Pilze sammeln mit RAR: Das Ende von Fibel, Berlin & „Space Age“ EP
Die Musik von RAR klingt nach organischer Indietronica, dumpfem Trip-Hop – oder einfach Tonkunst, wie der Künstler aus Berlin seine Musik bezeichnet. Das war nicht immer so: Vor ein paar Jahren war Jonas Pentzek, der kreative Kopf hinter dem Projekt, noch als Teil der Band Fibel in der Indie-Szene unterwegs. 2022 hat die Gruppe eine Pause auf unbestimmte Zeit angekündigt, dafür gibt es jetzt RAR – nicht nur ein würdiger Ersatz, sondern noch viel mehr.
Wir haben RAR in seiner Wahlheimat Berlin getroffen, um mit ihm über das Ende bzw. die andauernde Pause seiner alten Band Fibel und seine Synthie-lastige Musik zu sprechen. Dafür trafen wir ihn in seinem Studio an der Warschauer Straße in Berlin-Friedrichshain, zogen aber kurze Zeit später um in den Wald vor Berlin, um Pilze zu sammeln.
Ein nicht ganz freiwilliger Neuanfang
Die Geschichte von RAR kann man nicht erzählen, ohne auch die Geschichte von Fibel zu erzählen. Neben Jonas Pentzek, der damals singt, Synthies und Gitarre spielt, gehören noch Lukas Brehm, Noah Fürbringer und Dennis Borger zur Band. Die vier lernen sich beim Studium an der Popakademie in Mannheim kennen – und gründen wenig später die Band Fibel. Auf ihrer Debüt-EP „Kommissar“ präsentiert das Quartett 2018 einen präzisen Indie-Entwurf mit wavigen Synthie-Einschlägen. Das erinnert an an 80er-Größen wie The Smiths, passt neben Drangsal und Van Holzen gut in den Zeitgeist der späten 2010er und dürfte auch heute noch einige NNDW-Jünger abholen. 2021 erscheint mit „Avatar“ eine zweite EP, danach noch die Single „Unique“ – und 2022 ist dann erstmal Schicht im Schacht. Jonas Pentzek hat in dieser Zeit auch mit Krankheiten zu kämpfen, die ihm das Musikmachen im Rampenlicht unmöglich machen. „Ich habe mich dann eine Zeit lang komplett zurückgezogen und gar keine eigenen Projekte mehr gemacht. Ich habe mehr hinter den Kulissen gearbeitet und zum Beispiel Sound-Design-Jobs gemacht. Dann habe ich aber angefangen ganz DIY-mäßig erste Sachen für mich selbst zu produzieren und rauszubringen – ganz ohne Ambitionen!“
Das Kapitel RAR
Mit Songs wie „Die schönste Misere“, „Glasfaser Synapsen“ und „Kannst du bei mir bleiben?“ tritt RAR in die Fußstapfen von Fibel. Wieder trägt die Musik Spuren von Post-Punk, Synthie-Pop und anderen Sound-Welten der 80er, nur klingt diesmal alles etwas aufgeräumter und weniger energisch als noch im Band-Kontext. RAR schwimmt im Fahrtwasser der Neuen Neuen Deutschen Welle und taucht bei Fans von Edwin Rosen & Co. im Releaseradar auf. Zunehmend kristallisiert sich aber heraus, dass Jonas Pentzek mehr vorhat, als sich an einem trendigen Buzzword hochzuziehen. Im Interview erklärt er: „Ich arbeite mit vielen alten, analogen Synthesizern, bin eher Hands-On und mag das Knöpfe zu drehen. Ich mag alles, was unperfekt ist.“ Dieses Unperfekte zeigt sich auch auf seiner neuen EP „Space Age“ – Songs wie „Regensommerwinterwald“ oder „Laser“ sind wunderschöne, reduzierte Hymne auf die Schönheit und Traurigkeit des Lebens.
Pilze sammeln
Angekommen im Wald vor Berlin wird deutlich, warum RAR unbedingt mit uns Pilze sammeln wollte: „Ich bin über das In-Den-Wald-Gehen zu den Pilzen gekommen. Das war, wie meine Synthesizer, so ein Nerd-Ding. Es ist ein riesiges Feld, das weder Tier noch Pflanze ist. Man bezeichnet es als Reich.“ Oftmals seien Menschen daran interessiert, so RAR, mit ihrer Technik der Natur etwas nachzuahmen und organische Komponenten zu erschaffen. „Ich finde man merkt gerade in der Musik, dass man wieder versucht, diese Momente herzustellen. Wir suchen immer das Gegenteil von uns selbst – gleichzeitig suchen wir aber das, woraus wir bestehen.“ Und auch, wenn das Pilze-Sammeln während unseres Drehs nicht wirklich klappen möchte, hat RAR dazu versöhnliche Gedanken: „Zum Pilze-Sammeln gehört auch immer dazu, das man keine findet. Gerade wenn es zu trocken ist. Das passiert mir sehr oft und dann ist es ein schöner Spaziergang gewesen.“
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