Wandeln zwischen Schmerz und Betäubung: Rin veröffentlicht „Euphoria“-EP
Zusammen mit den jüngsten Veröffentlichungen „Gänsehaut“ und „Euphoria“ haben die losen Tracks nun im Rahmen der „Euphoria“-EP einen neuen Rahmen gefunden, in dem sie existieren und dementsprechend neu interpretiert werden können. Wir wollen uns heute aber auf den Titelsong konzentrieren, da sich in den Lyrics des Songs einige generelle Leitmotive der EP destillieren lassen.
„Euphoria“: Die EP, der Song und eine inspirierende Erfolgsserie
Euphoria ist nicht nur der Titel der neuen EP von Rin, sondern auch der Name einer unfassbar erfolgreichen amerikanische Fernsehserie, die im Jahr 2019 uraufgeführt wurde. Sie wurde von Sam Levinson kreiert und basiert auf einer israelischen Serie gleichen Namens. Die Serie behandelt Themen wie Drogenmissbrauch, Sexualität, Identität, Beziehungen oder etwa psychische Gesundheit und wenn man sich die Lyrics der einzelnen Songs von Rin zu Gemüte führt, kann man hier und da gewisse schemenhafte Parallelen ziehen.
Der titelgebende Song behandelt beispielsweise die Abwesenheit des Glückshormons Serotonin und wenn man die bildhaften Texte von Rin versucht zu deuten, erkennt man auch das unterschwellige Thema der Betäubung eines Schmerzes, der sich durch seine Generation zieht. Ob es die langen nächtlichen Fahrten mit dem Auto oder ein Termin beim renommierten Juwelier Wempe ist, irgendwie muss versucht werden, die leere Kälte in Rins Inneren mit Wärme zu füllen.
Trust-Issues und MDMA
Wie gut materielle Güter diesen Zweck tatsächlich erfüllen löst der Bietigheimer Exportschlager mehr oder weniger auf: Die teure C.P. Jacke erfüllt ihren wärmenden Zweck nicht und der Porsche nützt einem auch nichts, wenn sich das Leben auf Glatteis befindet und man die Kontrolle verliert. Im zweiten Part sucht Rin die Wärme in der Zwischenmenschlichkeit und beschreibt seine Vertrauensprobleme: „Spüre am Ort meines Herzens Gewicht / Will euch nicht kennen, ich zeig‘ kein Gesicht / Kann niemand glauben, der mir was verspricht / Hör’ auf mein Herz und hör‘ zu, wie es bricht“.
Doch trotz eindeutiger Trust-Issues gibt es einen vermeintlichen Lichtblick, nämlich die Liebe. Ob es sich um echte oder synthetische Liebe handelt, verrät die „Gift“-Zeile. Inhaltlich kann man hier übrigens die stärkste Parallele zu oben genannter Erfolgsserie ziehen, denn wenn die Liebe ausbleibt gibt es Mittel, die in einem ein Liebes-ähnliches Gefühl auslösen. Stichwort MDMA und Stichwort Casper, der sich ebenfalls in seiner vorletzten Single „Emma“ mit diesem Liebestrip auseinandergesetzt hat. Ironischerweise findet man schon auf seinem Album „Alles war schön und nichts tat weh“ aus 2022 einen Song mit Teute namens „Euphoria“, der – wie sollte es anders sein – einen Drogentrip der wohligen Zweisamkeit beschreibt.
Roh, reflektiert und sensibler denn je
Warum ausgerechnet der Song „Euphoria“ den Titel für die EP liefert, wird auch klar, wenn man sich die lyrischen Bilder und Inhalte der anderen Songs ansieht. Auch wenn die Parts verhältnismäßig kurz sind, hat Rin es geschafft die Themen und Motive der anderen Songs einzubringen. Gebündelt machen die fünf Songs absolut Sinn und entführen einen in eine fast schon dystopische Welt der Ablenkung und Taubheit – sei es durch Social Media, Kaufsucht oder die ein oder andere Substanz. Gefühlt befindet sich Rin auf der Suche nach wahrer zwischenmenschlicher Liebe, doch aufgrund seiner Wunden und Narben greifen bei ihm Schutzmechanismen die ihn davon abhalten sich wieder verletzlich zu machen. Das ist ziemlich paradox, denn abschließend muss man festhalten, dass die „Euphoria-EP“ mitunter zu den rohsten, reifsten und gleichzeitig sensibelsten Releases in Rins bisheriger Diskographie gezählt werden kann.
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