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Bundestagswahl 2025: Wo ist die Pop-Kultur in der Politik?

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In wenigen Tagen ist es soweit: die Bundestagswahl steht an. Auf Wahlplakaten, Social Media und in den Wahlprogrammen der sieben Bundestags-Anwärter liest man vor allem die Stichworte Sicherheit, Migration und Klima. Als Magazin für Musik und Popkultur interessiert uns natürlich aber brennend, was die Parteien eigentlich über diese Themen zu sagen haben.  

Wie auch schon in der Vergangenheit ist (Musik-)Kultur auch in diesem Jahr leider kein Main Character unter den Forderungen der Parteien. Auch im Wahl-O-Mat taucht Kulturpolitik nicht auf. Kein Wunder, sagen jetzt vielleicht einige Stimmen. Schließlich liegt Kultur nach wie vor weitgehend in den Händen von Ländern und Kommunen. Auch finanziell: So macht Kultur gerade mal 0,4 Prozent des Bundeshaushaltes aus. 

Doch spätestens seit der Corona-Pandemie sollte allen schmerzlich bewusst sein, dass Kultur eben genau so zu einer lebenswerten Realität dazu gehört wie gute Bildung und bezahlbare Mieten. Was sagen Parteien zum Beispiel zur Verdrängung von kulturellen Begegnungsorten, die in vielen Großstädten mittlerweile zum Alltag gehört oder zu den niedrigen Abgaben, die Streaminganbieter an Musiker:innen zahlen? Was ist für die Parteien überhaupt Kultur und wie wollen sie Musiker:innen absichern? Wir haben die Wahlprogramme von SPD, Die Grünen, CDU, FDP, Die Linke, BSW und AfD dem Musik-und (Pop-)Kulturcheck unterzogen. 

Was heißt denn überhaupt Kultur?

Der Begriff „Kultur“ fällt im politischen Diskurs überraschend oft, selbst wenn es dabei meistens nicht um Beschlüsse oder Förderung von Kultur geht. Von Leitkultur oder Multikulturalisierung ist da die Rede, von Hochkultur oder Soziokultur. So unterschiedlich wie die Forderungen der Parteien sind auch ihre Kulturbegriffe.

Die Grünen beispielsweise definieren Kultur als einen unverzichtbaren Teil des demokratischen Zusammenlebens. Dieser soll die Vielfältigkeit des Landes widerspiegeln und vor anti-demokratischen und ideologischen Bewegungen geschützt werden. Außerdem wollen sie Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern. Die SPD setzt sich für ein breites Verständnis von Kultur ein, dass auch Pop-, Sozio- und Subkultur mit einbezieht. Die FDP setzt sich ebenfalls für einen weiten Kulturbegriff ein, der nicht zwischen sogenannter Hoch- und Unterhaltungskultur unterscheidet. Außerdem betonen sie die Wichtigkeit des kulturellen Sektors als Wirtschaftszweig und wollen Kultur im Grundgesetz verankern. Auch das BSW will Kultur und kulturelle Teilhabe zur Pflichtaufgabe des Staates machen.

Bei der CDU fällt dann der Begriff der sogenannten „Leitkultur“. Diese Kultur setze sich zusammen aus Traditionen, religiöser Vielfalt, Literatur, Kunst und Musik. Ein Reichtum, der laut CDU geschützt werden müsse. Eine ganz ähnliche Auffassung von Kultur teilt auch die AfD. Gerade der Begriff „deutsche Leitkultur“ wird aber nochmal stärker ideologisch aufgeladen – man sieht ihn sie als vermeintliche Alternative zu einem angeblich vorherrschenden Musltikulturalismus. Die durchaus rassistische These der AfD: „Multi-Kultur ist Nicht-Kultur. Sie löst die Gemeinschaft auf und befördert die Entstehung von Parallelgesellschaften.“ Radikal anders positioniert sich dort die Linke. Für sie soll Kultur in erster Linie für alle zugänglich sein und nicht rein profitorientierten Logiken folgen. 

Clubsterben

Wer einen Blick in Großstädte wie Leipzig, Hamburg oder Berlin wirft, den erwartet dort seit geraumer Zeit ein trauriger Anblick. Aus Clubs werden Büroräume gemacht, Partykollektiven werden die Räumlichkeiten gekündigt und Kunst- und Kulturhäuser werden rausgeschmissen, weil auf dem Gelände ein Hotel entstehen soll (R.I.P. Tacheles). 

Zur großen Überraschung scheinen diese Umstände auch an der CDU nicht vorbeigegangen zu sein, die in Berlin erst kürzlich mit großen Kürzungen in der Kulturförderung auch die Clubszene beschnitten. In ihrem Wahlprogramm plädiert die CDU jedoch, Clubs als Orte der Kultur anzuerkennen, um ihre gesellschaftliche Bedeutung zu unterstreichen. Ein wenig konkreter wird es bei den Grünen. Die wollen nämlich Schallschutzmaßnahmen fördern, vermutlich um Clubs und Musikeinrichtungen als potenzielle Mieter:innen attraktiver zu machen. Wirklich spannend wird es beim Thema „Clubsterben“ aber bei der SPD. Um der Verdrängung von soziokulturellen, nicht-staatlichen Orten wie Clubs oder anderen Einrichtungen entgegenzuwirken, wollen sie sogenannte „Kulturschutzgebiete“ im Baugesetz verankern. Auch die Linke setzt hier an: Sie fordert Schutz vor Profitorientierung und finanzielle Unterstützung für Proberäume, Ateliers und Produktionsstätten. 

Urheberrecht, Vergütung & KI

War der Beruf der Musiker:in nicht schon immer von prekären Arbeitsbedingungen geprägt, scheinen diese im Zeitalter von Streamingdiensten und KI für viele Musiker:innen omnipräsent. Die Sorge, mittelfristig durch KI ersetzt zu werden oder das Urheberrecht an der eigenen Arbeit zu verlieren, spielt genau so eine Rolle wie die niedrigen finanziellen Abgaben von Spotify und Co. an Musiker:innen. 

Die Grünen fordern mehr Transparenz beim Einsatz von KI im Kulturbereich und wollen klare Vergütungsansprüche festlegen, wenn urheberrechtlich relevante Inhalte durch eine KI genutzt werden. Außerdem wollen sie eine faire Verteilung von Streaming- und Ticketeinnahmen erreichen. Die SPD will sich ebenfalls für faire Vergütungsmodelle auf dem digitalen Musikmarkt einsetzen und dafür sorgen, dass KI-Inhalte klar als solche erkennbar sind. Das Verhältnis von Künstlicher Intelligenz und menschlicher Kreation soll auf Augenhöhe passieren – was auch immer das bedeutet, denn gleichzeitig wollen sie das Potenzial von technologischen Entwicklungen wie Künstlicher Intelligenz gezielt unterstützen. Die FDP bleibt an dieser Stelle ungewohnt wortkarg und will sich lediglich für ein hohes Schutzniveau beim Urheberrecht einsetzen.

Förderung von Musiker:innen & Kulturschaffenden

Ein besonders großes Thema ist natürlich die Frage nach Förderung von Musik und Kultur. Bundesweite Förder-Programme wie die Initiative Musik sorgen dafür, dass gerade kleine und weniger kommerzielle Musiker:innen genug Geld haben, um überhaupt Vollzeit Musik machen zu können.

Dabei teilen sich die Parteien vor allem in zwei Gruppen. Auf der einen Seite steht die Betonung der wirtschaftlichen Vorteile der Kulturszene, auf der anderen Seite die Hervorhebung der Förderungswürdigkeit von Kultur an sich. Zweiteres soll, wenn es nach den Grünen geht, durch einen Ausbau der Bundeskulturfonds passieren. Ironisch irgendwie, wo doch Claudia Roth in ihrem Amt als Kultur-Ministerin für das Jahr 2025 rund die Hälfte dieser Gelder kürzte. Die Grünen verweisen aber auch auf die Wichtigkeit von Vergünstigungsangeboten wie dem Kulturpass und der Förderung von Festivals.

Die SPD setzt auf Anreize durch Steuerbegünstigungen von Kulturschaffenden und will Kultur insbesondere für jüngere Zielgruppen vielfältiger gestalten. Die FDP will Kultur nutzen, um deutsche und europäische Werte in andere Länder zu tragen und spricht sich in ihrem Wahlprogramm deshalb lediglich für eine Förderung des Goethe-Instituts aus. Recht kurz fasst sich die CDU zum Thema Förderung. Ähnlich wie FDP und SPD betonen sie vor allem den wirtschaftlichen Faktor von Kultur und vollen deshalb die Industriezweige der einzelnen Kultursparten fördern. Die Linke spricht sich für eine Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern aus und fordert verbindliche Basis-Honorare für Kulturschaffende. 

Anders als in ihrer extrem-politisierten Vorstellung einer „deutschen Leitkultur“ will die AFD eine entpolitisiere Kulturförderung. Das heißt: Es soll keine staatlichen Vorgaben für geförderte Inhalte geben. Vermutlich ist das ein Versuch, jegliche Förderungen zu beschneiden, die nicht in das Weltbild der Partei passen. Auch das BSW fordert eine ähnliche Vorgabe zur Vergabe von Fördergeldern, beschreibt diese aber als „Freiheit von politischen Bekenntnissen“. Des Weiteren fordert das BSW nicht weiter definierte Schutzinstrumente zur Erhaltung von staatlichen, privaten und freien Kunst- und Kulturorten. 

Ein Hoch auf die Künstlersozialkasse

Zumindest auf eine Sache können sich fast alle Parteien einigen: die Künstlersozialkasse (KSK). Diese sorgt dafür, das selbstständige Künstler:innen, Musiker:innen und Publizist:innen renten-, pflege- und krankenversichert werden. Nur leider gibt es auch immer wieder Probleme mit der KSK, so droht Künstler:innen beispielsweise eine Beendigung des Versicherungsverhältnis, wenn diese nicht-künstlerischen Erwerbstätigkeiten nachgehen. Für alle Parteien, bis auf FDP und CDU, die die KSK nicht explizit in ihrem Wahlprogramm erwähnen, steht fest, dass diese erhalten werden soll. 

Spannend wird es bei der SPD und den Grünen: die wollen die KSK nicht nur erhalten, sondern zusätzlich ausbauen und besser den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Versicherten anpassen. Darüber hinaus wollen sie sich für eine bessere Bezahlung von Künstler:innen einsetzten, wenn auch nicht ganz klar wird, wie. Die Linke fordert außerdem einen höheren Bundeszuschuss und einen vereinfachten Zugang für andere Berufsgruppen zur KSK. Das BSW betont außerdem, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen von freischaffenden Künstler:innen nach wie vor zu wenig berücksichtigt werden.

Und jetzt?

Auch wenn es unter den sieben Bundestagsanwärtern keine Partei gibt, die sich Musik und Kultur zum Steckenpferd macht, sind doch deutliche Unterschiede in ihrer Wertschätzung zu erkennen. Gerade jene Parteien denen die Förderung und der Erhalt von jeglichen Kulturformen nicht von Interesse ist und die diese als „Leitkultur“ instrumentalisieren ist zu misstrauen. Genau wie denjenigen Parteien, die Kultur lediglich nach ihrer wirtschaftlichen Erträglichkeit bewerten. Kultur gilt es zu schützen, zu bewahren und möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen – egal um welchen Preis. 

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