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Maryam.fyi über die Revolution im Iran: Iran ist queer – Queer Trans Azadi

Posted in: Kolumne

Wir befinden uns mittlerweile in KW 28. 42 Wochen lang kämpfen die Menschen im Iran jetzt öffentlich und laut gegen ihr repressives Regime. Über 360 unschuldig Verurteilte wurden bereits hingerichtet. Und noch immer heißt es: Revolution. 

Vor zwei Tagen starb der politische Gefangene Peyman Galwani, nachdem er inhaftiert und schwer gefoltert wurde, im Krankenhaus. Vor zwei Wochen war der 24 Jahre junge Kurde in seinem Zuhause festgenommen und ins Gefängnis gebracht worden. Seither lodert es in Mahabad (Kurdistan) wieder auf den Strassen. 

Vor fünf Tagen wurden zwei junge Afghanen, Mohammad Ramez Radhidi und Naiem Hashem Ghotali (öffentlich!!!!) auf offener Strasse erhängt. Die beiden waren aus Afghanistan vor den Taliban geflohen und hatten nach einem sicheren Leben gesucht. Afghan:innen werden im Iran systematisch gequält und unterdrückt. Mögen ihre Seelen Frieden finden.

#FREETOMAJ auf allen Kanälen

Seit Beginn der Revolution – also seit über 250 Tagen – beschäftigt uns der Ruf um die Freiheit des Rappers Toomaj Salehi, einer der berühmtesten Rapper im Iran. Im Winter habe ich noch mit „COSMO”-Moderator Jan Kawelke darüber gesprochen, doch heute ist das Thema leider nicht mehr ganz „up-to-date“ in deutschen Musikformaten. 

Toomaj hat 252 Tage in Einzelhaft verbracht. 252 Tage in Isolation, unter Folter. Es wurden ihm Zähne ausgeschlagen – sein Gesundheitszustand sei desolat, so berichtet es sein offizieller Instagram-Account. Dieser wird weiterhin betrieben und macht Toomajs Leben damit zwar zu einem Thema in der Öffentlichkeit, aber hält es durch die laute Kritik am Regime, weiterhin gleichermaßen in Gefahr!

Toomaj wurde nun nach 252 Tagen in Isolation verlegt und hat eine Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten bekommen. Man könnte jetzt denken: „Wie schön, sie bringen ihn nicht um.“ Aber für jemanden, der keine Strafe begangen hat, sondern dessen „Vergehen“ es war, Musik zu schreiben, Kunst zu machen und für Gerechtigkeit die Stimme zu ergreifen – Sind da sechs weitere Jahre in einem iranischen Gefängnis gerecht? Ein unverhältnismäßiges Strafmaß. Die Forderung nach Toomajs Freiheit darf nicht verstummen. Nicht in Musikformaten und auch nicht in Politikformaten mit Aktualität. #FREETOMAJ auf allen Kanälen, so lange, wie nötig! 

Ninjagirls auf Instagram

Es gibt eine Gruppe Mädchen, die sich „Ninjagirls” nennt, sie betreiben Kampfsport. Kürzlich ist ein Video der Ninjagirls online gegangen, in dem einige junge Frauen ohne Kopftuch in Formation ihren Kampfsport öffentlich zeigen. Beim Ansehen schon fragte ich mich, wie lange es wohl noch online bliebe (Erinnert ihr euch an die Ekbatan Girls, die zu „Calm Down” tanzten? Ganz genau…) und siehe da, es ist innerhab kürzester Zeit vom Account verschwunden. Die Ninjagirls haben seither zum Glück einige Followers dazugewonnen und sind wieder zurück. Hier seht ihr das Video, das ursprünglich gelöscht wurde:

„Iran ist queer“

Ja und eigentlich wollte ich ja auch immer noch Updates darüber geben, was ausserhalb vom Iran so passiert. Darüber wer es schafft, Flagge zu zeigen. „Iran ist queer“ – So hiess es letzte Woche auf dem CSD auf einem großen Wagen, der organisiert und gestaltet wurde von verschiedenen lokalen Gruppen, unter anderem die Gruppen „Frauen Leben Freiheit“ aus Köln und Bonn.

Im Iran hat Pride noch eine ganz andere Bedeutung. Jeder Tag im Iran ist für queere Personen nämlich ein Kampf ums Überleben. Deshalb ist es umso toller, dass es diesen Wagen gab und er für Publicity gesorgt hat.

Was man in Deutschland zusätzlich machen kann, ist die Influencer:innen zu unterstützen, die aus dem Iran geflohen sind, damit sie hier endlich sichtbar queer leben dürfen. Deshalb möchte ich euch den Kanal von Ozi ans Herz legen. Ozi postet zynisch-aufklärerisch aktivistische Inhalte und stellt sich in Berlin auf Bühnen bei Demos, um dort frei zu sprechen.

Meine Leber, mein Liebling

Na gut, und bevor ich wieder gehe, noch ein letzter Link, der so schön ist und Mut macht. Wer sich von euch schon einmal mit der persischen Sprache auseinandergesetzt hat, weiß, dass sie nur so überquillt an Metaphern, wenn es darum geht, Liebe, Dankbarkeit, Zusammengehörigkeit oder Zuneigung auszudrücken (in die andere Richtung genauso, keine Frage). Aber so war es zum Beispiel normal, dass mein Vater mich mit „Jigaram” angesprochen hat, was so viel heisst wie (Achtung): „Meine Leber”, aber sich sinnbildlich mit „Liebling”, übersetzen lässt. Diesen kleinen Opener nur zum Verständnis, damit ihr euch dieses Video hier anschaut und die Knospe der Hoffnung auch sehen könnt, von der die Frau im Video (konnte leider nicht herausfinden wer sie ist, erscheint über einen anonymen Account) spricht. Und vielleicht auch, damit ihr nicht cringed, wenn ich wieder overly-emotional vor mich hin erzähle.

Ich vermisse den Iran so sehr, dass es körperlich weh tut. Wie es vielen geht, die dort seit Jahrzehnten in Unterdrückung leben oder denen, die dort gelebt haben und aufgewachsen sind, kann ich nicht Ansatzweise nachempfinden – es muss so schlimm sein. Aber ich weiß, dass jedes Zeichen des Mitgefühls, des Aktivismus, jeder Post, ein kleines bisschen Salbe auf offenen Wunden ist. 

Scheut euch nicht, das zu teilen, Mitgefühl zu zeigen, Mut zu machen. 

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