Hard In Here – mit Mizmor, Agriculture und Oxbow
Mizmor – Prosaic
Absolute Konsensbands gibt es im Metal ja sehr wenige, weil Gatekeeping und Rumgemecker hier immer noch ganz angesagt sind, aber ich habe wirklich noch nie eine Person getroffen, die Mizmor nicht gut fand. Hört man sich das neue Album „Prosaic“ an, weiß man auch, warum.
„Dies ist das erste Mizmor-Album ohne Bezug zu Gott/Atheismus. Ihr werdet auch keine Shrieks hören“, erklärt Mastermind Liam Neighbors. Das Projekt hat sich eine Dekade lang mit ihm gewandelt, vom Verlust seines Glaubens und den damit verbundenen existenziellen Fragen und Tiefpunkten bis hin zum Infragestellen des eigenen Perfektionismus, des Wertes des eigenen Schaffens und des Strebens nach Erfüllung.
Wie der monumentale 2019er Vorgänger „Cairn“ ist auch „Prosaic“ in vier Stücke gegliedert, mit 46 Minuten Spielzeit aber vergleichsweise kompakt. Dennoch gibt es genügend Raum für furiose Black-Metal-Raserei, zermalmende Doom-Monolithen und gar einen melancholischen Akustik-Part. Die Art, wie diese verschiedenen Elemente sich gegenseitig ergänzen und verstärken, sich ineinander weben und verschlingen wirkt gleichermaßen so frei und fokussiert wie nie zuvor. Vielleicht lehne ich mich hier etwas weit aus dem Fenster, aber damit könnte sich „Prosaic“ als das beste Mizmor-Album bis jetzt entpuppen.
Agriculture – Agriculture
Auf dieses Debütalbum habe ich mich ja sehr gefreut, denn immer, wenn die Szenepolizei schreit „Das ist kein trve Black Metal!!1!!elf!“, wird es für mich wirklich interessant. Agriculture fügen sich nicht den festgefahrenen Vorstellungen davon, was das Genre sein soll und darf. Allein ihre Stilbezeichnung ist ein Affront gegen die alte Garde: Ecstatic Black Metal. Heißt: Es geht hier nicht um Satan und Tod, sondern um die erhabensten und extremsten positiven Empfindungen der menschlichen Existenz. Denn auch die kann Extreme Metal in seiner unglaublichen Intensität ausdrücken.
Wie Agriculture Licht und Festlichkeit in den dunkelsten Ecken finden, erinnert an die frühen Deafheaven oder Liturgy, ihr improvisatorischer, experimenteller Sound trägt jedoch ihre ganz eigene Handschrift. Da wird das Album mit melancholischen Prärie-Pedal-Steel-Sounds eröffnet, da ist „The Well“ einer der schönsten Sad-Boi-Indie-Songs seit langem, da stimmt das Saxofon in „Look, Pt. 3“ in exzessive Ausbrüche ein, da schrauben sich ekstatische Riffs und Shrieks immer wieder in die höchsten Höhen empor. If this is wrong, I don’t want to be right.
Oxbow – Love‘s Holiday
Oxbow sind eine der unterbewertetsten Bands im Experimental Rock. Niemand sonst ist so artsy und avantgarde, gleichzeitig so dreckig und psychotisch. Von Jazz bis Noise, von Nick Cave bis Faith No More: Von der Gruppe um Ausnahmekünstler Eugene Robinson können sich ungefähr alle was abschauen.
Fast 35 Jahre nach ihrem Debüt „Fuckfest“ zeigen sich Oxbow auf ihrem achten Album „Love’s Holiday“ recht zugänglich, aber man muss ja nicht immer tun, als wäre das was Schlechtes. Das hier ist ein Album voller meditativer Liebeslieder, die wenig mit der Brutalität und dem Chaos der Vergangenheit zu tun haben, sondern sich bewusst auf simple Komposition sowie dramatische Chöre und klassische Instrumentation konzentrieren. Eitel Sonnenschein herrscht hier trotzdem nicht – wie Robinson erklärt, ist „Love’s Holiday“ „ein Album, das dich liebt, aber dann erklärt, dass es keinen Nutzen hat, von uns geliebt zu werden“.
Oxbow live:
10.9. Bochum, Die Trompete
14.9. Berlin, Roadrunners Paradise
15.9. Hamburg, Hafenklang
Hier gehts zur Hard in Here Playlist:
Christina Wenig ist Redakteurin, Journalistin und Fotografin aus Berlin. Für Magazine wie Visions und Metal Hammer schreibt sie über Metal, Hardcore und Artverwandtes; auf ihrem Instagram-Kanal teilt sie Live-Eindrücke aus verschwitzten Clubs und sinniert über Feminismus, Antifaschismus, Filme und ihren Hund.

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