Musikvideos der Woche
Cro – Computiful
Erfolgreichster Chimperator-Zögling Carlo wischt sich durch die Weiten der Internet-Dating-Plattformen auf der Suche nach der großen Liebe und ist dabei natürlich ganz generationskonform und zeitgemäß auf Tinder unterwegs. Weniger zeitgemäß leider, fällt die Bezeichnung seiner Auserwählten aus, die sich durch ein „zu dir oder zu mir“direkt den Titel „Slut“ einfängt und für Cro schlagartig uninteressant wird. Kurz bevor er das Internet jedoch kaputt macht, entscheidet sich der zart besaitete Panda dann für den Restart-Button und beschließt sich weiterhin virtuell mit Pics und Pick-Up-Lines herumzuschlagen, irgendwann muss das doch mal klappen. Zuschauer bekommen parallel zur 21st-Century-Lovestory jede Menge Aerobic-Sequenzen und weibliche Geschlechtsmerkmale im Videospiel-Rahmen vor Augen geführt. Eine unbedingt streitbare Perspektive, die ihr vermeintliches Happy End im Reallife findet. Ob Cro bei dieser Maria mehr Glück hat bleibt offen, sicher ist nur: Wer Bildchen von Frauen einfordert, sollte sichergehen, dass sein Frauenbild bereits das neuste Update erfahren hat.Ufo361 – Balenciaga
Dass Markennamen in Videos und Texten sämtlicher Rapper mittlerweile genauso häufig wie einst explizite Sprache auftauchen, ist nichts Neues mehr. Nike, Adidas und Gucci haben längst ihren festen Platz in den Lyrics und im Kleiderschrank der Interpreten gefunden, so auch bei Ufo361. Der treibt es mit seinem Brand-Hype auf die Spitze, indem er nicht einfach mal den Namen seines favorisierten Ausstatters nennt, sondern dem französischen Modelabel Balenciaga gleich einen ganzen Song widmet. Die abgewrackte Fabrikhalle wird kurzerhand zum Showroom, wenn Ufo und das anwesende weibliche Pendant komplett in Balenciaga an Säulen gelehnt die Marke repräsentieren. Seinen Höhepunkt findet die Liebe zum Label in dem Moment, als eine völlig erschöpfte Frau ein T-Shirt der Marke gebärt. Kreuzbergs Fashion-Victim Nummer Eins ist stolz auf seinen Kleiderschrankinhalt im Wert eines Mittelklasse-Gebrauchtwagens und will seine Hater damit vor allem eines Besseren belehrt haben.Editors – Hallelujah
Bereits Mitte Januar hat die Band aus Birmingham den Release ihres sechsten Albums „Violence“ bekanntgegeben und damit auch die erste Single „Magazine“ veröffentlicht. Für Fans der Editorswird die Wartezeit bis zum neunten März jetzt noch ein wenig spannender gestaltet – die zweite auf dem Album enthaltene Single „Hallelujah“ ist vor wenigen Tagen samt offiziellem Videomaterial erschienen und soll vor allem Aufschluss darüber geben, was von der vierköpfigen Band live zu erwarten ist. Rahi Rezvani hat sich als Regisseur des Videos nicht mehr und nicht weniger vorgenommen, als die komplette Intensität und Energie der Band einzufangen. Emotionale Detailaufnahmen und sprunghafte Shots sind das Ergebnis des vorgenommenen, realitätsgetreuen Live-Abbilds der Engländer. Ob die Tourperformance wirklich mit den Aufnahmen mithalten kann, bleibt abzuwarten. Ab Anfang Mai bekommen zumindest schon mal amerikanische Fans eine Antwort.Her – Neighborhood
Victor Solf probiert sich im Video zur aktuellen Single als Humpty Dumpty und sitzt seine vier Minuten Song auf einer Mauer mitten im Nirgendwo ab. Seine eigens erklärte Nachbarschaft ist nur für ihn selbst sichtbar, die Protagonisten rechts und links müssen sich mit dem Blick auf den grauen Riesen zufriedengeben. Zumindest so lange, bis auch sie einen Weg finden, es dem Frontsänger gleich zu tun und sich genau auf dem Gebilde vereinen, das sie ursprünglich trennte. Nach dem Tod seines Bandkollegen und Freundes Simon Carpentier im letzten Jahr, führt Solf mit dem für März angekündigtem Debütalbum und den bisherigen Single-Veröffentlichungen das Werk der Band Herweiter und plädiert vor allem mit diesem Song für mehr Akzeptanz und Gemeinschaft.Blvth – Cut To The Feeling
Um zu allererst Sprachakrobaten und Rechtsschreibfetischisten zufrieden zu stellen – das „V“ in der Mitte soll so und er spricht sich trotzdem „Blut“. Da wir jetzt alle selbstbewusst diesen Namen aussprechen können, sollten wir direkt damit hausieren gehen. Während bis dato vielleicht nur Casper- und Ahzumjot-Fans etwas mit diesem Namen anzufangen wussten, sorgt der Wahlberliner jetzt einmal mehr dafür, dass man ihn abseits seiner Fähigkeiten als Producer für namenhafte Rapper wahrnimmt und macht nicht nur Beats, sondern inszeniert sich selbst als Künstler mit Gesang und allem was dazugehört. „Gott sei Dank“, bleibt nach einmal kurz reinhören nur zu sagen. Der gekonnte Einsatz von Autotune, die gefühlvolle Stimme und auch die emotionalen Texte brauchen sich nicht hinter reinem Producer-Dasein zu verstecken und so liefert der Newcomer melancholische aber dennoch kraftvolle Songs, die sich nicht so richtig in eine Schublade stecken lassen. Denn wenn es noch etwas gibt, dass Blvth(neben der Aussprache seines Künstlernamens) von Anfang an klargestellt wissen möchte, dann dass er gerne auf Genre-Talk verzichtet. Anstatt sich über seine Musik auszulassen, sollten wir uns also lieber auf den neuen Song, inklusive Video einlassen.Viech – Ich hab viele Fehler gemacht
Wohin geht man, sich seiner vielen Fehler bewusst, aber dennoch gewillt sie wieder gut zu machen? Natürlich in den Waschsalon, um der befleckten weißen Weste ein paar Umdrehungen in der Wäschetrommel zu verpassen. In etwa diese Gedanken dürften die drei Mitglieder der österreichischen Band Viechin Vorbereitung ihres Videodrehs gehabt haben. Wenig verwunderlich also die visuelle Konsequenz – das komplette Equipment der Band findet sich inmitten von Wäschetrommeln, -körben und rumliegenden Klamotten aufgebaut, der Frontsänger der Band gibt sich einsichtig. Neben der Schmutzwäsche bleiben auch die körperlichen Blessuren nicht unentdeckt, aber Viech wollen in Zukunft alles besser machen und so wird mir der frisch gewaschen Weste direkt Reißaus genommen. Das Ass im Ärmel sind zwei Karten ohne Rückflug, die eingelöst werden, sobald die Person, an die sich die äußert sympathische Einsicht richtet, bereit dazu ist. Viech sind so herrlich ehrlich, dass man ihnen angebliche Taten wie, ein paar Leute ums Geld bringen, im selben Gedankengang glaubt und verzeiht. Die bis dato aufrichtigste Einsicht in 2018 kommt ohne Zweifel aus der Steiermark.Neufundland – Kopf in den Wolken
„Wir werden niemals fertig sein“ ist nicht nur Name des im letzten Jahr erschienen Debütalbums der Kölner Band Neufundland, sondern könnte auch als Arbeitstitel des Videos zum Song „Kopf in den Wolken“ funktionieren. Anstatt einmal mehr selbst vor der Kamera zu stehen, haben die Jungs Irmela Mensah-Schramm als Protagonistin auserkoren, die schon seit Jahrzehnten als Aktivisten im Alltag unterwegs ist und vor allem mit der Entfernung von Graffitis und Aufklebern, die rechtes Gedankengut verbreiten, auf sich aufmerksam macht. Anstatt aber eine Musikvideo gewordene Reportage veröffentlichen zu können, müssen sich Fans und auch die Band selbst mit einem nur halbfertigen Video zufriedengeben, da der Dreh aufgrund von Androhungen durch Neonazis abgebrochen werden musste. Auch wenn das gesammelte Material gerade mal für die Bebilderung der ersten Hälfte reicht, wird doch sofort deutlich, welch ehrenwerte Arbeit Mensah-Schramm mit Spachtel und Mut bewaffnet verrichtet. Gut, dass ihr noch lange nicht die Luft ausgeht und auch Rückschläge wie diese nichts an ihrem Engagement ändern und mindestens genauso schön, dass eine Band wie Neufundland ihr diese Plattform gibt. 
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