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Kritik an deutscher Hip-Hop-Szene: LGoony erhält Drohungen

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Tagged: LGoony

Seit eineinhalb Monaten schwebt das #Deutschrapmetoo-Thema über der Hip-Hop-Landschaft. Immer mehr Leute aus der Szene positionieren sich gegen den strukturellen Sexismus und die Misogynie, welche Frauen in sämtlichen Positionen innerhalb der Musikindustrie Verachtung und Geringschätzung entgegenbringt. Parallel dazu werden auf dem Instagram Account @deutschrapmetoo immer mehr Geschichten von Betroffenen von sexueller Gewalt im Deutschrap-Kontext anonym veröffentlicht, die das gigantische Ausmaß des tiefsitzenden Problems verdeutlichen.

Allerdings gibt es auch Akteure in der Deutschrap-Szene, die sich offen gegen die #Deutschrapmetoo-Bewegung aussprechen und dahinter eine Agenda vermuten, die dem vermeintlich „echten Hip-Hop“ schaden soll. Konkret ist die Rede von MC Bogy, Cashmo, B-Lash und Twin, die sich die Rettung des „echten Hip-Hops“ auf die sprichwörtliche Fahne geschrieben haben, an sexistischen Rap-Konventionen festhalten und diese mit aller Kraft zu verteidigen. So werden sowohl von besagten Rappern, als auch von ihren Fanbases im Netz hemmungslose, sexistische Beleidigungen gegen eine Betroffene losgelassen und damit aktiv Hetze gegen sie betrieben.

Als Reaktion auf die selbsternannten „Pioniere des deutschen Raps“, die sich unter dem Ausdruck „Make Hip-Hop Great Again“ offen gegen das „langsam wachsende feministische Mindset innerhalb der Szene“ aussprechen, veröffentlichte der Kölner Rapper LGoony vorgestern ein aussagekräftiges Statement in Tweet-Form: 

LGoony auf Twitter:

In den Tweets kritisiert er die Verteidigungshaltung eingesessener Rapper, die ihre konservativen Haltungen offenkundig proklamieren und keine Bereitschaft zeigen, den Themen Feminismus, strukturellen Sexismus und Gewalt gegen Frauen beizupflichten und darüber aufzuklären. In den Zeilen von LGoony schwingt auch ein gewisser Kulturpessimismus mit, der angesichts der aktuellen Lage unserer Meinung nach defintiv angebracht ist. 

Daraufhin reagierte MC Bogy mit Gewaltandrohungen, die LGoony auf seinem eigenen Profil teilte. Des Weiteren hetzte der Rapper aus Lankwitz gegen LGoony, woraufhin seine Fanbase von Frauenhass zu Homophobie umschwenkte – samt expliziter Mord- und Gewaltandrohungen, die LGoony ohne große Bewertung auf seinen sozialen Kanälen teilte. Darüber hinaus scheint LGoony nicht einmal homosexuell zu sein (nicht, dass das eine Rolle spielen würde), doch seine weltoffenen Werte scheinen für Bogy und Co. wohl Grund genug dafür zu sein, sich angegriffen zu fühlen und im Internet grenzenlos daneben zu benehmen.

Angesichts der Vehemenz des unverblümten Online-Hasses bleibt uns nur zu sagen, dass wir uns als Redaktion mit LGoony und #Deutschrapmetoo solidarisieren und Gewaltbereitschaft, Misogynie und Homophobie auf’s Schärfste verurteilen. Hetze im Internet ist wirklich gefährlich, besonders wenn es um leicht zu beeinflussende junge Menschen geht, die potenziell zu Täter:innen werden können, nur um ihren Rap-Idolen zu imponieren und nachzueifern. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Dynamik dieses Diskurses aktuell eine üble Wendung annimmt, mit der die Deutschrap-Szene kollektiv umgehen muss. 

UPDATE: Soeben veröffentliche die Moderatorin Visa Vie ein Statement, in dem sie ebenfalls von wüsten Drohungen und Beleidigungen eines wütenden Internet-Mobs erhielt. Dieses Statement zeigt erneut, dass Einiges im Deutschrap-Kosmos schief läuft:

„Ich wollte mich nach meinem Post vor einigen Wochen eigentlich gar nicht mehr zu dem Thema äußern, um mich selbst zu schützen. Das was die letzten Tage daraus resultiert ist, war aber so schlimm, dass ich mich erst komplett von Instagram fern halten musste, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe und mir nun nichts anders übrig bleibt, als das was hier gerade passiert, zu kommentieren. 


Ich dachte, der alltägliche Hass und Sexismus im Internet bringt mich irgendwann an meine Grenzen. Ich dachte, A. Hildmann und seine Telegram-Verschwörungsfreunde in meinen DMs, wären nicht zu überbieten. Aber das, was sich seit letzten Freitag in meinen Nachrichten abspielt, hat für mich mal wieder ein neues Grausamkeits-Level freigespielt. 

Kurz zum Backround: Im Zuge der öffentlichen Debatte rund um sexuelle Übergriffe und Gewalt im Deutschrap, habe ich einen Post verfasst, in dem ich von meinen eigenen Erfahrungen und Beobachtungen in der Szene berichtet habe. Nachdem ein Rapper dann letzte Woche wegen dieses Posts in seiner Story öffentlich eine Entschuldigung von mir gefordert hat und ein Deutschrap-Newsportal mit großer Reichweite diese Forderung geteilt hat, ist ein Mob an wutenbrannten Männern über meine DMs hergefallen. Ich habe Nachrichten bekommen, die selbst mir, obwohl ich seit über einem Jahrzehnt übe damit umzugehen, zu viel waren. Nachrichten, die dazu geführt haben, dass ich nach 12 Jahren teils bedingungsloser Liebe und Unterstützung für diese Kultur überlegt habe, ob ich mich komplett und für immer von Deutschrap verabschiede. Ich habe sogar meinen Post löschen müssen, weil ich es nicht länger ertragen habe, dass mir Menschen diesen, im Kontext mit Drohungen schicken, die genau auf diese traumatischen Erlebnisse abzielen

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