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J-Pop-Star Kenshi Yonezu im Interview: „Ich verdanke das alles ‚Chainsaw Man‘.“

Posted in: Interviews
Tagged: Kenshi Yonezu

Autorin Kira Schneider hat für unsere aktuelle Printausgabe über das kreative Zusammenspiel von japanischen Anime-Filmen und -Serien mit japanischer Popmusik geschrieben. Dafür führte sie auch ein ausführliches Mailinterview mit einem J-Pop-Star, der inzwischen weit über die japanischen Landesgrenzen hinaus bekannt ist: Kenshi Yonezu. Hierzulande kennt man den 1991 geborenen Künstler überwiegend durch den internationalen Erfolg der Anime-Serie „Chainsaw Man“, für die er den wuchtigen Opener-Song „KICK BACK“ schrieb. Für ihn eine ehrenvolle Aufgabe, denn Kenshi Yonezu ist nicht nur Rock- und Popsänger, Singer-Songwriter und Musikproduzent, sondern selbst Illustrator sowie Manga- und Anime-Fan. 2023 durfte Kenshi Yonezu dann mit dem größten Helden aller Anime-Fans zusammenarbeiten: Studio-Ghibli-Mastermind Hayao Miyazaki bat ihn, den Closing Song zum wunderschönen „Der Junge und der Reiher“ zu komponieren. Das Ergebnis heißt „Spinning Globe“ und wird völlig zurecht auf der ganzen Welt geliebt. Das aktuelle Album von Kenshi Yonezu heißt „LOST CORNER“ und wurde im Spätsommer via Sony Music auch in Deutschland veröffentlicht. 20 Songs sind drauf, die eine erstaunliche Fantasie und Stilbreite zeigen. Auch „Spinning Globe“ und „KICK BACK“ sind übrigens Teil der Tracklist. Vor seiner Solokarriere war Kenshi Yonezu unter dem Alias Hachi unterwegs, das er kürzlich für den Song „Donut Hole“ reanimierte.

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Die Serie „Chainsaw Man“ war auf der ganzen Welt sehr erfolgreich – und hat damit auch deine Musik weit reisen lassen. Wie fühlt sich das für dich an?

Eigentlich verdanke ich alles, was in meiner Karriere gerade passiert, „Chainsaw Man“. Der Manga selbst ist brillant. Ich habe ihn von Anfang an sehr gemocht. Die Anime-Serie ist wiederum ist das Ergebnis der zahlreichen enormen Anstrengungen verschiedener Leute – und die Opener-Animation ist meiner Meinung nach die beste, die ich je gesehen habe.  Abgesehen von der Tatsache, dass ich diesen Song beisteuern durfte, habe ich noch nie ein so fantastisches Kunstwerk gesehen. Als ich sie zum ersten Mal sah, war ich wie elektrisiert und dachte bloß: „Wow!“ Diese Art von geballter kreativer Kraftanstrengung hat mich zum Erfolg geführt, egal wie weit ich davor schon selbst gekommen bin.

Kannst du den Prozess beschreiben, wie ein Song entsteht, der für eine Anime-Serie in Auftrag gegeben wird, zum Beispiel für „Chainsaw Man“? Berücksichtigst du auch den Animationsstil oder nur die Geschichte? Und wie beeinflussen die visuellen Elemente den Sound?

Ich war mir anfangs nicht sicher, ob ich mich mit meinem Songwriting zu sehr auf eine Figur konzentrieren sollte, da es sich ja um einen Opener für eine ganze Serie handelte, aber bei „KICK BACK“ habe ich mich dann größtenteils auf Denjis Persönlichkeit bezogen – dem Protagonisten der Serie, der sich in den „Chainsaw Man“ verwandeln kann. In Sachen Lyrics habe ich mich bewusst darum bemüht, die Verwendung von vulgären und einfachen Worten zu betonen. Anfangs hatte ich ein wenig Angst, dass ich der Aufgabe nicht gewachsen war. Ich wollte den Manga mit meiner Beteiligung an der Serie nicht ruinieren und hatte einen Riesenrespekt, weil es für mich einfach ein durch und durch großartiges Werk ist. Die Arbeit an dem Song hat mir dann aber sehr viel Spaß gemacht. Sie fühlte sich an wie ein Treffen unter Freunden, weil ich mit meinem Musikerkollegen Daiki Tsuneta von der Band King Gnu zusammen am Arrangement gearbeitet habe. Dabei herrschte eine Atmosphäre des gemeinsamen Herumalberns, so nach dem Motto: „Lasst uns damit völlig durchdrehen!“ Was ja auch gut zu der Serie passt.

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„Der Junge und der Reiher“ hat im vergangenen Jahr seinen wohlverdienten Oscar als bester Animationsfilm bekommen. Du hast erwähnt, dass du bei der Arbeit an dem Closing-Song „Spinning Globe“ sehr nervös warst, weil du mit den Filmen von Studio Ghibli aufgewachsen bist. Kannst du uns erklären, was für dich das Besondere diesen Filmen ist und was du an Regisseur und Autor Hayao Miyazakis Arbeit schätzt? Und wie es für dich war, mit ihm zusammenzuarbeiten?

Die Filme von Herrn Miyazaki haben mir in meiner Kindheit das Leben gerettet. So einfach ist das. Seit meiner Jugend habe ich zu ihm aufgeblickt wie zu einem Mentor. Für mich ist er wirklich einer der Großen Meister der Anime-Kunst. Jetzt, da ich endlich mit dem Meister selbst arbeiten durfte, habe ich mir vorgenommen, dass ich jede einzelne Bewegung, jede Tat und jedes Wort, das er sagt, mit nach Hause nehmen muss, während er direkt vor mir sitzt, von Angesicht zu Angesicht, auf der anderen Seite des Tisches. Wenn ich mich aber an den Beginn meines Treffens mit ihm zurückerinnere, merke ich, dass ich sehr angespannt war, weil ich zu sehr versuchte ihn zu beeindrucken und „groß“ aussehen wollte. Das habe ich aber zum Glück schnell abgelegt.

Was die Arbeit an „Der Junge und der Reiher“ angeht: Ich bekam die Storyboards vorab – und die waren wirklich schwere Kost. Emotional und künstlerisch betrachtet. Ich hatte das Gefühl, dass sich der Inhalt der Storyboards von seinen früheren Werken unterschied, und dass, wenn 100 Leute im Publikum säßen, sie alle zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen würden. Ich war also zuerst einmal ratlos und fragte mich: Welche Art von Musik soll ich bloß dafür schreiben? Mir war nur klar, dass nichts von dem, wie ich sonst vorgehe, hier funktionieren würde. Die meisten Anweisungen waren technischer Natur, und es gab fast keine Erklärungen, um die wahre Bedeutung des Schnitts oder die Emotionen der Figuren zu erkennen. Da Herr Miyazakis Vorstellungskraft in jeden Aspekt der Fantasiewelt einfloss, half es nicht mal besonders, dass man die komplette Geschichte ausformuliert vor sich liegen hatte. Am Ende besann ich mich glaube ich am meisten auf meine Liebe zu seinen Filmen und was sie mir bedeuten.

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Als jemand, der sowohl visueller Künstler als auch Musiker ist und an einigen der bekanntesten Anime-Produktionen mitgewirkt hat: Kannst du beschreiben, wie sich das Standing von Anime im Laufe der Zeit bei dir verändert hat? 

Ursprünglich wollte ich selbst ein Comiczeichner werden. Ich habe also immer noch dieses Kind in mir, diesen Pre-Teen, der das will. Ich habe schon als Kind Comics gezeichnet, bin dann aber zur Musik übergegangen, so dass ich nie wirklich an meinen Comic-Bestrebungen gescheitert bin. Wenn ich wirklich versucht hätte, ein Comiczeichner zu werden, hätte ich alle möglichen Erfahrungen gemacht. Vielleicht hätte ich meine Arbeiten einem Redakteur vorgelegt, der mich auf Probleme und Unstimmigkeiten hingewiesen hätte, und ich hätte gedacht: „Ich schätze, ich habe einfach kein Talent, wenn es um Comics geht!“ Aber das habe ich nie erlebt, also gibt es immer noch einen Teil von mir, der denkt, dass ich vielleicht doch ein Comiczeichner bin – dass ich vielleicht gar in Comics besser wäre als in der Musik. Ich fühle mich also nicht wie ein Musiker, der von Comics beeinflusst wurde, sondern eher wie jemand, der weiterhin Musik schreibt, als ob er Comics schreiben würde. Die beiden sind also sehr eng miteinander verknüpft bei mir.

Single Cover von „KICK BACK“, gezeichnet von Kenshi Yonezu

Du zeichnest ja auch alle deine Cover-Illustrationen selbst. Kannst du deinen Gedanken- und Schaffensprozess dabei ein wenig beschreiben – vielleicht auch hier wieder am Beispiel von „KICK BACK“?

In der ersten Version waren drei Figuren zu sehen: Denji, Aki Hayakawa und Power. Aber als ich mir das fertige Bild ansah, dachte ich: „Nein, das ist nicht richtig“. Also entschied ich mich für Bild, das wie ein Filmplakat funktioniert. So entstand die endgültige Illustration des Umschlags. Die Bild-Komposition mit dem Arm wurde von dem Kino-Plakat für den Film „Parasite“ beeinflusst. Auf dem „Parasite“-Poster ragen die Beine von der Seite in das Poster hinein. Ich mag das beunruhigende Gefühl, das dadurch entsteht. Als ich dieses Gefühl der Beunruhigung, den kühlen Ton und das Gefühl des Elends auf „Chainsaw Man“ übertrug, hatte ich schließlich die perfekte Illustration.

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Bei J-Künstlern im Ausland gibt es immer das Problem der Sprachbarriere. Was hältst du davon, dass dir Millionen von Menschen zuhören, aber nie wirklich verstehen, was du sagst? Meiner Erfahrung nach machen sich viele Leute nie die Mühe, die Übersetzungen japanischer Lieder nachzuschlagen, selbst wenn sie ihnen gefallen. „KICK BACK“ war der erste Song mit japanischem Text, der von der RIAA (Recording Industry Association of America) mit Gold ausgezeichnet wurde. Was hältst du von der Tatsache, dass sich japanische Lieder über die Landesgrenzen hinaus verbreiten?

Ich habe 32 Jahre lang als japanische Person gelebt, meine ganze Identität hängt an der japanischen Sprache. Wenn ich Songs schreibe, merke ich, wie meine Arbeitsmethoden, Ziele und die Freude, die ich am Singen und Performen habe, daran hängen. Wenn ich versuche, davon abzuweichen, habe ich nicht die gleiche Stärke. Wenn ich aber ehrlich bin, kann ich gar nicht so genau verstehen, wieso meine Songs Menschen jenseits von Japan erreichen. Ich würde diese Leute gerne mal treffen und sie das fragen.

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Im Spätsommer kam dein neues Album „LOST CORNER“. Was bedeutet der Titel für dich?
„LOST CORNER“ wurde von einem Satz aus dem Roman „Alles, was wir geben mussten“ des britischen Autors Kazuo Ishiguro übernommen. Die Geschichte spielt in England und handelt von Kindern, die ein grausames Schicksal erleiden. Die Kinder, die in einem Internat leben, lernen im Erdkundeunterricht den Namen „Norfolk“ kennen. Als die Kinder erfahren, dass der Ort Norfolk übersetzt „LOST CORNER“ heißt, sagen sie schelmisch zueinander: „Es ist ein Lost-and-Found-Ort“, als wollten sie sich einen Scherz erlauben. Als sie älter werden, ändert sich die Bedeutung von „LOST CORNER“ für sie. Es wird für sie zu einem spirituellen Zufluchtsortes. Ein Ort, an dem sie, auch wenn sie etwas verloren haben, alles wiederfinden können. Diese Idee hat mich fasziniert.

Die Kinder in „Alles, was wir geben mussten“ verbringen ihr Leben mit einem bestimmten Schicksal – von dem Moment an, in dem sie geboren werden. Während sie erwachsen werden und nach ihrer Kindheit suchen, überdenken sie, was Freiheit ist und was sie für Freiheit halten. Wir sind nicht so grausam verdammt wie diese Kinder, aber es gibt Dinge, die für uns bestimmt sind und die wir nur schwer ändern können. In diesem Sinne glaube ich, dass es auch etwas Positives ist, Verlust zu akzeptieren.

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