What’s Poppin? Metro Boomin und die Trap-Avengers
Metro Boomin – Heroes & Villains (Album)
Auch wenn inzwischen vielleicht neue Grünschnäbel das Ruder übernommen haben: Die Trap-Hochphase zur Mitte der letzten Dekade wäre ohne Metro Boomin völlig undenkbar gewesen. Young Thug, Future, 21 Savage, sie alle vertrauten auf Metro Boomins skelettalen, düsteren Produktionsstil, der über die Jahre Hits wie „Bad and Boujee“, „Mask Off“ oder „Bank Account“ hervorbrachte. Nur die eigene Musik des gefeierten Beatmakers wollte nicht so ganz fruchten – das 2018 erschienene Debütalbum „Not all heroes wear capes“ schaffte es zumindest nicht, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Nun versucht sich Metro Boomin erneut an einem eigenen Projekt und veröffentlicht den Nachfolger „Heroes & Villains“.
Wie zuvor versammelt Metro hier Freunde und geschätzte Kollegen aus der Szene – die Trap-Avengers quasi. So gibt es von den üblichen Verdächtigen wie 21 Savage, Future und Travis Scott jeweils gleich mehrere Auftritte. Aber „Heroes & Villains“ hält auch einige Überraschungen parat: A$AP Rocky eröffnet gemeinsam mit John Legend und Morgan Freeman das Projekt und ist auch später nochmal auf einem Song mit dem kürzlich verstorbenen Takeoff vertreten. Spannend ist auch das Feature mit dem kanadischen Sänger Mustafa, der sonst eher zarte Folk-Stücke veröffentlicht.
A$AP Rocky – Shittin‘ Me
A$AP Rocky ist übrigens nicht nur auf dem neuen Album von Metro Boomin gefeatured, sondern hat mit „Shittin’ Me“ auch selbst einen Song veröffentlicht. Dieser wird auf dem Soundtrack des kommenden „Need For Speed“-Films zu finden sein – und klingt irgendwie auch so. Die Soundtracks für die großen Action-Blockbuster dieser Welt sind schließlich seit Jahren nur so gepflastert mit Songs der Rap-Superstars. Das kann in absurd-genialen Szenarien enden, wie Yeats wirrer Mumble Rap im „Minions“-Film, vieles davon mündet aber leider in austauschbare Industrie-Produkte, heute hier, morgen schon wieder vergessen. „Shittin’ Me“ ist ein klassischer A$AP Rocky-Song und dementsprechend für treue Fans vielleicht genau das richtige – aber eben auch absolut nichts neues.
Nas & 21 Savage – One Mic, One Gun
Dass junge Rapper:innen gerne lautstark gegen alles Vorher-Dagewesene pöbeln, ist nichts neues. Besonders prominent tat das Lil Pump auf der Höhe seines kurzen, aber beeindruckenden Hypes, als er über Kollegen wie Russ und J. Cole herzog. Letzterer hatte statt eines Disstracks mit „1985“ einen gut gemeinten Rat im Song-Format für ihn: Investier deine Vorschuss-Millionen, solange sie da sind! Hoffen wir also, dass Lil Pump das damals getan hat.
Der nächste, der nun den Mund etwas zu voll genommen hat, ist 21 Savage. Vielleicht kommt es durch den Höhenflug von der aktuellen Drake-Kollabo, jedenfalls hat der Rapper aus Atlanta in einem Livestream behauptet, Nas sei irrelevant. Eine Aussage, die vielen Fans natürlich ganz und gar nicht passte und die auch der Rap-Pionier selbst, der kürzlich seine gefeierte „King’s Disease“-Trilogie fertig gestellt hat, so nicht stehen lassen konnte.
Aber statt eine lyrischen Backpfeife hatte Nas anderes im Sinn: “Only way we moving is with love, respect and unity. The foundational principles of hip hop. Excited to collaborate with my young brother and I hope more artist use turbulent moments and turn them into a time to make new art. That’s what it’s about.” Diese Zeilen schreibt Nas zur Veröffentlichung des neuen Songs „One Mic, One Gun“ und holt sich dafür 21 Savage an Bord, statt ihn zu dissen. Gemeinsam tauschen die beiden ihre Bars auf einem sample-lastigen Trap-Beat aus und bieten so generationsübergreifenden Hörgenuss. Und siehe da, am Ende hat 21 Savage dann doch ein wenig Respekt für die Old School übrig: „I ain’t goin’ against no legend, I’m tryna be next in line“.
Brakence – Hypochondriac
Ob das nächste Thema überhaupt in eine Kolumne über internationale Rap-Musik hineinpasst, darüber lässt sich streiten. Würde man ihn fragen, würde Brakence höchstwahrscheinlich verneinen, dass er Rapper sei und vielleicht würde er auch seinen Platz in dieser Kolumne ablehnen. Aber der Typ kann wahrscheinlich kein Deutsch und ich setze mich über solche Gedankenspiele ganz einfach hinweg, indem ich es mir trotzdem erlaube euch an dieser Stelle auf sein phänomenales neues Album „Hypochondriac“ hinzuweisen.
Denn vieles was der Newcomer aus Columbus hier macht, hat durchaus etwas mit Rap zu tun, aber eben auch mit Emo, mit Punk, Pop und vor allem Hyperpop. Brakence’ Stimme flattert und kratzt und bricht, genau wie die Beats, die sie umgeben. Mal singt er engelsgleich, nur im nächsten Moment einen aufgedrehten Part über einen Drill-Beat zu flowen. Wer den immer gleichen Soundtrack-Rap leid ist, sollte sich „Hypochondriac“ unbedingt mal reinziehen, denn dahinter versteckt sich kurz vor knapp nochmal ein Anwärter für die besten Alben des Jahres.
Stormzy – This is what I mean (Album)
Nach der ersten Single „Mel Made Me Do It“ ging alles auf einmal ganz schnell: Vor zwei Wochen erschien „This is what I mean“, das langersehnte neue Album von Stormzy nach drei Jahren Funkstille. Und erneut beweist der ghanaisch-britische Rapper eindrucksvoll, dass er die Regeln der Industrie mühelos nach seinem Willen biegt und manchmal auch bricht. Beispiel gefällig? Das neue Album startet mit „Fire + Water“, einem Song der zum größten Teil gesungen ist und mit einer Spielzeit von acht Minuten daherkommt.
Überhaupt singt Stormzy auf Album Nummer Drei erstaunlich viel, als wolle er beweisen, dass er nicht nur für rasantes Zeilen-Gewitter auf Grime-Beats zu haben ist. Diese treten hier in den Hintergrund, statt Turn-Up im Club Samstagnacht gibt es hier den Kirchenbesuch am nächsten Morgen zu hören. „This is what I mean“ zeigt Stormzys Liebe für Gospel und Soul, für warme Rhodes-Pianos und beseelte Chöre. Die religiösen Töne durchzogen schon Stormzys bisheriges Schaffen, so deutlich wie hier haben sie sich aber nie gezeigt. Ob das für den großen kommerziellen Erfolg prädestiniert ist, wage ich zu bezweifeln, mich als Agnostiker hat „This is what I mean“ trotzdem auf ganzer Linie abgeholt.
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