Album der Woche: Luvre47 – Depression mit Meerblick
„Probleme zu entscheiden, worauf ich mein Schwerpunkt leg. Käpf mich durch ein Doppelleben. Wartet ab ihr werdet sehen“, rappt Luvre47 in „Fundament“, dem letzten Track seines neuen Albums „Depression mit Meerblick“. Und eigentlich fasst es das ganz gut zusammen, denn: Genau darum gehts. Um Gegensätze. Das Leben am Block trifft auf Luxushotel mit Zimmerservice am Strand. Dealen trifft auf erfolgreiche Rapkarriere. Schlagende Beats auf seichte musikalische Elemente. Depressionen auf Meerblick!
Luvre47 gefangen zwischen Bordstein und Skyline
Es ist jetzt nichts neues, das Luvre47 in seinen Tracks über Drogenhandel und -konsum spricht. Die einen würden sagen „Straftat und Verherrlichung“. Die anderen – und damit wahrscheinlich die Lebensnäheren – „bittere Realität“. Doch dabei bleibt es in diesem Album nicht, denn Luvre ist eben nicht mehr „nur“ der Rapper vom Block. Er ist oben angekommen und das scheint ihn in eine Zwischenwelt zu versetzen. Weder ganz das eine, noch ganz das andere. Plötzlich findet er sich in Szenarien, wo er mit frischer Ware im Auto durch die Gegend fährt, während sein eigener Track im Radio läuft: „Ist schon komisch wie das Leben spielt“!
Die Melodie des Meeres und der Depression
Nicht nur lyrisch versteht Luvre47 diese Ambivalenz einzufangen. Vor allem auf Soundebene spiegelt sie sich wieder. Schlagende Beats – wie wir sie von ihm schon aus früheren Release gewohnt sind – treffen auf extravagante Soundbilder, die mit verschiedenen Elementen spielen. Sanfte Streicher, gefühlvolles Klaviergeklimper, abgefahrene Synths und an entscheidenden Stellen auch einfach mal Ruhe. Auffällig ist auch, dass fast die gesamte Platte mit analogen Drums begleitet wird, die nicht nur zum Kopfnicken einladen, sondern dem Storytelling ein Gefühl von Wärme geben, welches man oft auf zeitgenössischen Trap-Beats vermisst. 808s zum „MONEYDANCE“ dürfen zwischendurch aber natürlich auch nicht fehlen. Luvre gelingt es in „Depression mit Meerblick“ ein musikalisches Bild zu zeichnen, das seinen Rap an den richtigen Stellen unterstützt anstatt zu überlagern und die Emotionen des jeweiligen Tracks auf den Punkt transportieren.
Eine Atempause mit Meerblick
Mit dem Titeltrack „Depression mit Meerblick“ gibt der Berliner etwas nach der Hälfte des Albums – das insgesamt 14 Songs umfasst – so etwas wie eine kurze Atempause. „Zwischen: wie soll alles Enden? Und: vielleicht ist noch mehr drinnen“, singt er sanft über – „Uh huhhhhh“ – Background Gesang und sanftes Meeresrauschen. Der Track klingt genau nach dem, was der Titel verspricht. Man sieht Luvre quasi vorm inneren Auge auf einem Balkon mit Blick aufs Meer sitzen, das Rauschen der Wellen im Hintergrund, den Blick auf den blauen Horizont gerichtet. Und dabei seinen zwiegespaltenen, verzweifelten Gedanken nachhängen. Dann leitet ein Saxophon-Solo über und es geht weiter im „Wendekreis“.
Depression mit Meerblick
Was ist „Depression mit Meerblick“ also? Germanisten würden das Album vielleicht hochgestochen und analytisch als Paradoxon bezeichnen. Oder als Antithese. Denn was Beruhigendes wie ein Meerblick – quasi der Natur gewordene Inbegriff von Schönheit und (innerer) Ruhe – mit Depressionen, also tiefgreifendem Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Unsicherheit, zusammenzubringen, scheint eine gewagte These. Zumindest für alle, die ein bisschen kurz denken. Denn, dass es sich dabei um eiskalte Realität handelt, hat Luvre47 definitiv unter Beweis gestellt. „Depression mit Meerblick“ ist sein bislang stärkstes Album, das ganz klar macht: Luvre47 weiß was er hier tut und er tut es verdammt gut!

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