Jamel rockt den Förster, Mambo No. 5 & Hadern mit Streaminganbieter – Was diese Woche wichtig war
Hallo zusammen!
Am vergangenen Wochenende fand mal wieder das Jamel rockt den Förster statt. Seit 2007 rückt das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer mit diesem Festival Jamel in den Fokus: ein kleiner Ort mit nicht mal 50 Einwohner:innen, der von Rechtsextremen als eine Art nationalsozialistisches Musterdorf angesehen wird. Das geht vor allem auf Sven Krüger zurück: der Typ war erst Führungsfigur der rechtsdrehenden (und heute verbotenen) Hammerskins, dann lange NPD-Mitglied, dann ein paar Jahre Knasti – und heute ist er mit seiner rechtsradikalen Wählergemeinschaft Heimatliebe seit 2024 Teil des Gemeinderats Gägelow, der auch für Jamel zuständig ist. Krüger motivierte ungefähr ab dem Jahr 2000 seine rechtsradikalen Freunde, in Jamel Häuser und Grundstücke zu kaufen. Die Lohmeyers kamen 2004 nach Jamel und wollten dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Über die Jahre kam es dabei immer wieder zu Schikanen, Belästigungen und sogar konkreten Angriffen: 2015 wurde ihre Scheune in Brand gesetzt und in der Silvesternacht 2025 betraten vermummte Männer und Jugendliche das Grundstück der Lohmeyers, pöbelten, drohten und riefen verfassungsfeindliche Parolen.
Auch an diesem Wochenende konnte man in den deutschen Medien wieder viel über Jamel rockt den Förster lesen. Vor 3500 Menschen – damit war das Festival wieder ausverkauft – spielten zum Beispiel Die Toten Hosen, Kraftklub, Paula Hartmann, Betterov und Paula Carolina. Schlagzeilen machte aber vor allem eine Auseinandersetzung um die Durchführung des Festivals. Die Gemeinde Gägelow hatte nach jahrelanger kostenfreier Nutzung von zwei Flächen, die der Gemeinde gehören, beschlossen, dass nun zum ersten Mal eine Pacht von 8.000 Euro fällig wäre. Um dem zu entkommen, hatten die Lohmeyers das Festival als politische Versammlung ankündigen müssen. Für das in dem Fall greifende Versammlungsrecht ist wiederum der Landkreis Nordmecklenburg zuständig, dem CDU-Mitglied Tino Schomann als Landrat vorsitzt. Der Landkreis forderte zahlreiche Auflagen ein – u. a. ein Alkoholverbot und eine viel höhere Zahl an Sicherheitskräften. Alles Forderungen, die eine Durchführung des Festivals finanziell unmöglich bis schwierig gemacht hätten. Die Lohmeyers zogen vor das Verwaltungsgericht in Schwerin – und bekamen (allerdings erst zwei Wochen vor dem Festival) das Recht zugesprochen, das Open-Air wie gewohnt durchführen zu können.
Campino sagte beim Gig der Toten Hosen am Freitag dann ein paar Worte zur Lage in Jamel – und zum Verhalten des Landkreis Nordmecklenburg (in dem die CDU stärkste Kraft ist, mit nur einem Sitz mehr als die AfD). Er sagte auf der Bühne, dass die AfD immerhin ein klar erkennbarer Feind sei und ließ diesen Satz folgen: „Aber das Empörende ist, dass diese lokalen Gruppierungen der CDU sich denen an den Hals schmeißen…“Das empört jetzt wiederum Landrat Schomann, der in einem Statement schreibt: „Fakt ist: Familie Lohmeyer hat nach über 15 Jahren das Festival erstmals als politische Versammlung angemeldet. Damit gilt das Versammlungsgesetz – für alle, ohne Ausnahme. Ob lokal oder prominent, ob Veranstalter oder Weltstar – niemand steht über dem Gesetz.“ Die wichtige Info, warum die Lohmeyers denn das Festival als politische Versammlung anmelden mussten, unterschlägt er natürlich an dieser Stelle. Was Campino da auf der Bühne sagte, sei so Schomann, „eine gezielte Diskreditierung staatlichen Handelns und überschreitet jede rote Linie.“ Im NDR ergänzte er sogar noch: „Natürlich ist die Meinungsfreiheit, gerade auf einer Versammlung, ein hohes Gut, aber sie kennt auch Grenzen. Und das wird entsprechend zu bewerten sein.“
Da will man wirklich einfach nur noch im Strahl kotzen: Dieser Mann sitzt einem Landkreis vor, in dem eine Partei zweitstärkste Kraft ist, die ganze Bevölkerungsteile diskreditiert, verhöhnt, abwertet und kriminalisiert (und vielleicht bald auch vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ bewertetet wird). Und alles, was ihm zu dieser Sachlage einfällt, ist das? Klar, der Mann muss mit den realen Mehrheitsverhältnissen vor Ort Politik machen, die in der Gegend leider sehr düsterblau sind. Und da für die CDU ja immer noch Die Linke das Feindbild ist, wird er die AfD für viele Vorhaben wohl brauchen. Was ja aber ganz gut in die Zeit und zu seiner Partei passt, dessen rechter Rand sich schon lange den AfD-Ideen und Talking Points „an den Hals wirft“ – in dem Irrglauben, man könnte damit den erstarkenden rechten Kräften beikommen. Obwohl eher das Gegenteil der Fall ist, und dadurch immer mehr Leute auf die massive, rassistisch gefärbte Realitätsverzerrung reinfallen, die man im Hause der AfD und bei ihren rechten Netzwerken und so genannten „alternativen Medien“ leider sehr gut beherrscht. Die CDU wertet mit diesem Handeln seit Jahren Meinungen und Weltbilder auf, die eigentlich weiterhin ganz rechts außen bleiben sollten.
Trotzdem geben uns Veranstaltungen wie das Jamel rockt den Förster immer noch Kraft und kurz den Glauben daran zurück, dass man etwas gegen diese ganze Scheiße ausrichten kann. Und eine Sache fällt uns dabei auch mal wieder auf: Die Rechten regen sich oft über vermeintlich linksradikale oder zu woke Kulturveranstaltungen auf, und über die Leute, die dort hingehen oder dort auftreten. Wann aber sieht man schon mal rechte Kulturveranstaltungen, bei denen man denkt: „Oha, jetzt wird es eng! Diese rechtsdrehende Band ist musikalisch so gut, die könnte das ganze Land begeistern!“ Gleiches bei der Literatur: Die feiern schön ihre alten, meist toten Literaten, die irgendwann zu Faschos wurden, oder sich nicht mehr gegen Vereinnahmung wehren können, aber habt ihr zum Beispiel mal ein paar „zeitgenössische“ Bücher aus Götz Kubitscheks rechtem Antaios Verlag gelesen? Oder mal einen Youtube-Clip von ihm und seiner Frau Ellen Kositza durchgestanden? Wir aus Recherche-Zwecken leider schon – und hey, da merkt man auch wieder: Hinter der aufgeblasenen Fassade und der pseudointellektuellen Inszenierung weht da oft halt auch nur ein sehr laues Lüftchen, das immer ein wenig nach 1933 müffelt. Auch hier kann mal also weiterhin Mut tanken, denn die besseren Bücher, Filme und vor allem Songs wird es bei denen nie geben – das hat nicht zuletzt auch das Jamel rockt den Förster gerade wieder bewiesen.
Electric Callboy treffen Mehnersmoos für unsere Titelstory – Live-Talk beim Highfield Festival
DIFFUS Titelstory goes live! Wir haben uns am 16. August auf den Weg nach Großpösna gemacht, um uns dort auf dem Highfield Festival auf der Beck’s Beach Stage mit Electric Callboy und Mehnersmoos zum Gespräch zu treffen.
Electric Callboy befinden sich grade am Ende ihres Festivalsommers, der im Herbst in eine große Welttournee übergehen wird. Mit „Elevator Operator“ und „Revery“ hat die Band aus Catrop-Rauxel in diesem Jahr schon zwei erfolgreiche Singles veröffentlicht – und heute folgt mit „Still Waiting“ die dritte. Das Cover des Sum 41 Überhits gehört schon länger zu den erfolgreichen, explosiven Live-Sets der Band und ist nun endlich auch zum Streaming verfügbar. Bei Mehnersmoos hingegen stehen die Zeichen in diesem Jahr auf Neuanfang – denn neben ihrem altbekannten Rap-Projekt gründete das Frankfurter Duo in diesem Jahr mit Sons of Huens auch eine Rock-Band. Mit der geht es noch diesen Herbst auf Tour.
Bei all den anstehenden Live-Terminen dreht sich das Gespräch zwischen Electric Callboy und Mehnersmoos viel um Live-Shows und alles, was eben dazu gehört. Es wird in Gedanken an den legendären gemeinsamen „Bir“-Auftritt bei einem Electric Callboy-Konzert in der Frankfurter Festhalle vor zwei Jahren in Erinnerungen geschwelgt, eine Aussicht auf zukünftige Pläne gegeben und vor allem Punchlines gefeuert, was das Zeug hält.
Unsere Lieblingssongs in dieser Woche
Kommen wir zu den Songs, die bei uns gerade auf Rotation laufen: Die Indie-Band Power Plush liefert mit „Better Luck (Next Time)“ den Soundtrack für jene Tage, an denen man vor lauter Gereiztheit am liebsten wieder ins Bett gehen möchte. Passt gut in diese Zeit, finden wir. Eskapismus der schönsten Sorte liefert uns Domiziana, die sich mit ihrer neuen Single ins „Dolce Vita“ihrer Teilheimat Italien sehnt. Die tolle Elimako haucht uns mit „weiter“ in den Sad Girl Spätsommer und The Beaches wählen nicht nur die „Lesbian Of The Year“, sondern schreiben ihr auch gleich eine Hymne auf den Leib. Last but not least meldet sich der britische Newcomer Sekou endlich zurück – mit „Catching Bodies“, das ein wenig klingt, als wolle er den Motown-Sound fit für die Jetztzeit machen.
sombr – I Barely Know Her

Mit gerade einmal 20 Jahren legt der New Yorker Alt-Pop-Künstler sombr mit seinem Debütalbum „I Barely Know Her“ ein Werk vor, das sich mühelos in die spannendsten Veröffentlichungen des Jahres einreiht. Ein Titel, der beiläufig klingt – fast wie ein Scherz – und doch den roten Faden des Albums zusammenfasst: jugendliche Sehnsucht, die Fragilität von Beziehungen und das bittersüße Gefühl, zwischen Aufbruch und Verlust zu taumeln. Bekannt wurde sombr spätestens mit dem viralen Überhit „undressed“. Doch wer ihn darauf reduziert, übersieht die eigentliche Größe dieses Albums. Denn „I Barely Know Her“ zeigt ihn als Songwriter und Produzenten, der intime Selbstreflexion mit popkulturellem Zeitgeist verbindet. Zwischen akustischer Zurückhaltung und hymnischen Refrains entsteht ein Sound, der zugleich vertraut wirkt und dennoch neu klingt – Musik, die in ihrer Emotionalität direkt ins Herz trifft. Mit „I Barely Know Her“ gelingt sombr ein Debüt, das seine bisherige Karriere krönt und zugleich andeutet, wie viel noch kommen wird. Ein Album, das jugendliche Intensität und erstaunliche Reife verschmilzt und damit beweist, dass sombr längst mehr ist als ein viraler Name.
Short der Woche: Jamel rockt den Förster

In einem Newsletter wie diesem, widmen wir natürlich auch dem Short der Woche den Lohmeyers und und ihrem Festival „Jamel rockt den Förster“.
Das neue DIFFUS Print-Magazin
Titelstory: SSIO
Außerdem im Heft: Interviews mit badmómzjay, t-low, Magda, Paula Engels, fcukers, Betterov uvm. Außerdem große Reportagen über Kneipenkultur, Queer Rage und Essays!