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Videopremiere: Belgrad erzählen mit „Rachel & Joseph“ eine Geschichte ohne Happy End

Posted in: Premieren
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Belgrad – eine Subkulturen-Symbiose

Bereits 2015 wurde das Bandprojekt Belgrad von Hendrik Rosenkranz und Leo Leopoldowitsch gegründet, während die beiden Osteuropa bereisten. 2016 finden sie sich dann mit Ron Henseler und Stephan Mahler zusammen, um die Band komplett zu machen. Die Bandmitglieder stammen alle aus verschiedenen Subkulturen und starten mit Belgrad etwas ganz Neues. Belgrad verarbeiten Elemente von Post-Punk, New Wave und 80er-Pop in ihren Songs, halten sich dabei aber nicht an typische Song-Strukturen, sondern lassen ihrer Musik freien Lauf. Ihre Songs wirken wie vertonte Kurzgeschichten. Sie erzählen von Einsamkeit, Verzweiflung und immer wieder dem Ende: eine Trennung, die letzten Atemzüge oder das Erwachen aus einem Traum. Repetitive Melodien, E-Gitarre und atmosphärische Synthie-Sounds untermalen die Texte und schaffen so die Klangwelten, in denen Belgrads Geschichten sich abspielen. Ihr Debütalbum „Belgrad“ bringen sie 2017 raus, angeleitet von der Single „Niemand“ und einem Musikvideo, das ergreift.

Eine Tragödie

Das ist nun ganze sieben Jahre her und die Band besteht mittlerweile nur noch aus drei Mitgliedern: Hendrik Rosenkranz, Stephan Mahler und Leo Leopoldowitsch. Mit „Lyris“ bringen sie jetzt ihr zweites Album raus. Das Album wird ebenfalls von einem eindrucksvollen Song und Musikvideo eingeleitet. In insgesamt sieben Minuten erzählen Belgrad von Rachel und Joseph, die auch Namensgeber für den Song sind. Das fiktive Paar begibt sich mit einem halb kaputten Auto auf einen Roadtrip ins Nirgendwo. „Die Klima im Arsch / Tankanzeige auch / Radio geht / Fenster auf / Das war alles was sie für 300 Dollar bekamen“. Sie fahren durch scheinbar kahle, wüstenartige Landschaften ohne Zivilisation. Der Wunsch, rauszukommen, treibt sie an. Doch das Auto gibt auf einmal den Geist auf „Sich lange am Auto aufzuhalten bringt es einfach nicht“, also gehen Rachel und Joseph zu Fuß Richtung Horizont. 

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Belgrad zeichnen in „Rachel & Joseph“ ein Bild von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Liebe, die trotz all dem besteht. Das Paar geht mehrere Tage lang durch die Wüste, in der sie gestrandet sind, bis ihre Ressourcen immer knapper werden. Unterlegt wird die Szene mit einer sich wiederholenden Melodie, die sich im Laufe des Songs kaum verändert. Die Geschichte spitzt sich zu, als das Paar merkt, dass sie es nicht mehr lange schaffen. „Es ist so gut wie nur noch dieser Revolver da“, heißt es am Ende der dritten Strophe, und weiter „Einen halben Tag später verhallen zwei Schüsse in der Wüste“. Die letzten zwei Minuten des Songs singt Leo Leopoldowitsch immer wieder „Sie mussten sterben / Doch waren sie nicht allein“ und macht das Ende damit zu einem bittersüßen. 

Musikvideo aus der Ukraine

Die tragische Geschichte wird im Video mit amateurhaften Aufnahmen von Konzerten, Partys und Autofahrten begleitet, die scheinbar nichts mir der Geschichte von Rachel und Joseph zu tun haben. Aufgenommen wurden diese Clips von Belgrad selbst während einer Reise durch Osteuropa 2012. „4 Wochen. 15.000 Kilometer. Unser Bus gefühlt 100 Jahre alt. Kiew, Dnepropetrovsk, Moskau, St. Petersburg, Mariupol, Charkiw, …. Musik, Begegnungen, Gespräche. Allerorts Menschen mit Träumen, Gemeinsamkeiten und großen Herzen“, so fassen Belgrad die Reise zusammen.

Ohne die Musik könnte das Video auch eine Aftermovie für einen gelungenen Trip mit viel Musik und Alkohol gewesen sein. Vielleicht war das auch die Intention von Belgrad, als sie die Videos ursprünglich aufgenommen haben. Doch die Bedeutung dieser Bilder ändert sich schnell, wenn einem bewusst wird, dass es die Orte, die zu sehen sind, teilweise gar nicht mehr gibt. „Städte, die wir besucht haben, in Schutt und Asche. Straßen, über die wir gefahren sind, Kraterlandschaften. Häuser, in denen wir gegessen haben, dem Erdboden gleich. Anstatt von Musik Sirenen und Raketen.“

Ein Appell an alle mit Hoffnung

Die Parallelen zum Song und zum Video sind vielleicht auf den ersten Blick nicht zu erkennen, aber lassen einen doch innehalten. Die Kombination aus den verspielten Aufnahmen, der tragischen Geschichte von Rachel und Joseph und den Nachrichten aus der Ukraine, die nach zwei Jahren Krieg nicht an Schrecklichkeit verlieren, einigen sich auf eine Sache: Menschlichkeit. Denn darauf, so sind sich Belgrad sicher, kommt es am Ende immer zurück. „Als Appell an alle mit Hoffnung auf eine bessere. Auch nach weiteren 2 Jahren ist Frieden keine Utopie und darf keine werden. Aus der Asche muss wieder Schnee, aus dem Lärm der Bomben wieder Musik und aus Soldaten müssen wieder Menschen werden.“

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