Fingerzeig Karl Marx Stadt – Kraftklub-Frontmann Kummer veröffentlicht Solo-Single „9010“
„Das“ ist grau und düster und schlägt zu, wenn du ihm nicht passt. „Das“ bedeutet für den Großteil Deutschlands eine überschaubare Anzahl verwirrter und verblödeter Menschen, die es zu verachten und nicht zu beachten gilt. In Chemnitz aber war diese Anzahl noch nie überschaubar, noch nie übersehbar. Auch nicht, als Chemnitz noch 9010 Karl Marx Stadt war.
Kummer – 9010
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Leicht gesagt, hunderte Kilometer weit weg, vor der Flimmerkiste mit einem Feierabendbier intus. Längst nicht mehr so leicht und gern gesagt, wenn einem jeden Tag eine Handvoll potentieller Anwärter und Anwärterinnen auf dieses Schimpfwort gegenüberstehen. Vielleicht weil es ziemlich gefährlich ist, aber auch weil damit niemandem geholfen ist. Weil es traurig und müde macht, dass da wo man lebt, Toleranz im Krankenwagen enden kann.
Schnitt, Wende. Sowohl politische, als auch tragische, persönliche Wende. Denn parallel zu den Bildern des Mauerfalls, verfällt auch die von Kummer gezeichnete und gefürchtete Person aus seiner Jugend. Aus selbstbewusstem Gang und den Schultern wie Schrank wird eingefallen, zahnlos und alt. Auch wenn sich der namenlose Protagonist politisch schon immer weit ab von einer potenziellen Mitte definierte, die Wende festigt das gesellschaftliche Abseits. Und das gesellschaftliche Abseits verwest einsam im flackernden Neonlicht der einzigen Tanke weit und breit, mit einem klaren Rest in der Flasche.
Und wenn wir schon mal bei klar sind: Mit 9010 ist heute nicht nur der erste Solo-Song des Krafklub-Frontmanns erschienen, sondern auch überhaupt der erste musikalische Gehversuch unter dem Klarnamen Kummer. Vielleicht weil sich die Doppeldeutigkeit symptomatisch für die emotionale Grundstimmung im Song erweist, vielleicht aber auch, weil noch nie mehr Biografie in einem Release steckte als jetzt.
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„Ich würd‘ gern mit dem Finger auf dich zeigen. Schaut ihn euch an, dieses dumme Stück Scheiße.“
Absolut klar auch, welche Reaktion am Ende des Songs noch aussteht, oder? Erleichterung, dass es ihn getroffen hat als Strafe dafür, dass er in seiner Jugend zu oft getroffen hat. Gebrüder Schadenfreude und Triumph, denn verdient hat er es ja allemal. Aber nichts davon tritt ein, stattdessen Gefühlswende Kummer. Aus Angst vor, wird Angst um und alles was beim Anblick der ehemaligen Imposanz übrig bleibt, ist Mitleid für das was noch übrig ist. Das soll nun bestimmt nicht bedeuten, dass die Überbleibsel von Rechtsaußen pauschal zu bemitleiden sind, nein. 9010 ist einfach nur eine sehr realistische Bestandsaufnahme einer Person, die sich nicht mit rechter Gewalt auseinandergesetzt hat, sondern mit rechter Gewalt auseinandergesetzt wurde. Daran ist nichts schön, auch dann nicht, wenn die Gewalt verstummt. Alles tut weh und leid, immer noch.
 
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