Mach’s gut, Maifeld Derby!
Es ist wohl traurige Ironie, dass die letzte Ausgabe des Maifeld Derbys die bisher erfolgreichste war. Kaum hatte Veranstalter Timo Kumpf im Dezember letzten Jahres das Ende bekannt gegeben, erinnerten sich auf einmal alle wieder daran, was man an diesem sehr schönen Festival auf dem sonst eher spröden Maimarkt-Gelände hatte: Eine neugierige, angenehme Crowd, charmante Bühnen wie den Parcour d’amour, gute Weinschorlen, die hausgemachte Bratwurst der Familie Kumpf und natürlich: ein fantastisches, handverlesenes Line-up. Um ehrlich zu sein, war letztgenanntes auch der Grund, warum ich dieses Festival mit jedem Jahr ein wenig mehr liebte. Denn das Maifeld Derby war geschmäcklerisch, mutig und überzeugt davon, dass man seinem Publikum auch mal was Unbekanntes oder Ungewohntes vorsetzen konnte.
So war es auch in diesem, dem letzten Jahr des Maifeld Derby. Es war alles da, was das Festival schon immer ausgemacht hat. Und auch, wenn der Abschied über allem schwebte, nahm das Derby ganz einfach seinen Lauf. Zwar gab es die ein oder andere Ansprache der Bands und das gebrochen Herz auf den Bühnen-Displays mit den Jahreszahlen „2011 bis 2025“, aber das Pathos verkniff man sich. Trotzdem, oder gerade deshalb, entstanden auf diese Weise einige sehr rührende Momente, die man nicht hätte planen können.
Zum Beispiel beim Gig des Überraschungs-Acts Kraftklub am Freitag. Ein sehr gutes, mitreißendes Konzert, vor allem, weil Felix und seine Bandkollegen für dieses Publikum anfangs ein wenig mehr ackern mussten. Irgendwann erinnerte sich Felix dann bei einer Ansprache daran, dass Kraftklub schon mal recht ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Ihr Kosmonaut Festival wurde nämlich auch beendet, weil man finanziell und konditionstechnisch an seine Grenzen und vielleicht sogar auch darüber hinaus gegangen war. Ein Bonding Moment zweier Festivals, die vielen Menschen Freude gebracht haben – und nun eben Geschichte sind.
Am Samstag wiederum holte die Mannheimer Musikerin Alex Mayr uns alle ab, in dem sie ihre für das Maifeld geschriebene Abschiedshymne spielte. Ein kleiner, großer Stadionmoment am Parcour d’amours, an dem wir uns alle an die vielen Sonnenuntergänge an dieser besonderen Bühne erinnerten. Direkt im Anschluss gab sich dann Timo Kumpfs ehemaliger Get-Well-Soon-Bandchef Konstantin Gropper die Ehre und spielte einige Lieder. Bei zweien kam dann Timo auf die Bühne, der damals Bassist der Band war. Als er das tat, erhoben sich plötzlich die ersten für eine spontane Standing Ovation – was für Timo offensichtlich etwas too much war: Er bedankte sich eher angenehm verschämt, als wolle er sagen: „Jetzt übertreibt ihr aber.“
Ein weiterer, wundervoller Moment passierte dann am letzten Tag, als sich Efterklang im Sonnenschein vom Maifeld verabschiedeten. Casper Clausen gab den weird-sympathischen Hippie-Prediger, der am Ende mit seinen Bandfreunden ins Publikum stieg, um dort einen letzten Song zu spielen. Die paar hundert Menschen vor der Bühne setzten sich auf den Boden, sangen mit, grinsten selig vor sich hin, während über all dem eine Fahne der Band flatterte mit den Worten: „Things we have in common.“
Die letzte Band am letzten Abend waren dann Bilderbuch, die einfach furios wie immer über die Bühne rauschten, ihre spacigen LEDs mitgebracht hatten und noch einmal viel Bewegung ins volle Zelt brachen. Als der letzte Akkord verklungen war, wurde es dann wohl allen klar: Damit ist es vorbei. Während die Crew mit viel Lärm, Gelächter und Freude noch das finale Fotoshooting an der Tribüne machte (das diesen Artikel ziert), trank man seine letzten Drinks, sprach noch mal mit Freund:innen über die seltsame Stimmung und diskutierte darüber, ob es denn ein Festival gäbe, das ein ähnlicher Ankerpunkt sein könnte. Hier empfahlen sich gleich zwei, die eine freundschaftliche Verbindung zum Maifeld Derby hatten: Das Immergut Festival, das sogar eine Liveschalte zum Maifeld anbot und das Orange Blossom Special, das sogar einen Fan-Freundschaft-Schal mit dem Maifeld gemacht hat.
Als ich im Dunkeln über das langsam leerer werdende Maimarktgelände schlenderte, rauschten mir noch einmal all diese tollen Konzerte durchs Hirn, die ich in den letzten Tagen gesehen hatte. Viel zu viele, um sie alle in diese Artikel zu stopfen. Was schon immer mein Problem war, wenn ich über das Maifeld Derby schreiben musste. Hier gab es schlichtweg kaum Ausfälle und deshalb musste ich mir immer verkneifen, das halbe Line-up durchzuloben. Für mich waren neben den bereits genannten jedenfalls besonders gut: Akryl, Big Special, Zaho de Sagazan, Yerai Corés, Zwischen Zwei und Vier, Polar Noir, The Notwist, Porridge Radio, Tukan, Porridge Radio, Drangsal, Nilüfer Yanya, Olli Schulz und Get Down Services.
Jetzt bin ich müde und ein wenig traurig, aber das könnte auch der übliche Festival-Euphorie-Kater sein. Denn auch wenn jetzt viele dieser tollen Menschen, die man auf dem Maifeld treffen konnte, eine Alternative suchen müssen, war der letzte Ritt ein wahrlich würdiger Abschied. Und einer, der mir selbstbestimmt und richtig vorkommt.
Deshalb: Mach’s gut liebes Maifeld Derby! Du hast mein Leben und meinen Weg als Musikjournalist einige Jahre lang ein Stückweit begleitet und mir immer eine gute Zeit beschert. Ich weiß nach dieser Ausgabe noch ein wenig mehr, was ich an dir hatte. Und wer weiß: Vielleicht gibt’s ja in ein paar Jahren mal ein Comeback. Aber selbst, wenn nicht, freue ich mich schon jetzt darauf, die eine oder den anderen Maifeld-Veteran:in auf anderen Festivals zu treffen und ihnen wissend zuzunicken.
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