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„Ich hab das auch, Baba“: Apsilon lässt die Fassade der Männlichkeit bröckeln

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Als Apsilon 2021 mit seinen ersten Releases an den Start ging, wurde der junge Musiker schnell in eine Schublade gesteckt: Polit-Rapper aus dem woken Berlin. Das diese Schublade ihm nicht lange gerecht werden würde, war damals schon zu erahnen, aber spätestens jetzt ist es offensichtlich. Seinen Wachstum als Künstler kann man auf mittlerweile schon drei EPs sowie einer Vielzahl von Singles beobachten, die inzwischen eine beachtliche Bandbreite an verschiedenen Styles und Einflüssen abbilden. Seine neuen Songs werden von seiner Fanbase stets mit Begeisterung aufgenommen, aber einer ganz speziell wurde besonders sehnsüchtig erwartet: „Baba“.

Schon die Darbietung des Songs auf Live-Auftritten hat manchen (uns natürlich nicht!!) das ein oder andere Tränchen in die Augen getrieben und wir wurden selten bei Instagram-Stories von Konzerten so oft gefragt, wie der Song heißt, wie hier. Nun hat das Warten endlich ein Ende und wir können mit Überzeugung sagen, dass die ausproduzierte Single mindestens genau so rührend ist, wie schon die Schnipsel auf Instagram und Co. Der Grund: Apsilon widmet sich im Song der Person, nach der er benannt ist – seinem „Baba“ und eigentlich auch allen anderen Vätern dieser Welt.

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Ein Appell für mehr Schwäche

„Mein Baba hat ein’ starken Rücken / Er schleppt viel mit sich rum bei Nacht / Ich wünscht’, er wär ein bisschen schwächer / Dann hätt’s ihn nicht kaputt gemacht“, sagt Apsilon zu Beginn und spricht dabei mehr, als dass er rappt. Auch das Instrumental ist ungewöhnlich unaufgeregt, verzichtet trotz Produktion von Bazzazian auf dessen typischen mächtigen Drum-Arrangements, sondern bleibt bei zarten Klavier- und Streicher-Klängen. Apsilon appelliert im Song daran, Schwäche zuzulassen und Makel sichtbar zu machen – eine Art Gegenstück zum verbissenen „Ein Fuß vor den anderen“, der Anfang des Jahres kam. Anders als damals richtet er sich diesmal ganz direkt an seinen Vater: „Ich hab auch meine Probleme, ich hab’ auch, Baba / Ich hab’ das auch, Baba / Ich kenn das auch, ja“.

Die Botschaft ist angekommen

Dieses Zugeständnis an die eigene Schwäche hat anscheinend Gehör gefunden, denn unter dem Video findet sich ein Kommentar von Apsilons Vater, das sich aus dem Türkischen in etwa so übersetzt: „Als Arda mich dazu brachte, das Lied BABA anzuhören, füllten sich meine Augen mit Tränen und dieser „starke Vater“ begann zu weinen, obwohl ich zunächst nicht alle Wörter verstand. Wir sprachen ausführlich mit Arda und Arman über diesen Moment und die folgenden Tage. Das Gespräch hat uns allen sehr gut getan. Selbst jetzt bleibt mir jedes Mal, wenn ich das Lied höre, etwas im Hals stecken und Tränen steigen mir in die Augen. Ich bin froh, dich zu haben, mein Arda, ich bin froh, dich zu haben, mein Arman, ich liebe dich sehr. VATER“.

Apsilon schlägt Risse in die Fassade der Männlichkeit und nimmt dabei eine Perspektive ein, die selten abgebildet wird, vor allem vor einem migrantischen Hintergrund. Damit wächst der Newcomer ein Mal mehr über den Deutschrap-Horizont hinaus und reflektiert nicht nur sein eigenes Vater-Sohn-Verhältnis, sondern verrichtet Pionierarbeit, die wichtig ist um gesellschaftliche Stigmata zu lösen.

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