Zackavelli trägt Kreuzberg auf dem Hals, aber Atlanta im Herzen
Deutschrap hat in den letzten Jahre eine kuriose Entwicklung hingelegt. Während das Genre in den 2010ern krampfhaft darum bemüht war, seinem großen Bruder aus den Vereinigten Staaten hinterherzuhinken, sind die Karten heute neu gemischt. Seine Popularität muss sich Rap aktuell vor allem mit elektronischen Club-Sounds, wie Trance, Techno und Drum’n’Bass teilen, die gleichzeitig auch im Hip-Hop ihre Spuren hinterlassen. Auch von den USA ist man weiterhin beeinflusst, inzwischen aber viel eher auf Augenhöhe, statt mit fünf Jahren Verspätung. Grund dafür ist vor allem eine gesunde Untergrund-Szene, die dafür sorgt, dass sich Deutschrap permanent weiterentwickelt. Teil davon ist seit einiger Zeit auch Zackavelli.
Der Rapper kommt aus Berlin-Kreuzberg und veröffentlicht laut dem Streaminganbieter unseres Vertrauens seit knapp drei Jahren eigene Musik. Geht man auf digitale Spurensuche, findet man sogar schon ab 2019 erste Releases von ihm. Damals bildet er mit Champkaine (heute als Kane unterwegs) und dem Produzenten Ello aus dem Bipolar-Umfeld das lose Kollektiv XOSS. Gemeinsam entstehen einige Features und erste Projekte wie „Babylon“ oder „Saphir“, die den Newcomern damals sogar Lob von Raf Camora einbringen.
Auf den Spuren von Young Thug
Aus dieser Zeit finden sich nur noch wenige Songs auf dem Profil von Zackavelli, der inzwischen seine Diskographie aufgeräumt und ein neues Kapitel gestartet hat. Den Startschuss dafür markieren Songs wie „Z3’“ oder „O.J. Mayo“, mit denen sich Zackavelli am minimalistischen Stil der jungen amerikanischen Rap-Generation orientiert.
Wenn man über diese Sparte von Rap spricht, kommt man um einen Namen kaum herum: Young Thug. Auch Zackavelli schaut zum aktuell inhaftierten YSL-Oberhaupt auf. Auf dem Song „Obama“ rappt er: „Free YSL und rest in peace, Lil Keed“. Auf Instagram postet er 2021 das Albumcover zu „Barter 6“, das bis heute wegweisend für viele aufstrebenden Rapper ist. Mit diesem Trap-Klassiker sorgte Young Thug seinerzeit dafür, dass der Begriff „Mumble Rap“ in aller Munde war. Auch eine Dekade später, ist diese melodische, genuschelte „Slime Language“ bei Newcomern wie Zackavelli hoch im Kurs.
Aber Zackavellis Referenzen verweisen nicht nur auf Trap aus Atlanta. Für seinen „Tiger Woods Freestyle“ bedient er sich bei Kendrick Lamars „Bitch Don’t Kill My Vibe“ und lässt sich daraus von Coolpacc einen Drill-Beat schneidern. David Bowie bekommt sogar gleich einen eigenen Freestyle gewidment. Und bei „Flip Phone“ fliegt der Rapper über futuristische D’n’B-Breaks und erklärt seinen Lebensweg: „Bruder, ich komm aus Berlin / Hier dreht es sich nur ums Geld / Jeder muss hier was verdien’ / Will ein G auf meinem Belt“.
Keine Liebe für die Industrie
Auf seinen Songs stellt Zackavelli Vibe über Inhalt, Adlips und Flows über Texte und veröffentlicht lieber einen spontanen Freestyle, als einen durchkonstruierten Song. Immer wieder geht es um Substanzen, Konsum und Verkauf, aber auch die Musik-Industrie. Die lehnt der Newcomer vehement ab: „Digga, ich scheiß auf eure Playlist, weil es mir zu Standard ist“, rappt er im „David Bowie Freestyle“.
„Sie hat eine Glock unterm Kleid“
Zackavelli ist nicht bereit, sich den Konventionen der Branche zu beugen und seinen Sound zugänglicher zu machen. Trotz, oder gerade wegen, dieser ignoranten Anti-Haltung geht es aktuell steil bergauf für den Kreuzberger. Am Freitag hat er seine Single „Glock unterm Kleid“ veröffentlicht, für die er gerade viel Zuspruch von seinen Fans bekommt. Der chaotische Beat erinnert an die Produktionen der Surf Gang und Artists wie Yeat, Cash Cobain und Nettspend, die aktuell das Rap-Game in den Staaten aufmischen. Zackavelli gleitet über die lose skizzierten Drum-Loops, als wäre es ein Spaziergang: „Meine Bitch ist so G, sie hat eine Glock unterm Kleid / Ja, sie ist so on fleek, macht für mich mein Lean in die Sprite“.
Authentischer Trap mit ganzer Härte
Die Formel für den US-Flavour hat Zackavelli also längst gefunden, aber damit leider auch ein Slang-Vokabular, das nicht ohne misogyne Kraftausdrücke auskommt. Die Diskussion darüber, wie hart Rap denn nun sein muss oder darf, ist mindestens genauso alt wie das Genre selbst und wird wohl nicht mit diesem Text gelöst werden. So oder so sollte euch bewusst sein, dass das Frauenbild in Zackavellis Songs zumindest bisher noch nicht besonders viel Tiefgang besitzt.
Trotzdem ist Zackavelli zumindest in Sachen Sound sehr progressiv unterwegs und surft damit auf einer Welle, die er sich mit Artists wie Souly, Yungpalo und Gola Gianni teilt. Die neue Trap-Generation macht Musik, die mehr gefühlt als verstanden werden will und hat mit diesem Rezept durchaus Erfolg. In den Kommentaren unter Zackavellis neuestem YouTube-Video sprechen seine Fans auf jeden Fall von „Durchbruch“, „Sommerhit“ und „Retter von Deutschrap“ – und wenn diese Beschreibungen auch nur ansatzweise zutreffen, steht Zackavelli eine goldene Zukunft bevor.
Das neue DIFFUS Print-Magazin
Titelstory: Nina Chuba – Auf Touren.
Außerdem im Heft: Interviews mit Blumengarten, Apsilon, Symba, Levin Liam, Olivia Dean, Zartmann und Ennio. Die Geschichte der „She-Punks“, Animes und J-Pop, der erste DIFFI-Comic uvm.