Listener im Interview: „Talk Music zu etablieren ist harte Arbeit, aber gute Arbeit“
Wenn man es sich Jahrelang zur Lebensaufgabe macht neue Musik zu entdecken, kommt es selten vor, dass eine Band so innovativ daher kommt, dass man das Gefühl hat, noch nichts Vergleichbares gehört zu haben, geschweige denn sie einkategorisieren könnte. Wie beschreibt man also eine Band, die gesprochene poetische Texte, die klingen als würde ein Piratenkapitän eine Ansprache an seine Crew halten, mit Elementen irgendwo zwischen Indie, Folk, Country, Post Rock und Post Hardcore verbindet und dabei gerne auch mal eine Waschmaschine als Schlagzeug missbraucht? Ich selbst bin mit Listener das erste mal in Berührung gekommen, durch eines der vielleicht großartigsten aber vor allem chaotischsten One-Shot Musikvideos aller Zeiten. Im Videoder Hardcore-Band The Chariot tritt der charismatische Listener Frontmann Dan Smith als Feature Gast auf und predigt sich mit seinen emotionalen Lyrics die Seele aus dem Leib. Der Sprechgesang, der zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr als HipHop oder Rap zu bezeichnen war, fing allerdings ursprünglich als eben genau das an. In den späten 90ern veröffentlichte Dan Smith unter seinem Rap Alter Ego Listener seine ersten Platten mit der HipHop-Gruppe „Deepspace5“, gefolgt von einigen Solo HipHop-Alben und Touren in der Underground Indie-HipHop-Szene. Um 2005/2006 rum hatte Dan Smith dann mit Rap abgeschlossen: „Ich bin dann irgendwie da rausgewachsen, als Person, als Künstler und jemand der auf Tour war und etwas anderes machen wollte – andere Arten von Musik. Ich habe mich dann mit ein paar Freunden getroffen, die Instrumente gespielt haben. Wir haben uns gesagt, lass uns etwas machen was essentiell zwar HipHop-Worte oder Poesie oder so etwas in der Art ist, aber lass uns keinen HipHop machen. Lasst uns eine Band machen, aber keinen Rap, es nicht Rap nennen – wir wollten es sogar anders bezeichnen als HipHop – und keine Shows in dieser Szene buchen. Es war fast so etwas wie eine kollektive Anstrengung kein Teil dieses Genres zu sein und mit keinerlei anderen HipHop-Gruppen gebucht zu werden. Lasst uns einfach mit anderen Bands zusammen spielen und unser eigenes Ding sein.“
Besonders die immer häufigeren Liveshows haben Listener dann dazu bewegt, sich von einem Ein-Mann HipHop-Projekt zu einer Rockband zu entwickeln, erzählt Smith: „Das Gefühl bei den HipHop-Shows verglichen mit beispielsweise einer Haus-Show, die ein Fan organisiert hat, war einfach ein komplett anderes. Irgendjemand lädt einfach alle seine Freunde ein, egal was für Musik sie hören oder welchen musikalischen Hintergrund sie haben, wo man zum Beispiel bei einer HipHop- oder Hardcore-Show nur Leute da hat, die das Genre kennen und mögen. Ohne zu urteilen, aber manchmal kennen die Leute nicht das komplette Spektrum und stecken einen schnell in eine Schublade. Auf der anderen Seite, wenn du in einen Raum kommst mit Leuten die sich vielleicht überhaupt nicht mit Hip Hop auskennen und sich dann sagen: ‚Wow das ist so anders!‘ Vielleicht hassen Sie es dann, vielleicht lieben sie es auch, weißt du? Es ist dann einfach irgendwie etwas Neues. Wir haben uns dann eben gesagt, dass wir etwas total anderes ausprobieren wollen, weil es irgendwie etwas alltäglich wurde und keine Herausforderung mehr war. Es war zu dem Zeitpunkt einfach nicht mehr wirklich interessant für uns.“Der hat wie alte verbrannte Autoreifen geschmecktGenerell identifizieren Listener sich sehr stark mit dem DIY-Gedanken, so wurde neben einer Amerikanischen „Tour of Homes“, bei der die Band fast ausschließlich bei Fans zuhause spielte, auch eine Europäische Version veranstaltet, bei der neben Privathäusern und herkömmlichen Venues auch Coffee Shops, Galerien, Bibliotheken, Lagerhäuser, Boote, eine riesige Plastikkuppelin Aarhus und sogar eine alte Burg in Frankreich bespielt wurden.„Es war eine waschechte mittelalterliche Burg mit Steinmauern. In dem Moment als ich meine Drums zum ersten Mal angeschlagen habe, hat alles nur noch gebebt. Es war einfach super laut.“, beschreibt Kris das Erlebnis. In den Niederlanden sind Listener außerdem auf einem Festival am Strand aufgetreten: „Wir haben irgendwo an der Westküste gespielt und suchen also die Konzert-Location. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob wir wussten, dass es am Strand sein würde. Es war am Strand! In einem großen Zelt! Wir mussten dann unser komplettes Equipment über diese riesige Sanddüne schleppen. Den ganzen Weg die Düne hoch und dann wieder runter zum Strand – durch den Sand.“,erzählt Dan lachend. „Die Leute haben am Strand gelegen oder gebadet und unsere Show angeguckt. Das war echt cool. Danach sind wir auch direkt ins Meer gegangen.“ Kris erinnert sich schmunzelnd: „Als wir unsere Bühne gesehen haben und dass dort das Festival stattfindet, habe ich mir nur gedacht, hoffentlich haben die ein Schlagzeug da. Es ist komplett egal was für ein Schlagzeug, denn wenn dort auch nur irgendein Schlagzeug steht, schleppe ich definitiv meins nicht über diese riesige Sanddüne. Es war definitiv lustig.“ Einer der verrücktesten Tourgeschichten hat sich laut Kris aber in Slovenien zugetragen, wo ihnen der Promoter der Show im Vorfeld mitteilte, dass die Venue keine Adresse hätte und ihnen stattdessen die Adresse vom Haus daneben gab. „Wir sind dann also dahin gefahren und haben da erstmal abgehangen, bis ein Typ von der anderen Straßenseite auf Krücken ankam. Wir haben ihn dann gefragt, wo dort die Konzert-Location sein soll und ob wir vielleicht auf der falschen Straßenseite wären, woraufhin er uns dann erklärte, dass wir schon vor dem richtigen Laden stehen würden – ein alter verlassener Bahnhofswachturm.“ Anschließend gab es ganz getreu osteuropäischer Traditionen erst einmal selbstgebrannten Schnaps, der laut dem Promoter von einer alten Dame aus dem Ort gemacht wurde. „Der hat wie alte verbrannte Autoreifen geschmeckt“,beschreibt Dan lachend den Fusel, den er „Moonshine“ nennt.

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