10 Essentials von Marsimoto
Marteria oder Marsimoto ? Diese Entscheidung hat sich zu einer Gretchenfrage im Deutschrap entwickelt. Noch ein Jahr bevor Marteria mit „Base Ventura“ seinen Erstling veröffentlicht, sorgt sein außerirdischer Zwilling mit einem sehr eigenwilligen Debüt für Aufsehen. „Halloziehnation“ ist anders als die übrigen Deutschrap-Alben – gepitchte Stimme, verschrobener Humor und eine wahnwitzige Laufzeit von 30 Tracks verleihen der LP einen Sonderstatus in der Musiklandschaft. In der Folge entwickelt sich aus dem anfänglichen Spaßprojekt eine eigenständige Künstlerkarriere, die Fans wie Peter Fox oder Jan Delay zu sich zählt. Marteria bezeichnet „Marsimoto“ später gar als Türöffner für seine eigene Karriere. Längst ist klar – die ursprüngliche Hommage an Madlibs Alter Ego Quasimoto hat sich verselbstständigt und ist selbst etwas ganz Großes geworden.
In den folgenden Jahren tut sich einiges auf Marsimotos Alben. Das Themenspektrum wird neben dem Fokus aufs Kiffen erweitert, mal um Szene-Reminiszenzen, mal um Gesellschaftskritik. Marteria, anfangs noch auf fast jedem Track vertreten, lässt seiner zweiten Künstlerpersönlichkeit immer mehr Raum und verschwindet zum Schluss ganz. Von nun an verfolgt Marten Laciny zwei Diskographien, die er immer wieder aufbricht und miteinander verschmelzen lässt.
Während Marteria Stadiontourneen spielt, die wichtigsten Musikpreise Deutschlands einholt und mehrmals Platinstatus erlangt, manifestiert sich in Marsimoto ein Kritikerliebling, den trotz stattlicher Fanbase immer noch ein Hauch von Untergrund umgibt; genug Exotik, um nicht als Kommerz zu gelten. Nach seinem umjubelten „Ring der Nebelungen“ schauen nun alle Augen auf die Veröffentlichung seines fünften Studioalbums. Aus diesem Anlass haben wir die wichtigsten Songs in einer „Essentials“-Ausgabe gebündelt.
Marsimoto – Eine kleine Bühne
“Eine kleine Bühne, guck doch mal vorbei, was da so geht. Eine kleine Bühne, kann es sein, dass keiner sie versteht?“
Es muss ja nicht immer die Mainstage auf dem splash! sein. Mit „Eine kleine Bühne“ veröffentlichte Marsimoto 2012 eine Hymne auf Kleinkunst und spelunkige Indie-Konzerte, lange bevor er regelmäßig die Headliner-Slots sämtlicher Festivalflyer zierte. Der Track ist Bestandteil seiner „Green Juice“-EP, die ursprünglich exklusiv einer Ausgabe des JUICE-Magazins beilag.
Marsimoto – Der Nazi und das Gras
Wie Marsimoto einen Nazi nur mittels eines Joints bekehrte – „Der Nazi und das Gras“ erzählt die Geschichte davon. Macht in der Remix-Version auf Rich Boys „Drop“ nochmal doppelt so viel Spaß.
Marsimoto – Grüner Samt
Nach „Halloziehnation“ und „Zu zweit allein“ markierte Marsis drittes Album „Grüner Samt“ einen deutlichen musikalischen Einschnitt in seiner Diskographie. Statt frickeligen DIY-Produktionen gab es plötzlich eindringliche Hochglanz-Instrumentals von einer breiten Produzentenriege (u.a. Nobodys Face, The Krauts) zu hören. Mit dem Titeltrack eröffnete Marsimoto sein Album mit Reggae-Gitarren und Anleihen an Ini Kamozes „World a Music“ und bewies endgültig, dass es sich nicht (mehr) um ein reines Spaßprojekt handelte.
Ähnlich wie bei seinem „großen Bruder“ bedeutet Marsimoto live ziemlichen Abriss. Und so nimmt er auch bei Marteria-Konzerten regelmäßig einen kleinen Slot ein. „Grünes Haus“ gehört da zum festen Repertoire – bei der Energie, die der Song mitbringt, erübrigt sich auch das Warum.
Marsimoto – Ich Tarzan, Du Jane
Zentrales Motiv in der Musik von Marsimoto ist natürlich das Kiffen. Kein Wunder also, dass der Rapper seiner „Mary Jane“, so ein Slangwort für Marihuana, einen intimen Song widmete. So grenzenlos und klaustrophobisch, wie „Ich Tarzan, Du Jane“ am Ende ausfiel, gleicht er beinahe selbst einem Rausch.
Marsimoto – Wellness
„Was ist denn mit der Realness? Wer malt heute noch den Zug? Alle nur noch Wellness”
Marsimoto hat sichtlich Probleme mit dem Erwachsenwerden und feiert lieber eine Szene-Party nach der anderen. „Wellness“ liest sich wie das außerirdische Pendant zu Marterias „Kids“ und ist Bestandteil eines halbstündigen Films, der parallel zu „Grüner Samt“ veröffentlicht wurde.
Marsimoto – Illegalize it
Was wäre, wenn jeder Bankangestellte am Kiosk Gras kaufen könnte und dich deine eigene Mutter auf einen Joint einlädt? Marsi zeichnete 2016 eine dystopische Zukunft, in der man sich das Verbot von Marihuana gleich wieder zurückwünscht. In diesem Sinne: „Illegalize It!“
Marsimoto – Zecken raus
Immer wieder nimmt Marsimoto auf seinen Tracks die Sichtweise von anderen Wesen ein, oftmals schlüpft er dafür in die Köpfe von Tieren. „Zecken raus“ wartet mit zahlreichen politischen Analogien auf und verbindet ironisch rechte Gesinnung mit Flora und Fauna. An dieser Stelle sei besonderes Augenmerk auf Philip Hillers wahnsinnig gutes Animationsvideo gelenkt.
Marsimoto – Flow
Manchmal ist Marsimotos Wahnsinn sehr schwer zu greifen, bestes Beispiel ist „Tijuana Flow“ von seinem „Ring der Nebelungen“. Auf einem hypnotischen Kid Simius-Instrumental dreht „Green Berlins Indiana Jones“ eine waghalsige Flowabfahrt nach der nächsten und zelebriert sein Faible für kreative Wortspiele.
Marsimoto feat. Walking Trett – Immer wenn ich high bin
Dass Marsi auch 2018 noch State of the Art ist, ohne sich an Sound-Trends anbiedern zu müssen, bewies kürzlich „Immer wenn ich high bin“. Der Vorbote auf sein fünftes Soloalbum „Verde“ kommt mit dem Kritikerliebling des letzten Jahres daher: Walking Trett aka Trettmann. Und dennoch klingt der Song schon jetzt unverwechselbar nach einem Marsimoto-Essential.
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