Ein Jahr, ein Song: 2014, Antilopen Gang und „Beate Zschäpe hört U2“
Fernab von jeglichen globalen Krisen richtet sich der Blick der meisten Deutschen im Sommer 2014 voll und ganz auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Im Finale schafft es die deutsche Nationalmannschaft in der Verlängerung das entscheidende Tor gegen Argentinien zu schießen und somit den Weltmeistertitel zu holen. Der Party-Patriotismus nimmt dabei auf den deutschen Fanmeilen Formen an, die teilweise eher an rechte Demonstrationen erinnern, als an feiernde Fußballfans. So werden Parolen skandiert wie „Die Nummer eins der Welt sind wir!“ und auch die erste Strophe des Deutschlandliedes ist hier und da wieder zu hören, ohne dass sich jemand dem entgegen stellt. Nun könnte man das als harmlosen Teil des Fußballguckens abtun, und gewiss hat die Mehrheit der Fußballfans nichts mit rechtem Gedankenngut zu tun – doch wenn nur wenige Monate später Woche für Woche abertausende Menschen mit Deutschlandfahnen durch Dresden ziehen, um gegen eine angebliche „Islamisierung des Abendlandes“ zu demonstrieren, hinterlassen diese Erinnerungen an die Fußball-WM einen faden Beigeschmack. Ab Oktober 2014 gibt sich Pegida friedlich und betont mit Rechtsextremismus nichts zu tun zu haben, duldet allerdings sowohl auf ihren Demonstrationen, als auch in der Führungsetage Rechtsextremisten – von AfD über NPD bis hin zu Nazi-Hooligans. Bereits nach wenigen Monaten stehen bis zu 25.000 Menschen auf der Straße und es entsteht eine öffentliche Debatte über Patriotismus, Migration und Geflüchtete. Hier setzt die Antilopen Gang mit „Beate Zschäpe hört U2“ an und manifestiert bereits viele Dinge, die sich in der Zukunft bewahrheiten sollten.
Antilopen Gang – Beate Zschäpe hört U2
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Die Antilopen Gang existiert seit 2009 und besteht zunächst aus den Rappern Koljah, Danger Dan, Panik Panzer und NMZS, bis sich letzterer im Jahr 2013 nach langem Kampf gegen Depressionen das Leben nimmt und die Band in eine Krise stürzt. NMZS gewidmet, veröffentlicht die Antilopen Gang im November 2014 ihr Debütalbum „Aversion“ über das Label der Toten Hosen „JKP“. Es erreicht Platz 41 der Charts, besondere Aufmerksamkeit erzeugt vor allem aber die Single-Auskopplung „Beate Zschäpe hört U2“. Beate Zschäpe gehört zum engen Kern des NSU-Terrornetzwerks, bei der Durchsuchung ihrer Wohnung wurden unter anderem Platten der irischen Rockband U2 gefunden. Der Antilopen-Song beschreibt das Widererstarken des Rechtsextremismus im alltäglichen Deutschland und trifft bereits 2014 die passende Analyse, dass aus Stammtischparolen in beängstigend kurzer Zeit Mordanschläge werden können. Denn nach unzähligen Anschlägen auf Asylbewerber und deren Unterkünfte in den letzten Jahren, zeigen vor allem die jüngsten Attentate aus Halle und Hanau, wie hoch der Wahrheitsgehalt der Antilopan Gang im Jahr 2014 bereits ist: „Denn heute dreschen sie noch Stammtischparolen, doch morgen haben sie Sprengstoff und scharfe Pistolen“. Besonderes Aufsehen erregte der Song außerdem durch eine Klage von Ken Jebsen. Der Kopf hinter dem YouTube-Kanal „KenFM“, auf dem er teils antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet, mahnt die Band kurz nach Veröffentlichung der Single wegen einer Textzeile gegen ihn ab. Im Song heißt es: „Zu Verschwörungstheorien gehören Vernichtungsfantasien, sie können sagen was sie wollen sie sind schlicht Antisemiten. All die Pseudogesellschaftskritiker, die Elsässer, KenFM-Weltverbesserer.“ Die Band selbst reagiert belustigt auf die Abmahnung und auch das Landgericht Köln teilt mit, dass aufgrund der in der Vergangenheit getätigten Aussagen des Antragsstellers und der Kunstfreiheit, Jebsen keinen Anspruch auf eine Einstweilige Verfügung gegen die Band habe.

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