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Empfehlung des Tages: Kettcar, Chris Hell von FJØRT – München

Posted in: NewsMagazin
Tagged: KettcarFJØRT

Wenn eine Hamburger Band ein Lied namens „München“ schreibt, darf man davon ausgehen, dass das nicht unbedingt eine positiv gemeinte Hymne wird. München mag eine sehr schöne Stadt sein – steht bei vielen Menschen aber vor allem für Snobismus, Polizist:innen, die sich ein paar Freiheiten mehr nehmen dürfen als in anderen Städten und ein politische Mischung aus Brauchtümlerei, konservativem Gedankengut und einem nach rechts schielenden Populismus, der vor allem von den Herren Söder und Aiwanger ebenso oft zelebriert wie dementiert wird. Wer ganz böse ist, fügt noch hinzu, dass sich Hitler dort damals pudelwohl fühlte und die Nazis München in ihrer Propaganda feierlich zur „Hauptstadt der Bewegung“ machten.

Andererseits gibt es fairerweise aber auch das München, das sich im Herbst 2015 zeigte, als am Hauptbahnhof hunderte erschöpfte Geflüchtete ankamen und zahlreiche Freiwillige Essen, Decken und andere Spenden brachten. Außerdem gibt es dort eine stabile Subkultur, Clubs wie das Feierwerk, Kafe Marat, das Flex, Import Export, Substanz und so tolle Radiosender wie BR PULS. Pauschales München-Bashing wollen wir uns hier also nicht nachsagen lassen – aber ein wenig Stadt-Kritik passt zum neuen Kettcar-Song „München“. Er ist die erste Single aus dem neuen Album „Gute Laune ungerecht verteilt“, das am 5. April erscheinen wird.

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Eine Geschichte von Freundschaft und dem Rassismus der Deutschen

Die Hamburger holten für die dunkle, post-punkige Nummer einen spannenden Feature-Gast an Bord: Chris Hell von FJØRT singt unter anderem in der beißenden Hook vor dem Chorus. In dem von Reimer Bustorff geschrieben Text geht es wie so oft bei Kettcar um das Politische im Privaten. Das Lied erzählt von einer Männerfreundschaft, die schon zu Schulzeiten beginnt. Der Kumpel des Erzählers heißt Yachi und hat, wenn man nach den Bildern im Video geht, einen deutsch-türkischen Familien-Background. Rassismus im Alltag erfährt Yachi von Anfang an – auch in der Family des Ich-Erzählers. „Er kam zum Essen, meine Mutter fragte: / ‚Darf ich einmal dein schönes schwarzes Haar anfassen?‘ / Du hast sie gelassen, etwas verkrampft gelächelt / Gegessen und dich höflich bedankt.“ Bassist und Texter Reimer sagt: „Diesen Yachi aus dem Text gibt es wirklich. Wir haben zusammen Fußball gespielt, seine Eltern kamen aus der Türkei. Der hat das damals in den Achtzigern schon so erlebt – und ich will mal behaupten, seitdem hat sich nichts zum Guten verändert.“

In den Strophen gibt es weitere Beispiele: rassistische Beleidigungen am Kiosk, eine Bar, die Yachi nicht reinlässt, ein Vermieter, der in langsamer Babysprache spricht, obwohl Yachi fließendes Deutsch mit bayerischem Zungenschlag spricht. An einer Stelle heißt es: „Ich sagte: ‚Scheiß auf den Laden! Wenn sie dich hier nicht reinlassen wollen sie mich auch nicht haben.‘ / Wir gingen zu mir, saßen am Fenster, lachten und tranken ein Bier / Ich guckte dich an und sagte: ‚Wir sind uns so ähnlich, wir sind uns so gleich‘ / Und du sagtest zu mir: ‚Ja, das sind wir – aber wir sind es nicht hier!‘“

Der Refrain passt leider nur zu gut in aktuelle Diskussionen

Vor allem der Refrain zielt sozusagen auf den Rassismus-Klassiker – die Frage: „Wo bist du eigentlich hergekommen?“ Yachi dürfte ein Kind der Gastarbeiter-Generation sein: Also der Sohn einer Familie, die in Deutschland härter gearbeitet hat als viele, die heute rechts wählen. Er ist deutscher Staatsbürger, Münchener durch und durch. Im Song heißt die Antwort auf die Frage, wo er hergekommen ist, wütend: „Wo ich geboren bin? Wo ich geboren bin? / Sie fragen, wo ich geboren bin? / Ich sag’, ich bin geboren in München-Harlaching / München, alte Lady / Mein Herz ist ein totgeschlagenes Robbenbaby.“

Bei Szenen wie dieser – die Menschen, deren Familie irgendwann mal eingewandert ist, ständig erleben – muss man zwangsläufig an die aktuelle Nachrichtlage denken. Genauer: An die bei Corretiv veröffentlichte Reportage über den „Geheimplan gegen Deutschland“, wo letzten Herbst im privaten Rahmen in einer Potsdamer Villa laut darüber nachgedacht wurde, wie man Menschen wie Yachi und seiner Familie die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen könnte. Eine gefährliche, wenn auch bizarre Veranstaltung, bei der ein Zahnarzt aus Düsseldorf, ein vorbestrafter rechter Gewalttäter sowie diverse AfD-Funktionäre und Geschäftsleute Dinge besprachen, denen ein zutiefst rassistisches Menschenbild zugrunde liegt. Vorgetragen vom österreichischen Wannabe-Posterboy der Identitären Bewegung, dessen Geschäftsmodell es ungefähr ist, sich von solchen Gestalten haushalten zulassen, damit er seine in den 30ern und früher geborgten Thesen vortragen kann. Gefährlich ist dieses Witzfigurenkabinett trotzdem: Wer AfD wählt, wählt nämlich auch Leute, die solchen Leuten eine Bühne bieten – und so vielleicht tatsächlich Einfluss auf die Politik haben.

Exklusive Show in München und Tour im April

Aber wir schweifen ein wenig ab – wenn auch hoffentlich im Sinne von Kettcar. Was noch zu sagen wäre: Die Band spielt am Samstag, dem 27. Januar, eine ganz kleine Show im Feierwerk in München für nur 300 Fans. Tickets werden überwiegend verlost – unter anderem kommenden Dienstag auf unseren Socials. Mit ein wenig Glück, könnt ihr am letzten Samstag im Januar mit 300 Gleichgesinnten diese starken Zeilen gen Bühne brüllen: „München, alte Lady / Mein Herz ist ein totgeschlagenes Robbenbaby.“ Wer da nicht kann, gräme sich nicht: Die von uns mitpräsentierte Tour beginnt Mitte April. Die Daten findet ihr unter dem Artikel.

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