„Sometimes I Might Be Introvert“: Little Simz beweist, dass stille Wasser tief sind
Während die halbe Hiphop-Welt sich immer noch von dem Spektakel erholt, das Drake und Kanye mit den Releases von „Certified Lover Boy“ und „Donda“ veranstaltet haben, haben sich wahre Connoisseure nicht vom (Medien-)Lärm ablenken lassen, den das „Aneinander-reiben“ der vielleicht größten Hiphop-Egos unserer Zeit verursachte. Wahre Connoisseure der Kultur haben sich vergangenes Wochenende nämlich voll und ganz „Sometimes I Might Be Introvert“, dem neuen Album von Little Simz hingegeben. Es gab zwar keinen medialen Wirbelsturm um ihre Person, doch mit ihrem neuen Album sollte Little Simz für mehr als genug Gesprächsstoff gesorgt haben, denn „SIMBI“ (Was nicht nur die Abkürzung für das neue Album, sondern auch Simz Spitzname ist) überzeugt auf ganzer Linie und das ohne pompöse und toxisch-männliche Öffentlichkeitsarbeit.
Little Simz – Sometimes I Might Be Introvert
Auf ihrem nunmehr vierten Langspieler entführt uns die UK-Rapperin auf eine klangliche Selbstfindungsreise par excellence. Soundtechnisch lässt sich Little Simz dabei in kein Korsett packen. Die Produktion auf „SIMBI“ klingt groß, filmisch, orchestral – ja, fast schon märchenhaft stellenweise. Besonders die vier Interludes klingen regelrecht zauberhaft und tragen mit ihren Individuellen Sound-Kniffen viel zum Fluss der Erzählung des Albums bei. Soul-Samples á la „The Agony And The Ectasy“ von Smokey Robinson, welcher in „Two Worlds Apart“ Verwendung findet, bereichern das Album genau so, wie vielen verschiedenen Rhythmen und anderen Einflüsse, die in „SIMBI“ sorgfältig eingewebt wurden. Auch wenn der Sound vielschichtig ist, zu keiner Zeit verliert uns Little Simz mit extravaganten Spielereien und beweist somit ein großes Maß an Stilsicherheit.
Inhaltlich gibt Little Simz so viel wie noch nie: Sowohl von sich als Künstlerin, als auch von ihrem ganz privaten Dasein als Simbi. Der intrinsische Drahtseilakt, der mit ihrer introvertierten Persönlichkeit und ihrem Dasein als angehender Popstar einher geht, äußerte sich bei Little Simz in verschiedensten Gedanken, Emotionen und Spannungen. Diese intimen und bereichernden Prozesse verarbeitet Simz auf „Sometimes I Might Be Introverted“ fachgerecht zu stets pointierten Lines und routinierten Flows, denen mit ihrem gekonnten Stimmeinsatz die nötige Energie verliehen werden.
„SIMBA“ erhielt zwar bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit wie „DONDA oder „Certified Lover Boy“, doch ragt rein Album-qualitativ weit über den beiden anderen Projekten. Das klingt weit gegriffen, doch der Hörgenuss von Little Simz neuen Werk ist schlicht und ergreifend höher als bei dem , was Kanye und Drake zuletzt abgegeben haben. Obendrein sind die Inhalte und vor allem die Gedanken von Simz viel interessanter als die, der selbsternannten Götter. Auch ihre Perspektive (als junge, erfolgreiche, schwarze Frau im Vereinten Königreich) ist wesentlich frischer und spannender. Kurz: Um die Veröffentlichung von „Sometimes I Might Be Introverted“ war es vielleicht ruhiger, doch wie wir wissen, sind stille Wasser tief und in diesem musikgewordenen Gewässer lässt es sich bestens tauchen.
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