Luft-streck-Momente bewegen sich Gatecreeper viel im Midtempo, umso mehr freut man sich, wenn sie dann so einen explosiven Kracher wie „Mistaken For Dead“ raushauen.
Es ist klar, dass Gatecreeper hier versucht haben, ein abwechslungsreiches Album zu schaffen, das sich vom Rest der Old-School-Revival-Chose abhebt. Ob das einzeln betrachtet leider oft recht generische Songwriting von „Dark Superstition“ auf Dauer dafür reichen wird – weiß ich nich’. Als Auftakt für eine neue Ära in der Bandgeschichte erfüllt es aber auf jeden Fall seinen Zweck. Und ich werde safe mit einem überteuerten Arena-Kaltgetränk in der ersten Reihe stehen, wenn die Band ihren Siegeszug live fortführt.
Rotting Christ – Pro Xristou
Manche Bands muss man ja einfach schon dafür respektieren, dass sie bis aufs Letzte ihr eigenes Ding durchziehen. Rotting Christ zum Beispiel – das Aushängeschild der griechischen Metal-Szene, seit über 35 Jahren im Geschäft mit ihrem ketzerischen Schaffen und anscheinend kein bisschen müde. Gestartet im Extreme Metal, ist die Gruppe um das Geschwister-Duo Sakis und Themis Tolis mittlerweile bekannt für ritualistischen, aber auch unheimlich groovenden Gothic Metal (ich konnte bislang bei vermutlich keiner anderen Metal-Band live so gut Booty shaken).
Nun also ein neues Album, Nummer 14 bereits. „Pro Xristou“ verschreibt sich, wie sollte es auch anders sein, (Anti-)Christentum, Paganismus und Mythologie. Nichts an diesem Album ist überraschend – nicht die Spoken-Word-Parts, nicht die Chöre, nicht der dominierende Midtempo-Stampf-Beat, nicht der fast cineastische Bombast, der hier immer wieder heraufbeschworen wird. Haben wir alles schon gehört, mehrmals. Die Frage ist, ob man davon gelangweilt ist oder nicht. Denn wenn wir den etablierten Rotting-Christ-Sound als ein Versprechen ansehen, das die Griechen mit jedem Album einhalten, dann kann man zu „Pro Xristou“ schon ordentlich kopfnicken. Und unter dieser Prämisse haben schon ganz andere Bands Weltkarrieren aufgebaut.
One Step Closer – All You Embrace
Den Vorwurf der Vorhersehbarkeit kann man One Step Closer nicht machen, denn als ich „All You Embrace“ zum ersten Mal gehört habe, musste ich direkt doppelchecken, ob ich es hier wirklich mit der richtigen Band zu tun habe. Der Post-Hardcore ihres Debütalbums „This Place You Know“ (2021) ist begraben unter Emo- und Alt-Rock-Revival-Sounds, die mich ganz stark an die Zeit erinnern, als Bands wie Basement, Citizen und Title Fight meine Playlists besetzt haben. Insofern passt das Release gar nicht so recht in diese Kolumne, kommt aber aus Nostalgiegründen trotzdem rein.
Auf „All You Embrace“ wird das Melodic in Melodic Hardcore ganz groß geschrieben. Rund um die neu dominierenden Clean Vocals schwirren bittersüße Melodien und Hooks, hier und da eingestreute Shout-Parts verpassen dem Ganzen etwas mehr Edge. Es gibt dennoch Momente, in denen man etwas zu sehr von Youth Crew in Richtung Pop-Punk kippt (etwa das Blink-182-Zitat in „Topanga“). One Step Closer erfinden hier den Sad-Boi-Hardcore nicht neu, aber wir werden für immer Musik brauchen, zu der man im Moshpit heulen kann, und dieses Album kommt definitiv mit auf die Liste.
Damit das Genre-Chaos in dieser Kolumnen-Ausgabe perfekt ist, sei an dieser Stelle auch noch auf das von mir sehnlichst erwartete und wirklich hervorragende neue DIIV-Album „Frog In Boiling Water“ hingewiesen, das mein Shoegaze-Herz höher schlagen lässt.
Hier gehts zur Hard in Here Playlist:
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Christina Wenig ist Redakteurin, Journalistin und Fotografin aus Berlin. Für Magazine wie Visions und Metal Hammer schreibt sie über Metal, Hardcore und Artverwandtes; auf ihrem Instagram-Kanal teilt sie Live-Eindrücke aus verschwitzten Clubs und sinniert über Feminismus, Antifaschismus, Filme und ihren Hund.

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