Im Video zu „Ein Auge blau“ durchlebt Peter Fox eine spirituelle Odyssee
Wenn man „Ein Auge blau“ zum ersten mal hört, merkt man, dass der Song im Vergleich zu den anderen Singles heraussticht. Während sich „Zukunft Pink“ und „Vergessen wie“ stellenweise am südafrikanischen Amapiano bedienen und „Weisse Fahnen“ der bisher sanfteste Song der neuen Release-Periode ist, besticht „Ein Auge blau“ mit einer wilden Mischung aus Afrobeats und Drill-Elementen. Dieses rhytmische Grundgerüst hat BSMG-Mitbegründer und Produzent Ghanaian Stallion gebastelt. Gemeinsam mit den Krauts hat Peter Fox allerdings selbst bei der Produktion mit angepackt und den melodischen Gitarren noch einige weitere Bausteine untergemischt: Wabernde Drill-Bässe, Chorgesänge, etwas Outdoor Recording und ein Hook-Arrangement mit Spuren von Industrial Punk.
Auf dem Papier klingt das ehrlicherweise nicht sonderlich zusammenpassend und vor allem nicht unbedingt nach „dem Sound“ von Peter Fox. Beim Hören fügen sich diese scheinbar schwer zu vereinbarenden Elemente allerdings zu einem Klang-Mosaik zusammen, das nicht nur funktioniert, sondern die intensive Stimmung des Inhalts perfekt widerspiegelt.
Zerrüttete Familienverhältnisse, Konflikte und Schmerz:
Apropos Inhalt! In „Ein Auge blau“ beschäftigt sich Peter Fox mit seelischen Verletzungen, zerbrochene Familien und den Versuch, die inneren Schmerzen zu lindern. Die Einstiegszeilen malen ein klares Bild der Überforderung: „Mein Spiegelbild schrott, ich steh’ im Bad und baue mich neu zusammen / Bisschen Eis für die Stirn und für den Drink in meiner Hand / Mein Bett ist ein Magnet, `n Pack Ibuprofen / Alte Geister laufen durch mein Haus in meiner Hall of Fame“. Der Grund für die Schmerzen wird allerdings erst im zweiten Verse wirklich deutlich, denn da wird klar, dass zerrüttete Familienverhältnisse und Streits verantwortlich dafür sind, dass sich Peter Fox neu konstruieren muss.
Unguter Gefühlscocktail
Der belastende Cocktail aus Gefühlen und Situationen, der mit einer bildstarken Lyrik beschrieben wird, bringt Peter Fox zu verschiedensten Umgangsversuchen, etwas gegen den inneren Tumult zu unternehmen. Um dem Stress entgegenzuwirken versucht er sich in Meditation, allerdings scheinbar vergeblich, denn die Anspannung hat sich schon in sein Unterbewusstsein geschlichen und manifestiert sich in ungesundem Zähne-Knirschen. Selbst die Gebete zu Gott helfen nichts gegen den emotionalen Boxkampf, den er im Laufe des Songs mit vielen Metaphern beschreibt. In der Hook heißt es, dass sein Kopf getroffen wurde, er das aber wegsteckt – Zum Glück hat er ihn trotz der unzähligen Gedanken nicht einfach abmontiert, wie er es beispielsweise damals in „Kopf verloren“ gemacht hat. Sowas nennt man wohl Wachstum.
Metaphern und Symbole wohin das Auge sieht
Für das Video zu „Ein Auge blau“ hat Peter Fox neben Daniel Harder als Co-Regisseur fungiert und das ist nicht verwunderlich. Denn in den knapp dreienhalb Minuten kann man eine spirituelle und seelische Odyssee verfolgen, die mit allerlei religiösen, abstrakten und vor allem gewaltigen Bildern zum Staunen verleitet. Eingangs sieht sich Peter Fox mit dämonische Kreaturen konfrontiert, die ihn mit Äpfeln bewerfen. Ob das alles biblische Paradiesäpfel sind, die als Symbol für Sünde und Verheißung auf Erlösung gelten?
Im weiteren Verlauf des Videos findet sich Peter Fox in einer Psychiatrie wieder, in der Patient:innen mit leicht wahnsinnigen Blick oben genannten Chor verkörpern. Wahn ist auch das richtige Stichwort, denn die Therapeutin, in deren Schoß sich der zermarterte Schädel von Peter Fox bettet, verwandelt sich plötzlich in eine Frau mit blauer Haut. Ob es sich hierbei um eine Gottheit handelt, oder etwa um eine Referenz an die Avatar-Zeile aus „Zukunft Pink“ ist ebenfalls ein spannendes Mysterium. Interessant ist auch, dass die Farbe Blau in der Musik häufig mit Sehnsucht, Trauer und Melancholie assoziiert wird – Stichwort, sich blau fühlen.
Sämtliche Bilder, Details, Referenzen und Symbole zu analysieren würde den Rahmen dieses Artikels aufgrund der schieren Dichte vollkommen sprengen. So viel sei aber gesagt: Man sieht Peter Fox noch als Eremit-artigen alten Mann mit Vollbart und Holzstab durch eine Wüste, als Wärter eines Gefängnisses, gleichzeitig als Gefangener bei der Einbuchtung und als Erzengel mit goldener Rüstung und Schwert, der sich einen erbitterten Kampf gegen den Wärter Fox liefert. Aber bevor ihr gespoilert werdet, solltet ihr euch diesen Mini-Blockbuster von Peter Fox selbst auf euch wirken lassen und bei Bedarf mit euren Interpretationen sezieren.
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