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Endlich ist es soweit: Travis Scott veröffentlicht „Utopia“

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Lange bereitete der Rapper die Welt auf die Veröffentlichung seines vierten Albums „Utopia“ vor. Allerdings verlief die Promotion für „Utopia“ ziemlich chaotisch, und der Name „Dystopia“ könnte tatsächlich besser passen für die bisherige wirre Werbekampagne. Doch nach all dieser Zeit und all dem Bangen ist es endlich soweit. Die neue Travis Scott Ära ist offiziell eingeläutet, denn „Utopia“ ist endlich entfesselt. 

Ein bedeutender Moment in der oben erwähnten Promophase war im Mai, als Travis Scott mit einem Bodyguard auftrat, der eine Aktentasche mit der Aufschrift „Utopia“ trug. Die Aktentasche tauchte bei SZA’s Bodyguard und Produzent Mike Dean auf, doch ihr Inhalt blieb verborgen. Wenn man sich das Album tatsächlich anhört, kann man verstehen warum Travis Scott dieses Projekt behandelt, wie seinen größten Schatz. Jeder der 19 Anspielstationen ist ein raffiniert gefertigtes Juwel. Manche erstrahlen bunt und laut, andere sind melancholisch und düster und wieder andere lassen einen einfach nur den Kopf schütteln. Bei großen Travis Scott Fans sind die Erwartungen an das neue Travis Scott Album über die letzten Jahre ins – achtung, billiges Wortspiel – utopische gewachsen: „Der Sound muss innovativ genug und mutig genug klingen und gleichzeitig überzeugen. Wir brauchen Rage-Musik, wir brauchen schwer zu greifende Produktionen, jede Menge Beatswitches und ach ja, auf die Astroworld-Festival-Tragödie müssen wir irgendwie auch eingehen“. So oder so ähnlich dürfte sich die Erwartungshaltung der Fans angehört haben. Und schon der Opener „HYAENA“ zeigt, dass sich das Warten gelohnt hat. 

Es fällt schwer einzelne Momente hervorzuheben, die das Album hörenswert und besonders machen. Die Produktionen einzelner Songs in einem Text zu beschreiben wäre vollkommen ausufernd und eine echte Herausforderung, einfach weil sie so brachial, ignorant, schemenhaft und gleichzeitig detailverliebt sind. Es passiert praktisch immer irgendetwas, das Ohr wird stetig überrascht. Stetig werden neue Elemente hinzugefügt oder entfernt, manchmal so rabiat und virtuos, dass einem schwindelig werden könnte. Auch wenn diese Floskel in der Musik wirklich ausgelutscht ist: Wenn wir mit seinem letzten Album auf der „Astroworld“ gelandet sind, erweitert Travis Scott nun unseren Horizont und nimmt uns mit in sein eigenes Universum, „Utopia“. In diesem Universum ist Travis Scott aber bei weitem nicht der einzige Star. Die Gastbeiträge des Albums sind zahlreich, hochkarätig und gleichzeitig unfassbar gut integriert in den Sound des Albums. Es sind diese fein kreierten Momente, wie wenn am Anfang von „Meltdown“ das markante „Yuh“ von Drake erklingt und man sich denken kann, wie schlimm er den Beat auseinander nehmen wird oder in „Delresto (Echoes)“ die Stimme von Beyoncé ertönt. Der vielleicht krasseste Moment versteckt sich im letzten Teil von „Looove“, denn dort steigt völlig unverhofft ein gewisser Namensvetter von Travis (auf den wir hier aus Spoiler-Gründen nicht weiter eingehen wollen) mit einem aufregenden Part ein. Die weiteren Stars im Utopia-Kosmos sind übrigens KayCyy, Teezo Touchdown, Bon Iver, Sampha, Drake, Playboi Carti, Sheck Wes, Beyoncé, Rob49, 21 Savage, The Weeknd, Yung Lean, Young Thug, James Blake, Westside Gunn, Kid Cudi, Bad Bunny, Future, und SZA. Das ist mal ein ordentliches, musikalisches Sternensystem. 

Inhaltlich beschäftigt sich der Houstoner in diesem Album mit Themen wie Schuld, Vertrauen, Liebe, Dämonen, Realitäten, Gott, Vergebung und Freiheit auseinander. Gleichzeitig dreht sich natürlich sehr viel um seinen extravaganten Lifestyle und um seine Beliebtheit bei Frauen. Aber um ganz ehrlich zu sein interessieren die Produktionen, das rein Klangliche, Melodische und Rhythmische viel mehr als das was Travis Scott zu sagen hat. Es ist fast so als bräuchte Travis Scott keine Worte um die Emotionen zu vermitteln, die Tonalität seiner Effekt-geschmückten Stimme reicht im Zweifelsfall vollkommen aus. Immer wieder kommt ein merkwürdig familiäres Gefühl auf und nach einiger Überlegung stößt man auf die zwölfte Anspielstation „Circus Maximus“ (welche nebenbei auch Titelgebend für den Film zum neuen Album ist) und merkt, dass bei dem Song starke Parallelen zu „Black Skinhead“ von Kanye West bestehen. Dieses vertraute Gefühl kommt vermutlich daher, dass Travis Scott in seiner Herangehensweise stellenweise auf eine Art an Kanye West während der „Yeezus“-Ära erinnert. Dennoch lässt sich „Utopia“ nicht mit dem verqueren Album von Ye aus 2013 erinnern, auch wenn der zehnte Geburtstag des Albums ein guter Anlass gewesen wäre. Alles in allem atmen viele Travis Scott Fans auf der Welt beruhigt auf, denn ihr musikalischer Heiland und Hirte hat sie mit nicht enttäuscht und in das gelobte Universum „Utopia“ geleitet. 

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