Von Glastonbury bis Düsseldorf: Fünf denkwürdige Gastauftritte vom Wochenende
„Ärzte oder Hosen?“
Die Ärzte und Die Toten Hosen sind quasi DIE Instanzen, wenn es um Punk-Musik aus Deutschland geht. Trotz oder gerade wegen dieser Gemeinsamkeit wurde über die 40-jährige Koexistenz hinweg immer mal wieder eine angebliche Fehde herbei gewitzelt. Dass der Punkrock-Teich aber groß genug für zwei große Fische ist, zeigte sich spätestens am vergangenen Wochenende. Die Toten Hosen feierten 40 Jahre-Jubiläum, natürlich als Heimspiel in Düsseldorf. Und auf einmal stand da die Konkurrenz auf der Bühne: Farin Urlaub, Bela B und Rodrigo Gonzalez spielten eigene Hits wie „Schrei nach Liebe“, coverten aber auch den Hosen-Song „Jürgen Englers Party“ und gemeinsam mit ihren Gastgebern „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones. Zum Abschied gab es dann noch ein „Happy Birthday, alte Lieblingsfeinde!“ – wenn das mal kein Full-Circle-Moment ist.
Drei Rock-Urgesteine vereint
Wem das noch nicht genügend Legenden auf einer gemeinsamen Bühne waren, möge seinen Blick auf das englische Somerset lenken, wo am vergangenen Wochenende das Glastonbury 2022 stattgefunden hat. Einer der Headliner war dort Paul McCartney, der erst wenige Tage zuvor seinen 80. Geburtstag gefeiert hatte. Damit ist der Ex-Beatle der älteste Glastonbury-Headliner aller Zeiten – und lieferte trotzdem einen monumentalen Auftritt. Denn McCartney spielte sich nicht nur solo durch sein gigantisches Hit-Repertoire, sondern holte sich gleich doppelte Verstärkung auf die Bühne. Sowohl „The Boss“ himself, Bruce Springsteen, als auch Foo Fighters-Frontmann Dave Grohl unterstützten PaulMcCartney und gaben so ein historisches Trio ab. Für Dave Grohl war das übrigens sein erster Live-Auftritt seit dem tragischen Tod seines Bandkollegen und Freundes Taylor Hawkins.
„Fuck you very vey much“, Supreme Court!
Wie wir schon an anderer Stelle geschrieben haben, hing über dem diesjährigen Glastonbury die kurz zuvor gefällte Entscheidung des amerikanischen Supreme Courts, die bisherigen Rechte zur Abtreibung massiv einzuschränken. Darauf reagierten zahlreiche Prominente und Musiker:innen empört im Netz, andere nutzten wiederum ihre Plattform ganz direkt auf einer der größten Bühnen der Welt. Olivia Rodrigo ist gerade eigentlich „Everbody’s Darling“ und mit ihrem Debütalbum „Sour“ die treibende Kraft hinter dem Pop-Punk-Revial. Trotzdem ist sie sich nicht zu schade, den Mund aufzumachen, wenn es notwendig ist, wie ihr Glastonbury-Auftritt bewies.
„Dieser Song ist den Richterinnen Samuel Alito, Clarence Thomas, Neil Gorsuch, Amy Coney Barrett und Brett Kavanaugh gewidment. Wir hassen euch!“. Mit diesen Worten teilte Rodrigo an den ultrakonservativen Flügel des Supreme Courts aus und nannte einige der Richter:innen, die die kontroverse Gesetzesänderung durchgesetzt hatten. Außerdem fungierte ihr Statement als Ansage für ein weiteres denkwürdiges Live-Crossover an diesem Wochenende: Olivia Rodrigo teilte die Bühne mit ihrem Idol Lily Allen, um gemeinsam deren Hit „Fuck You“ zu performen.
Zwei Generationen Elektro-Pop
Nicht nur in Düsseldorf wurde am vergangenen Wochenende offene Enden verknüpft. Die Headliner Pet Shop Boys haben nämlich Olly Alexander aka Years & Years während ihrem Set auf die Bühne geholt. Der junge Musiker und Schauspieler hatte zuletzt ihren Elektro-Pop-Hit „It’s a Sin“ im Rahmen der gleichnamigen Serie gecovert, in der er als Richie mitspielt. Diese Hommage an die Pet Shop Boys wiederholte Olly Alexander während seinem eigenen Glastonbury-Auftritt am Nachmittag, abends servierte man dem begeisterte Publikum dann allerdings ein anderes Duett. Seite an Seite gaben Alexander und Pet Shop Boys-Sänger Neil Tennant den gemeinsamen Song „Dreamland“ zum besten, der sich auf dem Album „Hot Spot“ von 2020 findet.
What a moment 🧡@alexander_olly joined @petshopboys for this spectacular performance of Dreamland on the Other Stage.
— BBC Radio 2 (@BBCRadio2) June 26, 2022
Watch on @BBCiPlayer | Listen on @BBCSounds pic.twitter.com/S0e0QX1MFz
Allerbeste Kolleginnen
Last but not least: Phoebe Bridgers. Die Indie-Rockerin hatte, ähnlich wie Olivia Rodrigo, ihr Glastonbury-Set genutzt, um ihrer Wut und Verzweiflung angesichts der Entscheidung des Supreme Courts am Freitag Luft zu machen. Schon im Mai, als sich abzeichnete, dass es zu dieser Entwicklung kommen könnte, teilte Bridgers ihre Erfahrungen mit einer Abtreibung. Diese Umstände trübten also verständlicherweise ihre Glastonbury-Debüt, wie sie selbst sagte, trotzdem lieferte die Musikerin auch abseits des Politischen eine grandiose Show.
Ein Highlight war dabei ein kleiner Gast-Auftritt einer guten Freundin: Arlo Parks. Schon 2020 haben die beiden gemeinsam für den BBC eine Session performt und auch beim Coachella haben Parks und Bridgers zuletzt eine Bühne geteilt. Nur naheliegend also, genau das zu wiederholen, schließlich spielte auch Arlo Parks am Wochenende auf dem Glastonbury. Gemeinsam erwiesen sich die beiden erneut als spannendes Duo und performten mit „I Know The End“ den letzten Song von Bridgers gefeiertem Album „Punisher“.

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