What’s Poppin? Detroit trifft Noise, Kenny Beats‘ Solo-Album & alles wie immer bei Yeat
PnB Rock in LA erschossen
Ich starte diese Woche die „What’s Poppin?“-Kolumne mit einer Todesmeldung – leider nicht zum ersten Mal. Der Rapper und Sänger PnB Rock wurde gestern in einem Restaurant in Los Angeles beim Dinner mit seiner Partnerin erschossen. Dabei hat es sich wohl um einen Raubüberfall gehandelt, denn der Täter hat dem Rapper nach dem Angriff seinen Schmuck und andere Wertgegenstände abgenommen.
Im Internet kursieren schon jetzt wilde Anschuldigungen gegen PnB Rocks Freundin, die den Standort des Restaurants kurz zuvor in einer Instagram-Story erwähnt hatte. Ganz ähnlich hatte sich ja schon der Mord an Pop Smoke zugetragen, der auch versehentlich seinen Standort geleaked hatte, trotzdem gibt es zu denken auf, wenn schon das reicht, um in der Öffentlichkeit an helllichtem Tag erschossen zu werden.
Neben den Vorwürfen sieht man allerdings auch viele Mitleidsbekundungen und RIP-Nachrichten für PnB Rock: Drake, Quavo, Trippie Redd und viele weitere haben sich via Social Media zu Wort gemeldet. Der Fall um PnB Rock ist eine weitere Momentaufnahme der anhaltenden Gewalt-Spirale in der Rap-Szene, die zum Teil auch in strukturellen Problemen verankert. PnB Rock hinterlässt seine Partnerin und zwei Kinder.
After Pop Smoke there’s no way we as rappers or our loved ones are still posting locations to our whereabouts. To show waffles & some fried chicken????! He was such a pleasure to work with. Condolences to his mom & family. This makes me feel so sick. Jesus. #SIP #PnbRock 🕊
— Nicki Minaj (@NICKIMINAJ) September 13, 2022
Kenny Beats – Louie (Album)
Der Produzent Kenny Beats ist ohne Zweifel eine der beliebtesten Figuren im US-amerikanischen Hip-Hop-Kosmos. In seinem Youtube-Freestyle-Format „The Cave“ hat er über die Jahre gefühlt die halbe Szene zu Gast gehabt und auf Twitch veranstaltet er regelmäßig und mit reger Beteiligung Beat-Contests. Natürlich dürfen dabei auch seine zahlreichen Kollabo-Alben mit Künstler:innen wie Denzel Curry, Rico Nasty und Vince Staples nicht unerwähnt bleiben, die immer wieder zeigen, wie divers Kennys Sound ist. Bei dieser Projektdichte ist es eigentlich verblüffend, dass der Tausendsassa sich nie die Zeit für ein eigenes Solo-Album genommen hat – bis vor kurzem zumindest.
Mit „Louie“ reflektiert Kenny Beats die Zeit nach der Krebs-Diagnose seines Vaters und macht aus finsteren Gedanken ein Album gefüllt mit warmer, souliger Produktion. Viele Anspielstationen sind nur instrumental gehalten, trotzdem ist „Louie“ keineswegs ein bloßes Beat-Tape, auf das sich die nächste Rap-Generation stürzen sollte. Stattdessen holt sich Kenny von Freund:innen wie Omar Apollo, Mac De Marco, slowthai und Foushée vereinzelte Samples und musikalische Beiträge und schneidert diese zu einem bunten Patchwork-Teppich zusammen.
Giggs – Da Maximum
Liebe Leser:innen, ich muss gestehen: Ich bin late to the party, was Giggs angeht. Sehr late. Der Typ ist Grime-OG der ersten Stunde, seit den Nullerjahren mischt er den britischen Rap auf und macht auch im Jahr 2022 keine Anstalten, an Relevanz zu verlieren. Das erste Mal von Giggs gehört habe ich auf Drakes „More Life“-Album und war damals noch sehr irritiert von seiner speziellen Performance in Sachen Stimme und Flow. Seitdem haben mich aber genau diese Alleinstellungsmerkmale angefixt, so auch bei Giggs neuester Single „Da Maximum“. Mit welcher Abgebrühtheit er hier irrsinnige Lines wie „Still in the party, it’s May 18th / My birthday started on May the 11th“ vorträgt und dabei trotzdem kein bisschen Boss-Aura einbüsst, ist ein kleines Kunststück. Seine gepresste Stimme mag vielleicht für viele gewöhnungsbedürftig sein, aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Gebt dem Mann noch eine Chance!
Nicki Minaj – Super Freaky Girl
Nicki Minaj hat es mal wieder geschafft: Ihre neue Single „Super Freaky Girl“ geht aktuell absolut viral und beweist, dass sie auch nach über zehn Jahren im Game Titelverteidigerin für den Stempel „Queen of Rap“ bleibt. Aber woran liegt der immense Erfolg von Nickis jüngstem Streich? Zum einen, und da müssen wir uns nichts vormachen, ist Rick James daran nicht ganz unbeteiligt. Von seinem Song „Super Freak“ stammt nämlich das heute legendäre Funk-Sample, aus dem seinerzeit schon „Can’t Touch This“ gebastelt wurde und das nun auch als Vorlage für „Super Freaky Girl“ dient. Aber auch Nicki selbst tut ihren Teil, um den Song zum Überhit zu machen: Ihre Lines sind clever und gewitzt, ihre Attitüde selbstbewusster denn je und die Wundermaschine TikTok hat ihr übriges getan.
Midwxst feat. BabyTron – 223’s
Midwxst hat sich im vergangenen Jahr mit Glaive und Ericdoa als eine der Galionsfiguren der neuen Hyperpop-Generation hervorgetan. Seinen Rap-Sound hat der Newcomer in jüngster Vergangenheit gegen zuckersüße Pop-Melodien, kreischende Elektro-Produktionen und ein Faible für unvorhersehbare Songstrukturen ausgetauscht. Und unberechenbar bleibt Midwxst auch weiterhin, denn: mit der neuen Single „223’s“ geht es zurück zum Hip-Hop. Genau genommen nach Michigan, denn der Song ist durch und durch Hommage an den dort weit verbreiteten Flint Rap oder auch Detroit Rap. Dafür hat sich Midwxst den lokalen Rapper BabyTron an Bord geholt, der für seine skurrilen Zeilen und chaotischen Beat-Wechsel bekannt ist. Im Fall von „223’s“ bleibt es bei nur einem Beat, der dafür umso brachialer ausfällt: Hämmernde 808-Bässe und ein verzerrtes, kratziges Sample, dass immer wieder übersteuert und förmlich aus dem Song ausbrechen will. Diese ungewöhnliche Detroit-Noise-Fusion geht wunderbar auf und lässt mich gespannt auf den nächsten Output von Midwxst warten.
Yeat – Lyfë (Album)
Turban-Rapper Yeat bleibt weiterhin produktiv und veröffentlicht sein nächstes Projekt unter dem kryptischen Titel „Lyfë“. Der Vorgänger „2 Alivë“ liegt erst wenige Monate zurück, doch seitdem hat sich bei dem Newcomer aus Oregon einiges getan. Mit seinem Song „Rich Minion“ hat er den Hype um die gelben Einäugler gekonnt aufgegriffen und das virale Momentum um den neuen Kinofilm mitgenommen, um seinen nächsten Hit zu landen. Auf dem neuen Album ist der Song allerdings nicht enthalten, stattdessen 12 andere Songs, die eigentlich genau so wie immer klingen.
Entweder man ist Fan oder eben Hater, aber auf eine Neuerfindung wartet man hier vergebens. Yeat bleibt bei seinem nervösen, psychedelischen Hyper-Rap-Entwurf, inklusive der genuschelten Flows und ganz eigenen Sprachwelt. Einzig der Song „Can’t stop it“ fällt da überraschend aus und klingt ein wenig, als wäre Kurt Cobain Yeat im Codein-Schlummer erschienen und hätte ihn aufgefordert, sich doch auch mal an Grunge zu versuchen. Das Ergebnis ist zumindest eine angenehme Abwechslung und vielleicht ein guter Wegweiser, wie Yeat seinen New-School-Stil in Zukunft ausweiten kann.
Das neue DIFFUS Print-Magazin
Titelstory: SSIO
Außerdem im Heft: Interviews mit badmómzjay, t-low, Magda, Paula Engels, fcukers, Betterov uvm. Außerdem große Reportagen über Kneipenkultur, Queer Rage und Essays!