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„Verknallt in einen Talahon“: Charterfolg trotz problematischen Ursprungs

Posted in: News
Tagged: Butterbro

Der Song „Verknallt in einen Talahon“ ist im Moment dabei deutsche Musikgeschichte zu schreiben. Er ist nämlich der erste durch KI-produzierte Song, der sich in den deutschen Charts platzieren konnte. Momentan befindet er sich auf Platz 48. Geschrieben wurde der Retro-Schlager-Track vom deutschen Produzenten Butterbro, der mit Hilfe eines KI-Programms die Stimme und Musik des Songs generierte. Inhaltlich erzählt das Lied die Geschichte einer Frau, die sich in einen „Talahon“ verliebt. Dabei ist die Nutzung des Begriffs mit vielen Problemen behaftet. Der Erfolg von „Verknallt in eine Talahon“ ist deswegen gleich doppelt problematisch.

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Zwischen Selbstbezeichnung und rechter Hetze

„Talahon“ ist ein Begriff, der dieses Jahr vielen auf Social Media über den Weg gelaufen sein könnte. Vermutet wird, dass das Wort auf den arabischen Ausdruck „Ta’al La’hon“ zurückgeht, was „Komm her“ bedeutet. Als Jugendwort fand es seinen Ursprung in einem TikTok-Trend. Im Jahr 2022 gewann der Begriff vor allem an popkultureller Relevanz, als der Rapsong „Ta3al Lahon“ auf TikTok viral ging. Im Song und im Video sind bereits einige Merkmale des Trends zu erkennen, die sich in den darauffolgenden zwei Jahren aber noch weiter herauskristallisieren sollten.

Der Begriff „Talahon“ beschreibt inzwischen nämlich auch im weitesten Sinne Jugendliche und junge Männer mit Migrationshintergrund, deren Bekleidung aus Bauchtaschen und einem Überdruss an Markenklamotten besteht und die mit negativen Verhaltensweisen wie Gewaltbereitschaft und der Degradierung von Frauen auffallen. Die Benutzung des Begriffs ist umstritten, da es sich einerseits um eine Selbstbezeichnung handelt, andererseits aber auch von externen Gruppen und zur Abwertung der Jugendlichen genutzt wird. So nutzen zum Beispiel rechts-gesinnte Gruppen den Begriff, um ein Feindbild aufzubauen und Islamophobie und Fremdenhass zu schüren.

Aber selbst unter Jugendlichen ist der Begriff negativ konnotiert. In einem Beitrag des Hessischen Rundfunks wurden Jugendliche zum TikTok-Trend befragt und eine breite Meinung, die herausstach, war die Nutzung des Begriffs als Degradierung. Quasi das neue „Assi“, wie ein Videokommentar feststellte. Der Begriff ist also als Beleidigung etabliert, besonders von Gruppen außerhalb der eigentlich Bezeichneten und selbst sozial-nähere Gruppen distanzieren sich lieber von der Assoziation des Begriffs.

Kontroversität hoch zwei

Dass „Verknallt in einen Talahon“ eine solchen Erfolgsanklang findet, mag aufgrund der Häufigkeit des Begriffs auf Social Media nicht verwundern. Man könnte hier nämlich von einem typischen Meme-Hit reden. Und dann ist da natürlich das kontrastreiche Zusammenspiel von moderner Jugendsprache und dem Retro-Appeal von Schlagermusik, die an den Sound von Kult-Musiksendungen der 60er und 70er wie „Hitparade“ oder „Musikladen“ erinnern.

Was jedoch problematisch ist, ist der Fakt, dass Butterbro sich der Problematik des Begriffs nicht bewusst zu sein scheint und den Song nur „zum Spaß“ seiner Social-Media-Community geschrieben hat, wie er in einem TikTok erwähnt. Was an sich kein Problem sein sollte – allerdings leistet sein Track bis zu einem bestimmten Grad auch Beihilfe, den Begriff salonfähig zu machen. Hinzu kommt die seltsame Vermarktungstaktik, in der er den Track unter anderem mit „Von Chayas empfohlen“ bewirbt. Ein weiters Jugendwort, das zum Teil auch zur Degradierung von Frauen genutzt wird.

Der eigentliche Überraschungsfakt, also dass „Verknallt in einen Talahon“ der erste KI-produzierte Song in den offiziellen Charts ist, rückt bei der ganzen Diskussion um den Begriff „Talahon“ dabei irgendwie in den Hintergrund. Aber zumindest jetzt, wo der Song durch seinen Einstieg in die Charts immer mehr Aufmerksamkeit von der breiten Öffentlichkeit bekommen könnte, wächst der Anspruch an den Interpreten, sich zu der Kontroverse womöglich doch kritischer zu äußern.

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