Dieser eine Song: Kraftklub – Kein Liebeslied
Wenn toughe Männerbands auf einmal Liebeslieder schreiben, dann kann das nur eins bedeuten: Es ist Valentinstag. So oder so ähnlich hätte die Headline wahrscheinlich noch vor zwölf Jahren geheißen als Kraftklub ihren Song „Kein Liebeslied“ rausgebracht haben. Gut, dass wir da heute weiter sind. Gut, dass auch „Männerbands“ heute offen sein dürfen und Emotionen zeigen. Und überhaupt: „Happy Valentines Day!“ Und jetzt kauft bitte Geschenke für eure Liebsten und schmeißt euch in den Konsum – auch irgendwie ein überholtes Konzept und nur so semi-romantisch.
Aber mal ehrlich: Ein Liebeslied, das aber auf keinen Fall eines sein soll – schon irgendwie strange. Oder? Ist es das wirklich? Männern fällt es ja bekanntlich oft immer noch schwer, in unserer Gesellschaft Gefühle zu zeigen. Da ist es vielleicht gar nicht verwunderlich, dass die Jungs aus Chemnitz im Januar 2012 ein Lied releasen, dass irgendwie Liebeslied ist und irgendwie auch nicht. „Ich hoffe du verstehst mich, / dass ich dich mag, heißt nur, / dass ich nicht weiß / wie man das anders sagt.“ So ist das mit den Gefühlen. Erfahren tun sie alle, darüber reden schaffen nur wenige.
Schaut man sich die restlichen Tracks der Band mal an, fällt jedoch schnell auf: Der Song ist nicht aus purer Verzweiflung entstanden. Hier spricht vor allem auch Ironie, und der Song ist ein sarkastischer Kommentar zu eben genau dieser toxischen Männlichkeit.
Das Debüt der Chemnitzer Band
„Kein Liebeslied“ erscheint 2012 auf der ersten Platte von Kraftklub, die den Titel „Mit K“ trägt. Gemeinsam mit „Scheisssindiedisko“ und „Songs für Liam“ ist das „Kein Liebeslied“ einer jener Hits, die die Band bis heute immer wieder auf Konzerten spielen. Zuletzt auf ihrer Open Air Tour im Sommer 2023 als Akustik-Version inmitten des Publikums. Und genau wie vor zwölf Jahren wissen auch heute noch die Fans den Text auswendig und schwelgen gemeinsam mit Kraftklub in der Wehmut des Songs.
Hysterische Fans und Prügeleien
Das Musikvideo zu dem Track erschien 2012 im guten, alten Look der 10er-Jahre mit bläulich-gelbem Colorgrading und ganz vielen Teenage Girls. Und während man in der ersten Hälfte des Videos am liebsten die Hände überm Kopf zusammenschlagen will, weil an die 50 Fangirls ihren vermeintlichen Idolen Kraftklub hinterherrennen, zeigt die zweite Hälfte des Videos, dass es hier doch nicht um Anhimmelung sondern um Bestrafung geht. Als die fünf Jungs nämlich nicht mehr rennen können und anhalten müssen, stürzen sich die Mädels nicht auf die Band, um sie zu abzuknutschen, sondern um sie zu verprügeln.
Heute hat die Band aus Chemnitz hoffentlich nicht mehr so viel Streit mit ihren Fans. Treu geblieben sind sie ihnen aber auf jeden Fall. Erst im letzten Jahr veröffentlichten die Musiker nach sechs Jahren Pause ihr neuestes Album „Kargo“ und landeten damit auf Platz 1 der deutschen Albumcharts. Politischer sind sie geworden, aber der klassische Kraftklub-Sound ist auch auf der neuen Platte noch unverkennbar.
 
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