„Wir wollen Dinge ermöglichen, die wir uns erkämpfen mussten“: Kelvyn Colt und Serious Klein über ihre Mentoren-Rolle bei der Dr. Martens Initiative „Tough As You“
Die Macher:innen der wohl berühmtesten Boots der Welt wollen mit „Tough As You“ junge Musiker:innen konstruktiv unterstützen. Dafür stellen sie ihnen Mentoren an die Seite. In Deutschland sind die beiden Musiker Kelvyn Colt und Serious Klein für Dr. Martens am Start. Eine gute Wahl, wie wir finden. Denn die beiden sind nicht nur extrem charismatisch – sie haben auch ihre Karriere sehr unabhängig und international aufgestellt. Wir sprachen mit Kelvyn Colt und Serious Klein über harte Entscheidungen in ihrer Karriere, weiße Privilegien, selbstbestimmtes Arbeiten und wie sie ihre Mentoren-Rolle nutzen wollen, um jungen Kreativen neue Chancen zu eröffnen.
Werbung: Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Dr. Martens entstanden. Den zweiten Teil des Interviews könnt ihr hier lesen.
Lasst uns zuerst ein wenig über eure Karrieren sprechen, die meiner Meinung nach ja durchaus Parallelen haben. Ihr blickt beide über die Deutschrap-Bubble hinaus, rappt auf Englisch, fahrt einen eher international produzierten Sound und seid sehr independent aufgestellt, obwohl die großen Labels sicher schon mal laut angeklopft haben. Kurz gesagt: Ihr scheint euren eigenen Weg zu gehen. Im Rahmen der TAY-Initiative übernehmt ihr bereits seit Juli 2021 eine Mentoren-Rolle für junge Artists, deshalb erst einmal ganz allgemein gefragt: Gibt es eine besondere Erkenntnis aus euren ersten Jahren in der Musikbranche, die ihr jungen Acts mit auf den Weg geben könnt?
Kelvyn Colt (KC): Vielleicht diese: Vergiss niemals, dass jeder im Game seine eigene Agenda hat. Das heißt nicht, dass dich alle über den Tisch ziehen wollen. Aber jeder hat seine Gründe, in diese Industrie reinzugehen und einer davon ist in den meisten Fällen, Geld zu verdienen. Auch wenn sie dir immer so selbstlos sagen: „Du hast Talent, ich will dir helfen.“ If they wanna do charity, they work for charity, if they want to do business, they do business – so never forget that. Man sollte sich also immer erst auf die eigene Kunst konzentrieren. Ohne die geht bei denen eben auch nix. Das vergisst man schnell, wenn man zu viele von diesen Business-Gesprächen führt. Ich habe erst gestern noch eine Doku über Patti Smith gesehen, die mich sehr beeindruckt hat. Darin ging es darum, dass sie erst wochenlang in New Yorker Clubs gespielt hat, um sich eine Fanbase aufzubauen. Wegen dieser hippen Fanbase wollten dann die großen Labels mit ihr arbeiten. Bei mir war es ein wenig ähnlich: Gerade am Anfang habe ich überall gespielt, wo ich die Chance dazu hatte. Völlig egal, ob das jetzt ein Influencer-Ding, eine Hausparty oder ein offizieller Gig war. Einige Leute rümpften dabei die Nase und lästerten: „Der spielt doch überall!“ Und ich meinte dann nur so: „Klar, Bro! Wenn ich die Chance habe, meine Musik an den Mann zu bringen, dann nutze ich sie!“ This is the way. Du als Musikfan weißt das: Wenn dich jemand live abholt, holt er dich ganz anders ab als auf Platte. Das ist es, was ich und viele Künstler:innen gerade vergessen, weil das wegen Corona nicht so möglich ist. Es sollte bei Musik eben nicht darum gehen, wer auf Instagram am geilsten aussieht. If you’re lit, you’re lit, and if your art is great people want to buy your music and support you.
Serious Klein (SK): Mein Rat wäre: Lass‘ dich nicht so schnell beeindrucken! Als wir die ersten Tracks rausbrachten, kamen ständig Typen aus der Musikindustrie und haben dir sonst was versprochen. Ich habe dann schnell gemerkt, dass man diesem Gerede in den meisten Fällen nicht trauen kann. Du redest dann nämlich meistens nicht mit dem Boss eines großen Labels, sondern mit einem Junior A & R, der sich erst noch beweisen muss. Und während er dir das Gefühl vermittelt, er arbeite an einem guten Deal für dich und hätte schon alles geklärt, muss er erstmal deine Musik bei seinen Chefs pitchen. Und dann hörst du wochenlang nichts. Das waren so Situationen, wo ich dann eine gewisse Härte entwickeln musste, um mich und mein Team zu schützen. Und wenn du ein gutes Team hast, merkst du schnell, dass du diese Labeltypen vielleicht gar nicht so in dem Maße brauchst, wie du immer dachtest. So war es zumindest bei mir. Mit Menschen zu arbeiten, die dich inspirieren, die deine Vision teilen, die ein ähnliches Mindset und die Leidenschaft haben, mit dir über Jahre diesen Weg zu gehen – das ist das größte Geschenk in diesem Game.
Man sieht einen Teil dieser Leute auch in deinem Video zu „Little Capo“, oder?
Ja, genau. Ich glaube, man merkt es dem Video auch an, dass wir Familie sind. Und an dem Tag unseren Spaß hatten.
Ich finde es super, dass Dr. Martens bei „Tough As You“ mit Mentoren wie euch arbeiten. So lernt man als junger Mensch meiner Meinung nach am besten. Als ich im Journalismus startete und noch nicht wusste, wie das alles geht und ob ich das alles kann, waren einige Menschen sehr wichtig für mich, die ich durchaus Mentoren nennen würde. Hattet ihr Mentoren in eurem Leben?
SK: Ja, meinen Mentor kannst du sogar im „Da Capo“-Clip sehen. Ich bin ohne Vater aufgewachsen und er war für mich so etwas wie ein großer Bruder und Vaterersatz zugleich. Manchmal verarschen wir uns gegenseitig und ich sage ihm, dass ich quasi er sei, weil er mir alles beigebracht hat. Weißt du, er war der beste Rapper in meiner Gegend. Er hatte Labelangebote aus Amerika und sonst wo her und hat die alle abgelehnt, weil er sein Ding in seinem Tempo machen wollte. Ich war als junger Rapper eher so drauf, dass ich wirklich jeden Song, kaum war er fertig, droppen wollte. Und er sagte mir immer: „Sei geduldig. Hör ihn noch mal in Ruhe, ob er wirklich gut ist oder besser sein könnte. Denke nicht an den Moment, sondern an deine Zukunft. Der Einzige, den du mit deiner Musik beeindrucken musst, bist du.“ Für diese Erkenntnis bin ich ihm sehr dankbar.
KC: Die Einzige, die ich vielleicht als Mentorin bezeichnen würde, kommt nicht aus der Musikindustrie. Ich war ja damals eine Weile in London. Eigentlich wollte ich Jura studieren, ich hatte sogar ein Stipendium, habe das aber nach ein paar Wochen geschmissen. Ich bin trotzdem in London geblieben, um zu lernen, wie man Entrepreneur werden kann und wie die Digitalbranche dort funktioniert. Da gab es eine Anwältin, die mich gefördert und mir viel beigebracht hat. Margot heißt sie. Sie ist eine sehr einflussreiche Frau in der Black Community und war eine der ersten Frauen, die Vorstandsmitglied in einer großen britischen Firma wurde. Durch sie habe ich viel über Wirtschaft und Business Culture gelernt – und darüber, was es heißt ein schwarzer Mensch in einer überwiegend weißen Business-Welt zu sein. Shoutout to Margot also an dieser Stelle. Aber danach, als es vor allem um Musik ging, fallen mir keine Mentoren ein. Ich habe in den letzten Monaten viel darüber nachgedacht, seitdem ich bei „Tough As You“ mitmache, und kam eher zu dem Schluss: Ich hätte gerne einen Mentor gehabt. Du hast es am Anfang schon gesagt: Wir gehen unseren eigenen Weg. Wenn man sich meine und Serious‘ Karriere anschaut, machen wir etwas, was es auf dem Level aus Deutschland heraus noch nicht gab. Wir mussten also Schritt für Schritt unseren eigenen Pfad finden, weil ihn einfach noch niemand gegangen ist. Aber das macht es für mich umso wichtiger, nun ein Mentor für andere sein zu können. Damit sie ein paar Fehler, die wir gemacht haben, auslassen können und früher einen Überblick haben, wie das Alles für sie am besten funktioniert.
Ihr habt selbst großen Einfluss darauf, mit wem ihr wie zusammenarbeiten werdet bei „Tough As You“. Habt ihr so etwas wie eine Agenda?
KC: Lustigerweise wollte ich so was schon lange machen und hatte auch vor einigen Jahren diverse Gespräche mit anderen Marken. Die hatten dann alle ein wenig Schiss, weil sie dachten, dass ihnen das zu politisch wird. Weil ich nämlich klar gesagt habe, dass ich vor allem die Black Community damit supporten möchte – junge Acts, toughe Künstler:innen. Ich meinte zu ihnen dann: „Warum ist es euch zu politisch, Leute zu unterstützen, die Unterstützung brauchen?“ Mit der „Tough As You“-Initiative möchte ich vor allem meiner Community und deren Kultur etwas zurückgeben: Leidenschaft, Wissen, Kontakte – aber auch ganz konkret Studio-Räume und Auftrittsmöglichkeiten. In der Black Community gab es hierzulande manchmal so eine interne Konkurrenz. Nach dem Motto: „Nimm mir nicht meinen Spot weg!“ Das kommt daher, dass wir nie so einen privilegierten Zugang hatten, wie viele andere. Das triggert Unsicherheiten und Konkurrenzdrang. Ich hoffe also, dass es generell immer mehr zu einem gemeinsamen Bemühen kommt, voranzukommen. Dass wir eine Plattform aufbauen, wo Leute wie Serious und ich ihre Erfahrungen teilen. Wo wir Business-Leute, Kreative und Künstler:innen aus einer bestimmten demografischen Gruppe zusammenbringen und uns besser vernetzen. Das gibt es in Deutschland leider viel zu selten, finde ich. In der türkischen Community sehe ich das zwar öfter, aber sonst eher nicht. Außerdem möchte ich bei „Tough As You“, dass jeder junge Act, mit dem wir arbeiten, danach weiß, dass er kein Label braucht, dass er das Ding nach seinen Bedingungen aufziehen kann und dass er das Wissen hat, wie man das macht. Because knowledge is a weapon and if people are trying to fuck you over you can fight back because you know how … und das macht dich tough.
SK: Gerade mit Blick auf meinen Werdegang will ich den Acts, mit denen wir arbeiten, vor allem die Möglichkeiten, Chancen und Plattformen geben, die ich nie hatte oder mir erkämpfen musste. Das Projekt mit Dr. Martens zu machen, ist für mich die perfekte Gelegenheit dafür. Ich habe das Gefühl, die Brand will mir wirklich helfen, meine Vision zu verwirklichen. Und wir wollen vor allem Female Acts fördern. Wir beide mussten uns als schwarze Rapper unseren Platz erkämpfen, waren weniger privilegiert als Andere – aber wenn es um das Thema Sexismus geht, bin ich wiederum der Privilegierte. Das mag weird klingen, aber so ist es nun mal: Die Welt wird immer noch von Männern beherrscht. Wenn es also um Sexismus geht und um all den Scheiß, den Frauen durchleben müssen, dann muss ich bereit sein, mein Privileg und meine Plattform zu teilen. Das ist exakt das, was weiße Männer, wie du einer bist, machen müssen – denn, ganz ehrlich, ihr seid nun mal die privilegiertesten Menschen auf diesem Planeten.
Die Mentees von Kelvyn Colt und ihre Projekte:
Kyle Flamigni
Der junge Künstler, Produzent und Mix Engineer aus Berlin wird im Rahmen von „Tough As You“ in seinem Kyanite Studio mit jungen Acts arbeiten. Er ist ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, Studio Space, Fachwissen und Plattformen zu bieten. Ein Ziel ist es, innerhalb der Kampagne einen Sampler aufzunehmen, der das Potential dieser Acts abbildet, auch Workshops mit jungen Engineers und Produzent:innen wären möglich..
ROOTS Berlin (BIPoC-Kollektiv aus Berlin)
Das Kollektiv ROOTS Berlin arbeitet seit geraumer Zeit daran, der BIPoC-Community Plattformen zur Vernetzung und zur Weiterbildung zu bieten. Im Rahmen von „Tough As You“ wollen sie diese Aktivitäten auf den Musikbereich ausrichten, BIPoC-Artists supporten und educaten und auf diese Weise weiterhin die Music Community stärken.
Die Mentees von Serious Klein und ihre Projekte:
Oroko Radio
Serious Klein möchte mit „Tough As You“ vor allem Plattformen schaffen und fördern, die ihm am Anfang seiner Karriere nicht zur Verfügung standen. Der Support von Nico Adomako und seiner Online-Plattform Radio Oroko unterstreicht diesen Ansatz. Der in Berlin und im ghanaischen Accra wirkende Adomako – der nicht nur DJ, sondern auch Event Manager und Networker ist – möchte mit seiner Arbeit Acts in der afrikanischen Diaspora fördern und ihnen in Clubs und in seinem Radio eine Bühne bieten.
Alle weiteren Informationen über Dr. Martens findet ihr hier und über die Initiative „Tough As You“ hier.
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