„Fine Art“: Kneecap erzählen ihre Geschichte in zwölf Kapiteln
Kneecap – das sind drei irische Jungs aus Belfast, Nordirland: MCs Móglaí Bap und Mo Chara, und der stets Balaclava tragende DJ Próvaí. 2017 mixen die Iren auf ihrer ersten Single „C.E.A.R.T.A“ (irisch für „Rechte“) Irisch-Gälisch mit Rap und treffen mit ihren Old-School, Beastie Boys Vibes und der Geschichte einer Polizeiflucht einen konkret irischen, aber auch kontroversen Nerv. Aber schon dieser erste Song fängt die Grundwerte der Rapper ein: Bei Kneecap geht es um harten, irischen Rap, der den irischen Republikanismus als auch Hedonismus jeglicher Form unterstützt – und das immer mit einer Schippe Humor vermittelt. So auch auf ihrem Debütalbum „Fine Art“.
Kein Album, sondern Kunst
Auf „Fine Art“ erzählt das irische Hip-Hop Trio seine Geschichte. Das aber nicht etwa chronologisch. Stattdessen hat sich das Trio den Producer Toddla T geschnappt und zusammen den Plan geschmiedet, Aspekte ihrer Origin-Story in zwölf Kapiteln wiederzugeben. Dank sechs Interlude-Tracks gleicht das Album fast einem Hörspiel und erweitert die eigentlichen Erzählungen der Songs um eine Meta-Ebene, in der Kneecap sich zu realen Erlebnissen äußern können. So ist zum Beispiel der Albumname und Titel des zweiten Songs „Fine Art“ eine Anspielung auf die mediale Reaktion, die Kneecap nach der Enthüllung einer Wandmalerei auslöste, die einen brennenden Polizei-Jeep abbildete. Im Namen der Kunstfreiheit wird in dem Drum&Bass-Track das Spektakel als Kunststück bezeichnet, um dem Medienrummel so abzutun.
Darüber hinaus gibt uns Kneecap eine fiktionale Pubnacht als Albumsetting, in der Bap, Chara und Próvaí allerlei Eskapaden erleben. Von Drogenkonsum und einem Einbruch in die Tierklinik wird zum Beispiel auf „Rhino Ket“ zu Garage- und Rave-Beats gerappt. Im Vergleich ruhigere Tracks wie „Harrow Road” und „Drug Dealin Pagans” samplen hingegen irische Fideln und Flöten und featuren den Londoner Rapper Jelani Blackman und den irischen Schriftsteller Manchán Magan. An Intensität verlieren die Tracks dabei nie.
Kneecap auf dem Silverscreen
Das Trio arbeitete neben seinem Debütalbum auch an einem weiteren großen Projekt, das beim letzten Sundance Film Festival seine Premiere feierte: „Kneecap“ – das Biopic. Zusammen mit dem Regisseur Rich Peppiatt haben Bap, Chara und Próvaí ihre Entstehungsgeschichte inszeniert und spielen sich sogar im Film selbst. In Kneecap Tradition wird der Film fast komplett in der irischen Sprache erzählt und war somit der erste irisch-gälische Film, der jemals am Sundance teilnahm. Für Kneecap ist das ein essentielles Anliegen ihrer Kunst. Mo Chara erklärt: „Wir wollten die irische Sprache in die moderne Zeit bringen, indem wir Aspekte der Jugendkultur in sie einfließen lassen. Das ist ein Teil der Welt, die wir schaffen wollen, in der die irische Sprache im Mittelpunkt steht und modern ist.” Und das kommt nicht nur musikalisch gut an: Beim Festival war der Film als einziger nicht US-amerikanischer Film in der „NEXT”-Kategorie für experimentelle Filme nominiert – und gewann den Publikumspreis.
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