10 Metal- und Hardcore-Alben, die das 21. Jahrhundert geprägt haben
1. Deftones – White Pony (2000)
Rund um das neue Millennium führte an Nu Metal kein Weg vorbei. Ich will an dieser Stelle gar nicht so viel darüber reden – unangenehmes Thema, irgendwie. Eine der ungefähr drei Bands, die man aus dieser Zeit heute noch ohne Fremdscham hören kann, ist Deftones. Wobei das Nu-Metal-Label den Kaliforniern ja sowieso nie wirklich gerecht wurde – und spätestens mit ihrem dritten Album „White Pony“ wurde das auch allen klar. Diese auf ewig verführerische Mischung aus Alternative Metal, Shoegaze, Traurigkeit und Horniness verdient das Bundesverdienstkreuz (oder was man eben in den Staaten in solchen Situationen bekommt – einen Monat Krankenversicherung vielleicht); obendrauf ist „Change (In The House Of Flies)“ eine der großen Metal-/Rock-Hymnen dieses Jahrhunderts.
2. Converge – Jane Doe (2001)
Unter Converge-Ultras wird „Jane Doe“ ja oft nicht mal als das beste Album der Band gehandelt, es ist aber sicherlich das mit dem größten kulturellen Einfluss und Vermächtnis. Das Artwork hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer Art Tramp Stamp für Millennial White Dudes in Holzfällerhemden entwickelt, die Songs sind der Inbegriff von Math/Metalcore – Herzschmerz und Verzweiflung gegossen in musikalisches Chaos und augenscheinliche Feindseligkeit, eine sich desintegrierende Gefühlswelt übersetzt in rasende Songs. Knallt heute noch bei jeden Hördurchgang maximal.
3. ISIS – Oceanic (2002)
ISIS waren weder die erste bedeutende Post-Metal-Band (s. Neurosis oder Godflesh), noch waren sie die letzte (s. Amenra oder Cult Of Luna), doch vor allem ihr zweites Album „Oceanic“ gilt als einer der Meilensteine des Genres. Die Songs mäandern durch weitläufige Klanglandschaften aus Doom und Sludge, Hardcore, Post-Rock und Ambient und bauen sich zu wahren Monolithen auf. Mit Aaron Turner (SUMAC, Old Man Gloom) hört man hier außerdem einen der umtriebigsten und interessantesten Charaktere im experimentellen Metal.
4. Wolves In The Throne Room – Two Hunters (2007)
Wolves In The Throne Room sind sowas wie die Hippies der Black-Metal-Szene: verzaubert von den Bergen und Wäldern des Pazifischen Nordwestens, im ständigen Austausch mit der Natur um sie herum. Atmosphärisch und episch in Ton gegossen wird das in ihrem Cascadian Black Metal, der auf ihrem zweiten Ambient-lastigen Album „Two Hunters“ erstmals in voller Pracht erblüht. Für einige Black-Metal-Fans brachte die Band außerdem die überraschende Erkenntnis, dass das Genre nicht mit rechter Ästhetik oder Ideologie kokettieren muss – danke für, I guess.
5. Ghost – Opus Eponymous (2010)
Erinnert sich noch jemand an die Zeit, bevor Ghost opulenten AOR gemacht haben? Als die Band noch ein großes Mysterium war? 15 Jahre ist es mittlerweile her, dass Tobias Forge & Co. anonym ihr erstes Album „Opus Eponymous“ veröffentlicht und mit ihrem mysteriös-satanistischen Image für mächtig Aufsehen in der Metal-Szene gesorgt haben. Stimmt es, dass die Band ohne diese Inszenierung nie auch nur halb so groß geworden wäre? Vermutlich. Nichtsdestotrotz strotzt dieses Album vor Doom-rockigen Hits, die schon früh die Leidenschaft Forges für große Hooks und Hymnen verdeutlichten.
6. Deafheaven – Sunbather (2013)
2013 war das Jahr, in dem auch das Feuilleton den Begriff „Blackgaze“ lernte. Deafheavens zweites Album „Sunbather“ schlug in der Szene und im Mainstream hohe Wellen und wird von vielen als eins der besten Metal-Alben des jungen 21. Jahrhunderts angesehen. Das hat viele Gründe: die schiere klangliche und emotionale Wucht der Songs; das subversive Element dieses Albums mit dem sehr Metal-untypischen sonnigen Cover und einem Sound, der nicht nur Düsternis, sondern auch Ekstase und sowas wie Freude heraufbeschwört. So klang kein Album je zuvor, und auch kein Album seitdem jemals wieder.
7. G.L.O.S.S. – Demo 2015 (2015)
Vermutlich hat seit den Achtzigern kein Demo mehr die Hardcore-Szene so nachhaltig beeinflusst. Acht Minuten – mehr brauchten G.L.O.S.S. nicht, um die toxische Maskulinität des Genres zu zerlegen und neue Türen für Frauen und Queers zu öffnen, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Schon das Intro ist eine unmissverständliche Kampfansage: „They told us we were girls / How we talk, dress, look, and cry / They told us we were girls / So we claimed our female lives / Now they tell us we aren’t girls / Our femininity doesn’t fit / We’re fucking future girls / Living outside society’s shit“. Nach einer weiteren EP und nur zwei Jahren als Band lösten sich G.L.O.S.S. schon wieder auf, das Vermächtnis der transfeministischen Icons hallt jedoch bis heute in der Szene nach.
8. Dawn Ray’d – The Unlawful Assembly (2017)
Auf der Suche nach der wichtigsten RABM-Band landet man früher oder später immer bei Dawn Ray’d. Klar, schon etwa ein Jahrzehnt vor deren erstem Album legten Bands wie Iskra oder Book Of Sand die Grundmauern für diese Bewegung, die Briten holten anarchistischen, antifaschistischen Black Metal jedoch raus aus seiner kleinen Bubble und rein in den Metal-Mainstream. Die folkloristischen Songs von „The Unlawful Assembly“ sind Aufrufe zum Klassenkampf, zur Zerschlagung von Patriarchat, Kapitalismus und White Supremacy – und damit aktueller denn je. Let the fires burn as a signal!
9. Knocked Loose – A Different Shade Of Blue (2019)
Vor 2019 haben sich Knocked Loose noch wenig von anderen Metallic-Hardcore-Revival-Bands wie Code Orange oder Vein.fm abgehoben – mit „A Different Shade Of Blue“ begannen sie jedoch, an vielen ihrer Kolleg:innen vorbeizuziehen. Manchmal lässt sich ja schwer nachvollziehen, warum manche Bands durchstarten und andere nicht. Bei Knocked Loose liegt’s sicherlich an ihrer brutalen Kompromisslosigkeit und authentischen Vielseitigkeit. Mit „Mistakes Like Fractures“ hat sich auch schon sowas wie ein erster catchy Hit auf das Album verirrt – ist aber natürlich noch gar nichts im Vergleich dazu, was mit „You Won’t Go Before You’re Supposed To“ und „Suffocate“ folgen sollte.
10. Turnstile – Glow On (2021)
Seit nunmehr vier Jahren wird diskutiert, ob das, was Turnstile da machen, nun eigentlich noch Hardcore ist. Wen juckt’s? Neben Bands wie Knocked Loose und Spiritbox haben sie dafür gesorgt, dass härtere Gitarrenmusik endlich wieder etwas Mainstream-Relevanz hat. Was gern vergessen wird: Bereits Jahre vor „Glow On“ haben Turnstile einige hervorragende Hardcore-Alben veröffentlicht, die schon viel von den Ideen und dem Mindset ihrer jüngeren Karriere vorwegnehmen. Die große Zeitenwende, die kam jedoch mit der Innovation, Grenzen- und Furchtlosigkeit ihres Durchbruchsalbums aus 2021.
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