Album der Woche: Lily Allen – West End Girl
Lily Allen kennen viele bestimmt noch als Pop-Ikone der 00er Jahre. Songs wie „Fuck You“ oder „Not Fair“ gehören bis heute zu echten Pop-Klassikern und sind auf 2000er-Partys nicht wegzudenken. Fast 15 Jahre später ist nun am 24. Oktober mit „West End Girls“ ihr inzwischen fünftes Studioalbum erschienen – und das wird in der Presse bereits jetzt als eines ihrer ehrlichsten Werke überhaupt gehandelt. Grund dafür: Das Ehe-Aus mit Ex-Mann David Harbour, das Lily Allen auf insgesamt 14 Songs verarbeitet.
Lily Allen: Mehr als glattpolierter Schnulzen-Pop
Doch wer von „West End Girl“ einfach das „nächste poppige Trennungsalbum“ mit schnulzigen Balladen erwartet, wird überrascht – musikalisch wie inhaltlich. Auch wenn Lily Allen viele Songs, wie sie selbst sagt, „in character“ geschrieben hat, fühlt es sich an, als würde uns die Sängerin ihre verletzliche Seele offenbaren. So singt sie etwa in „Ruminating“ davon, wie sie das Grübeln innerlich zerreißt oder sie in „Tennis“ von der Affäre ihres Mannes, Madeline erfährt.
Besagte Madeline erhält auf „West End Girls“ außerdem einen eigenen Song, in dem Lily sie zur Rede stellt! Flamenco- und Western-Elemente sowie Schüsse im Hintergrund verleihen dem Song einen filmischen Charakter und so wirkt „Madeline“ schon fast wie eine Art Showdown zwischen den beiden Frauen. Doch das sind nicht die einzigen Genre-Einflüsse, die „West End Girl“ so abwechslungsreich machen.
„West End Girl“: Ehe-Aus in verschiedensten Genres
So erhält der Song „Ruminating“ etwa durch die stark verzerrte Auto-Tune-Stimme von Lily Allen, fast schon einen hyper-poppigen Charakter. Der Album-Opener „West End Girl“ wirkt durch die schwebenden Geigen und die nahezu gesprochenen Strophen eher an märchenhafte Musicals-Songs – nur dass es hier eben um Lily Allens echtes Leben geht und nicht um eine ausgedachte Geschichte. Der Titeltrack des Albums ist genauso besonders, da er ein fiktives Telefonat zwischen Lily und ihrem Ex-Mann zeigt, in dem sie eher widerwillig einer offenen Ehe zustimmt. Weitere Highlights sind außerdem „Nonmonogamummy“, das wohlgemerkt einzige Feature des Albums mit Specialist Moss, sowie der inhaltlich wie klanglich gegensätzliche Track „Pussy Palace“ – ein zart schimmernder Pop-Track, in dem Lily Allen ihrem Ex-Mann vorwirft, sexsüchtig zu sein.
Knappe 45 Minuten Zeit nimmt sich die britische Singer-Songwriterin am Ende also, um auf „West End Girl“ das Ehe-Aus in ihrer abwechslungsreichen Soundwelt zu verarbeiten – und so schmerzlich diese Erfahrung auch war: Lily Allen geht aus dieser Phase ihres Lebens hörbar stärker heraus, als je zuvor. Und dass während dieses Prozesses außerdem ganze 14 neue Songs für uns bei herumgekommen sind, ist natürlich eine nette Ergänzung.
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