What’s Poppin? – Nicki Minaj kann es immernoch
Nicki Minaj verteidigt ihren Titel
Zu Nicki Minaj habe ich eine ziemlich gespaltene Meinung. Ja, sie ist die erfolgreichste Rapperin der Welt und hat viele Mauern in dieser Rap-dominierten Szene für die nachfolgenden Generationen eingerissen. Aber sie ist eben auch eine der erfolgreichsten Pop-Künstlerinnen der Welt und viele ihrer großen Hits sind für mich mehr Erfolgs-Rezept als Song und schaffen es nicht so richtig zu mir durchzudringen. So auch viele der Sachen, die sie seit ihrem letzten Album „Queen“ so veröffentlicht hat. Nun hat Nicki ihr neues Projekt „Pink Friday 2“ veröffentlicht – und davor muss selbst ich meinen Hut ziehen.
Das Album ist eine Rückbesinnung auf ihr Debüt von 2010, kommt aber mit einem Sound daher, der unseren Zeitgeist kaum besser treffen könnte. So wird das Projekt gar nicht von Nicki, sondern von einer gesampelten Billie Eilish mit „What Was I Made For?“ eröffnet. Trotzdem schafft es die Rapperin, nicht im Schatten dieses Überhits zu versinken. Darauf folgt eine mit 22 Songs ziemlich überladene, aber auch schön durchmischte Tracklist: „FTCU“ steht für „Fuck The Club Up“ und macht mit seinem dreckigen Trap-Beat genau das. „Let Me Calm Down“ glänzt mit einem überraschenden J. Cole-Feature und zeigt, dass Nicki auch ruhigere Nummern spannend gestalten kann.
Auf das Drake-Gesäusel auf der Amapiano-Nummer „Needle“ hätte ich verzichten können, dafür hat sie mich dann mit dem ansteckenden Jersey-Bounce und dem perfekten Feature-Gast Lil Uzi Vert auf „Everybody“ wieder. Ingesamt ist „Pink Friday 2“ eine einzige bunte Party, die mit dem aktuellen Internet-Trend rund um „Gag City“ auch schon ihren Schauplatz gefunden hat. W für Nicki.
Playboi Carti war kurz zurück
Während in seiner Abwesenheit seine Schützlinge Ken Carsson und Destroy Lonely sowie die halbe TikTok-User:innenschaft das Opium-Banner hochgehalten haben, hat Playboi Carti Musik gemacht – zuletzt in einer Höhle bei Paris, wie er in einem Interview verraten hat. Nach vielen Fehlalarmen scheint sich der King Vamp gerade tatsächlich auf die Veröffentlichung seines dritten Albums vorzubereiten, dass scheinbar „Music“ heißen und im Januar 2024 erscheinen soll. Befreundete Artists wie Pharrell Williams und The Weeknd rühren die Werbetrommel und als Sahnehäubchen für alle Opium-Jünger veröffentlicht Carti sogar eine neue Videosingle, die es inzwischen nur noch als Re-Upload gibt. „Ur the moond“ klingt ziemlich futuristisch und melodischer, als alles was es auf „Whole Lotta Red“ zu hören gab. Neuen Slang für die Bubble gibt es auch noch, obwohl niemand so richtig weiß, was sein Adlib „Seeyouh!“ Bedeuten soll.
Jack Harlow und Dave brauchen keine Ratschläge
Ich muss zugeben: Jack Harlow gewinnt langsam aber sicher immer mehr mein Herz. Sein letztjähriges „Come Home The Kids Miss You“ ging noch ziemlich an mir vorbei, „Jackman.“ Fand ich dann ziemlich underrated und seine letzte Single „Lovin On Me“ ist so catchy, dass es wehtut. Entsprechend gespannt war ich, als ich mitbekommen habe, dass der Videoproducer Cole Benett den Rapper für einen neuen Lyrical Lemonade-Release mit einem weiteren jungen Talent zusammenführt: Dave. Letzterer wird ja gerne als Rap-Hoffnung aus UK verkauft – kein besonders kreatives Label, aber passt ja irgendwie doch. Zusammen berappen die beiden in „Stop Giving Me Advice“ ein melancholisches Gitarren-Sample. Gemeinsam mit der Reflektion des wachsenden Erfolgs und den komplexen Flows, erinnert das an die Momente, in denen sich Eminem den Frust von der Seele rappt – im besten Sinne. Das „Lyrical“ im Namen seines Media-Imperiums nehmen Cole Benett und seine Rap-Kollegen diesmal scheinbar besonders ernst.
Lil Yachty geht ein Licht auf
Ich erzähle aktuell allen, die es nicht hören wollen, dass Lil Yachty gerade in absoluter Bestform ist – und das eigentlich schon, seit er vor zwei Jahren einen musikalischen Ausflug nach Detroit unternommen hat. Danach ging es mit „Let’s Start Here“ auf einen psychedelischen Trip, bei dem bei Lil Yachty scheinbar irgendeinen inneren Schalter umgelegt hat. Alle Singles, die seither kamen, hatten es in sich und auch der neue Song „Gimme Da Lite“ könnte aus dem Stegreif zum Hit werden.
Schon der zugehörige Sound war auf TikTok sehr beliebt und auch der vollständige Song gefällt den Fans. Dabei ist „Gimme Da Lite“ bis auf die titelgebende, repetitive Hook nicht unbedingt eine catchy Tune, im Gegenteil. Der Trap-Beat von Southside wabert hypnotisch vor sich hin, mit chaotischen Drums und unartikulierten Vocal-Schnipseln, die an Cartis Babysprache erinnern. 2023 war das Jahr des Boots – und bisher deutet alles darauf hin, dass es nächste auch sein wird.
Young M.A lässt tief blicken
An Young M.A schätze ich das, was mir bei überlebensgroßen Stars wie Nicki Minaj und Cardi B oft fehlt: Diese Rapperin versprüht für mich pure Authentizität. Umso bestürzender war es, Anfang des Jahres mitzukriegen, dass sie nach längerer Releasepause im Krankenhaus war – wegen einer Alkohol-Sucht und verschiedenen anderen Gesundheits-Problemen. Nun scheint Young M.A aber wieder fit und bereit für neue Musik zu sein – zumindest lässt das „Open Scars“ hoffen, die erste Single der New Yorkerin seit über einem Jahr.
Während sie sich sonst oft angriffslustig zeigt, reflektiert Young M.A hier auf einem melancholischen Beat die Narben ihrer Vergangenheit und ihren aktuellen Gemütszustand: „For the past three years I let my fans down / I lost Faith and I couldn’t Understand how / I had to go and free my mind and let my hair down / Without the Henny I see everything clear now“. In anderen Sparten der populären Musik wird Mental Health immer mehr zum Thema, aber im Straßenrap ist diese Entwicklung viel langsamer – umso wichtiger sind Comeback-Songs wie dieser.
Das Musikvideo des Jahres kommt aus Frankreich
Zum Schluss ein Song, der zwar nicht brandneu ist, aber dafür kurz vor Jahresende mit einem der stärksten Musikvideos 2023 aufwartet. Die Rede ist von Yvnnis und seinem Song „Gare Du Nord“. Wie der Titel schon ankündigt, geht es hier ausnahmsweise nicht um englischsprachigen Rap, sondern um Hip-Hop aus Frankreich. Aber lasst euch hier nicht von der Sprachbarriere abschrecken: Die Mood von „Gare Du Nord“ versteht man sofort. Eine unterkühlte Trap-Nummer, gar nicht so anders wie der gleichnamige Song von RAPK.
Im Musikvideo steht der Rap-Newcomer mitten im viel befahrenen Gleisbett des titelgebenden Pariser Nordbahnhofs, während die Züge an ihm vorbei rasen. Zum Schluss gibt es noch einen nasty Beat-Switch, der das Tempo nochmal anzieht und den Hit komplett macht. Ich hatte vor kurzem den Genuss, tatsächlich vor dem Gare Du Nord zu stehen und dazu Yvnnis in meinen AirPods zu lauschen und ich sag’s euch: Gänsehaut vom Kopf bis zu meinem großen Zeh.

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