Hardcore goes Mainstream? Das neue Album „Never Enough“ von Turnstile
Turnstile sind kein Geheimtipp, keine Frage. Und doch war der erste Impuls durchaus Überraschung, als Charli xcx im Frühjahr auf dem Coachella den BRAT Summer als beendet erklärt, um Platz zu machen für was sie den „Turnstile Summer“ nennt.
Das neue Album „Never Enough“ war damals gerade angekündigt und die erste Single-Veröffentlichung – der Titeltrack „Never Enough“ – in himmelblauem Traumgewand ließ ahnen, das Charli gar nicht so falsch gelegen haben könnte.
Dream-Pop meets Hardcore meets Punk
Der Track startet mit einer fast schon spirituellen Ruhe, während Mantra-artig das Motto „It’s Never Enough“ wiederholt wird. Wenn in der Mitte des Songs die bekannten harten Gitarren und brechenden Drums einsetzen, empfängt man diese Intensität mit offenen Armen, anstatt sie davon zu stoßen. Der sphärische Dream-Pop umarmt den eingestreuten Punk-Spirit anstatt gegen ihn anzukämpfen. Und da wären wir auch schon bei der Magie des mittlerweile veröffentlichten Albums.
Denn während Turnstile in den vergangenen 15 Jahren in der Hardcore- und Rock-Bubble zwar ein enormes Standing erspielt haben, blieb der Sprung zum Mainstream aus. Bis jetzt wie es scheint! Denn hart trifft bei „Never Enough“ auf weich, Gitarren-Riffs auf Synthie-Flächen und Moshpit auf Kuschelkurs. Songs wie „Sunshower“ oder „Look Out For Me“ spielen mit diesen Gegensätzen und bilden in sich geschlossene Geschichten ab. Die Songs laden zum Ausrasten, Rückbesinnen und sich dann bei der epischen Hook mit Tränen in den Augen in den Armen liegen ein. Genau das, wonach einem in diesen Zeiten also der Sinn steht.
In diesem Stil machen sich Turnstile auf ihrem vierten Album freier denn je; Stichwort Experimentierfreude. Es gibt tanzbare, groovy Tracks á la „Seein‘ Stars“ genauso wie vermeintlich „klassische“ Hardcore-Stücke wie „Birds“. Friedliche Flöten-Klänge („Sunshower“) genauso wie auf verträumte Synthie-Flächen treffende Jersey-Club-Beats („Look Out For Me“).
Was Charli xcx sagt
Irgendwo zwischen den Hardcore-Wurzeln, dem Werk „Time & Space“ aus 2018 und dem Alternative-Rock-Ausflug auf dem Vorgänger-Album „Glow On“ (2021) ist „Never Enough“ also zuhause. Es festigt diesen Turnstile-eigenen Hybrid aus Dream-Pop, Hardcore und Punk-Spirit, der das Quintett nicht nur einzigartig macht, sondern auch den endgültigen Druchbruch zu versprechen scheint. Und während wir uns so durch die 14 Tracks des Albums hören, die mit ordentlich Sommerhit-Potenzial daherkommen müssen wir sagen: Charli könnte Recht haben. Wir sind zumindest ready für den Turnstile-Summer.

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