Schlechte Performances, Spiralen & alter Zorn – Was diese Woche wichtig war
Hallo zusammen!
Wir hoffen, ihr hattet ein gutes Wochenende und wart vielleicht sogar auf einer der zahlreichen Demos, auf denen man sich doch noch mal versichern konnte, dass nicht gerade ganz Deutschland hart nach Rechts abgebogen ist. Wir wollen hier auch nichts schönreden, aber man darf sich auch nicht vom Spin der AfD und ihren recht(s) radikalen Internetgefolgsleuten entmutigen lassen. Die labern seit Jahren davon, dass das „Volk“ die Schnauze voll habe und sie angeblich die Speerspitze einer massiven Bewegung seien. Müssen dann aber dummerweise doch noch Videos von johlenden Fußballfans aus dem Kontext reißen, um vermeintliche Volksmärsche zu zeigen oder KI-Videos in die Welt scheißen. Und bei der größten Social-Media-Dreckschleuder X ist die AfD vor allem so präsent, weil der reichste Mann der Welt, der in seiner Freizeit gerne abh*tlert, äh sorry „römisch grüßt“, sie so massiv pusht. Am Wochenende hat sich Elon Musk sogar beim Parteitag zugeschaltet und mal wieder bewiesen, dass er wirklich keine Ahnung von Deutschland und deutscher Geschichte hat. Aber als reichster Mann der Welt hat er natürlich verinnerlicht, dass er zu allem was sagen kann und dass dann schon irgendwie wahr ist. Wer sich halt nur mit Speichelleckern umgibt, kriegt ja auch keine Gegenrede mehr.
Lasst euch also nicht von X und TikTok, das regelmäßig von AfD-nahen Videos geflutet wird, kirre machen und von diesen unlauteren Lolly-Onkeln einfangen. Laut aktuellen Umfragen sind 20 Prozent der Wählenden für die AfD, was natürlich viel zu viel ist für ein Land, dessen Faschismus Millionen Menschen gekillt hat. Nun ist es aber auch so, dass alles, was rechts ist, eben weiß, wo es sein Kreuz zu machen hat, während sich alle anderen auf mehrere Parteien verteilen, die zwar oft auch keine so gute Figur machen, aber in den meisten Fällen noch besser sind, als diese so genannte Alternative, deren Parteitage immer noch aussehen, als würde man ins erweitere Kaffeekränzchen von Onkel Adolf schauen. Eine Alternative, deren Alternative zu unserer Demokratie eben keine Demokratie mehr ist.
Deshalb heute mal kein Rant, sondern ein wenig Optimismus, um dranzubleiben an diesem Demokratie- und Offenheits-Ding, wählen zu gehen und sich mit Menschen zu umgeben, die diesen Vibe teilen, wenn man mal an der Menschheit im Allgemeinen oder Deutschland im Speziellen verzweifelt …
Alex Barbian trifft Turbostaat und Moses Schneider: „Alter Zorn“ und 25 Jahre Turbostaat
Zu einem politischen Intro passt auch unser heutiges Top-Thema: der oft für uns schreibende, stabile Journalist Alex Barbian hat mit einer der cleversten und politischsten Bands des Landes gesprochen: Turbostaat. Und das an einem Ort, der seit Jahrzehnten für Verständigung, kulturellen Austausch und geiler Musik steht: dem SO36.
Obwohl die die Band aus Schleswig-Holstein letztes Jahr ihren 25. Geburtstag gefeiert hat, ist ihr aktuelles Album „Alter Zorn“ ist kein erzwungenes, jugendliches Zurückschauen durch die rosarote Brille, auch wenn das Cover des Albums ein altes, vergilbtes Foto vom Turbostaat-Stammproduzent Moses Schneider ziert. Stattdessen spielt das Album ganz im Hier und Jetzt, inklusive aller Herausforderungen, die die Gegenwart für Turbostaat bereithält. Darüber spricht die Band in unserer neuen Titelstory mit dem freien Journalisten und Autor Alex Barbian. Das passt besonders gut, weil dieser erst im vergangenen Jahr mit der Band einen Podcast zum großen Turbostaat-Jubiläum aufgenommen hat (den ihr hier hören könnt) und dementsprechend tief im Thema ist. Aber auch davor haben die Punker aus Husum eine große Rolle in seinem Leben gespielt, wie er eingangs verrät: „Das Bandshirt von Turbostaat begleitet mich durch alle Biotope, in denen ich mich so bewegt habe in den letzten 30 Jahren.“
Unsere Lieblingssongs in dieser Woche
Ikkimel verstreut noch mal etwas von ihrem fotzigen „Glitzer Glitzer“, bevor bald endlich ihr neues Album erscheint, das ebenfalls sehr stolz das F-Wort auf das Cover schreibt. Cloudrap-Legende Bladee und Hyperpop-Produzentin Oklou vertragen sich auf „take me by the hand“ exakt so gut, wie man sich das ausgerechnet hatte und die deutsche Indieband Easy Easy bereitet sich und uns mit „Junge Hunde“ auf das Debütalbum vor, das im Sommer kommen soll. Trap mit ausgecheckten Indie-Samples gibt’s beim Rap-Newcomer Zackavelli, der sich an die Zeit erinnert „als ich nichts hatte“. Last but not least: Das bärtige Stimmwunder Teddy Swims haut mit „Guilty“ eine feine Power-Ballade raus.
Album der Woche: FKA twigs – Eusexua
Die britische Künstlerin FKA twigs hat sich mit ihrer Kunst noch nie gerne einordnen lassen. Mal lässt sich ihr Output ziemlich simpel als R&B beschreiben, mal ist es avantgardistischer Pop und ihre bis dato letzte Platte „Capricorns“ war ein Dancehall-Pop-Mixtape. Schon vorab gab FKA twigs bekannt, dass sie für ihr neues Werk „Eusexua“ in eine neue, transzendierende Welt eintauchen wird. Das Album ist von der Underground-Rave-Kultur in Prag inspiriert, welche die Sängerin offensichtlich tief durchdrungen hat, als sie im Rahmen ihrer Schauspiel-Tätigkeit einige Zeit dort gelebt hat. Es vertont einen Zustand reiner Euphorie und umfasst elf Songs, die hungrig, leidenschaftlich und sinnlich die Sehnsucht nach diesem Moment im Club beschreiben, wenn der Geist den Körper kurz verlässt und in einer ganz eigenen, der „Eusexua“-Welt wandern geht. Sanfte, fragile Vocals bilden einen spannenden Kontrast zu den peitschenden Beats und flirrenden Club-Einflüssen.

Podcast Empfehlung: „Deutschrap war ein kommerzielles Produkt“ – die Autoren von „Remix Almanya“ im Interview
Es ist bereits ihr zweites gemeinsames Buch. Schon vor gut 20 Jahren schrieben Murat Güngör und Hannes Loh „Fear Of A Kanak Planet“ – was im Titel natürlich eine Referenz an „Fear of a Black Planet“ von Public Enemy ist. Das Buch sorgte durchaus für Diskussionen. Murat und Hannes wurden damals „als linke Nestbeschmutzer“ gesehen, wie sie uns erzählten, weil sie inmitten des Rap-Booms in Deutschland die wunden Punkte ansprachen: Zum Beispiel, dass der so genannte „Deutschrap“ seine postmigrantischen Wurzeln verleugnete, die Industrie das Genre weißwaschen wollte und einige Rap-Acts nationalistische Strömungen aufgriffen. In ihrem neuen Buch „Remix Almanya“ werfen Murat und Hannes wieder einen sehr interessanten und abwechslungsreichen Blick auf postmigrantischen Rap in Deutschland. In kurzen Essays und sehr spannenden Interviews zeichnen sie ein Bild von Rap-Deutschland, das man in dieser Komplexität selten zu lesen bekommt. Dass sie damit perfekt zu DIFFUS und in diesen Podcast passen, merkt man schon daran, dass im Buch viele Menschen auftauchen, die auch wir regelmäßig featuren. Miriam Davoudvandi sagt zum Beispiel sehr schlaue Dinge, Apsilon ebenso und Megaloh gibt ein geradezu herzzerreißendes Interview. Wenn ihr nach diesem Interview neugierig geworden seid: zwei Live-Termine von Murat und Hannes stehen in naher Zukunft an. Am 1. Februar sind sind im Bürgerzentrum Ehrenfeld in Köln und dann 27. April im SO36 hier in Berlin-Kreuzberg.


Das neue DIFFUS Print-Magazin
Titelstory: Nina Chuba – Auf Touren.
Außerdem im Heft: Interviews mit Blumengarten, Apsilon, Symba, Levin Liam, Olivia Dean, Zartmann und Ennio. Die Geschichte der „She-Punks“, Animes und J-Pop, der erste DIFFI-Comic uvm.