Ein moderner Rap-Klassiker: „Days before Rodeo“ von Travis Scott endlich auf den Streaming-Plattformen
2014. Es ist Sommer. Die ganze Welt hat wahlweise einen Ohrwurm von Pharrell Williams’ „Happy“ oder echauffiert sich über die verruchte „Anaconda“ von Nicki Minaj. Parallel kocht ein aufstrebender Rapper in Houston den Sound, der die folgenden Jahre bestimmen und ihn zu einem der erfolgreichsten Musiker überhaupt machen sollte.
Travis Scott ist damals schon kein unbeschriebenes Blatt mehr. Ein Jahr zuvor hat der 23-jährige sein erstes Tape „Owl Pharaoh“ veröffentlicht und sich auf den Radar von Szene-Kenner:innen gebracht. Im August 2014 erscheint dann der Nachfolger „Days before Rodeo“, das gleichzeitig als Prequel für Travis Scotts Debütalbum „Rodeo“ fungiert. Heute gilt das Projekt als moderner Trap-Klassiker, der den Weg für seine späteren Erfolge geebnet hat. Am Sonntag hat „Days before Rodeo“ seinen zehnten Geburtstag gefeiert – und zu diesem Anlass seinen Weg endlich auf die Streaming-Dienste geschafft.
Trap auf Acid
Als Travis Scott in den frühen 2010ern beginnt, Musik zu veröffentlichen, ist er stark beeinflusst von seinen großen Idolen Kanye West und Kid Cudi. Beide hinterlassen einen Abdruck in seiner Musik, den man bis heute spürt. Trotzdem begibt sich der Newcomer schnell auf Augenhöhe mit seinen Vorbildern und erfindet nebenbei einen Sound, den in der folgenden Dekade viele nachahmen werden. Trap-Rap ist damals noch in seinen Kinderschuhen, trotzdem denkt Travis Scott diesen Trend schon einen Schritt weiter und ergänzt ihn um eine Makrodosis Psychedelica.
Davon kündet schon die damals erste Single „Don’t Play“ mit ihrem unheilvollen Barock-Cemballo, auf der neben Travis’ Rap-Kollege Big Sean auch The 1975-Sänger Matty Healy zu hören ist. Darauf folgt der sumpfige Trap-Fiebertraum „Mamacita“, Houston trifft Atlanta in Form von einem Feature mit Young Thug und Rich Homie Quan. Sogar die damals schon sehr viel erfolgreichere Rap-Gruppe Migos gibt sich auf dem Song „Sloppy Toppy“ die Ehre, als hätten sie geahnt: Aus dem wird noch was. Zum Fan-Favorit avanciert schnell der Song „Drugs You Should Try It“, die wohl direkteste Liebeserklärung an besondere Bewusstseinszustände und die Substanzen, die sie hervorrufen. „I tried it, it feels nice“, raunt Travis Scott über atmosphärische Indie-Gitarren – ein Sound-Gerüst, das auch zehn Jahre später noch stabil steht und weiterhin modern klingt.
Pionier-Arbeit, die sich lohnt
„Days before Rodeo“ wird ein sofortiger Erfolg und ebnet den Weg für Travis Scotts weitere Karriere. Der Rapper wird von seinem Idol Kanye West unter die Fittiche genommen, ein fruchtbarer Austausch, der trotz der aktuellen Abwärtsspirale von Ye bis heute anhält. Nach den „Days before Rodeo“ kommt dann natürlich 2015 der eigentliche Ritt: „Rodeo“ – Travis Scotts Debütalbum und endgültiger Durchbruch. Die Idee von Appetizer und Hauptgang geht so gut auf, dass sie bis heute adaptiert wird – siehe zuletzt „Tage vor 2000“, die Vorab-EP zu Pashanims Debütalbum „2000“.
Re-Release mit neuem Material
Trotz seiner großen Beliebtheit erscheint „Days before Rodeo“ damals weder physisch noch auf den Streamingplattformen, sondern nur als digitaler Download. Ein Umstand der auf die vielen, teils ungeklärten Samples zurückzuführen sein dürfte, den Metro Boomin, Mike Dean und Co. damals in den Beats verbauen.
Zehn Jahre später ist Travis Scott einer der erfolgreichsten Rapper der Welt und verfügt damit über entsprechende Möglichkeiten, die nötigen Zahnräder in Bewegung zu bringen. Zum Jubiläum beschenkt er seine Fans mit einem Re-Release, der „Days before Rodeo“ endlich in Travis’ Streaming-Katalog ergänzt. Besonders motivierte Fans finden auf der Website des Rappers übrigens sogar eine Deluxe-Version mit drei zusätzlichen, bisher unbekannten Songs. In diesem Sinne: Happy Birthday, „Days Before Rodeo“, wir haben dich vermisst.

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