Musikvideos der Woche
Jace – Guck mich an
Die Moves sitzen, die handvoll Crew-Mitglieder hat sich hinter dem bis dato bekanntesten Gesicht der Flavour Gang versammelt, heißt neues Videomaterial von Nordlicht Jace flutet die Weiten sämtlicher Video-Plattformen. In Hocke vor Londons Hotspots posierend appelliert er ans Zentrum unserer Aufmerksamkeit – all eyes on Jarjar bitte und sieh ihm gefälligst dabei zu, wie er kein Blatt vor den Mund nimmt. Auch wenn das Einnehmen der großzügigen Werbefläche am Picadilly Circus vermutlich noch auf die Photoshop-Künste des Video-Directors zurückzuführen ist, in die englische Hauptstadt hat man es mitsamt der Gang immerhin schon gebracht. Und wenn man als digital native schon mal quer durch Europa reist, dann niemals ohne Kamera. Sei es, um den anstehenden Single-Release durch Hochglanz-Bildmaterial World Wide Web würdig zu machen, oder um seine Insta-Story damit auszustatten. „Guck mich an“ ist damit nicht nur aktuelles, gewohnt freches und wortgewandtes Lebenszeichen aus Hamburg City Nord, sondern auch ein bisschen unsere Generation in a nutshell.International Music – Cool Bleiben
Wenn man den Bandnamen des obigen Trios in die persönlich präferierte Suchmaschine eingibt, dann kommt man, egal ob mit Google, Yahoo, Firefox oder dem Internet Explorer nach unterschiedlich langen Suchzeiten auf dasselbe ernüchternde Ergebnis: Man findet die Band nicht, es sei denn man hat Zeit und Lust sich bis auf die vermutlich letzte Seite des virtuellen Lexikons durchzublättern. Aber kein Grund zur Sorge, auch wenn der Name erstmal so gar nichts aussagt und erst recht nicht vermuten lässt, dass es sich um eine Band mitten aus dem Ruhrpott handelt, so wissen die Essener doch, wie man nachhaltig auf sich aufmerksam macht. Zum Beispiel, indem man sich Sätze ausdenkt wie „Was übrig bleibt, schenke ich den Reichen“, oder den im Restaurant sitzenden Protagonisten wettern lässt „Warum krieg ich’s immer so, wie ich es bestellt hab?“. Abstrus wirkende Satzfetzen, die ihr Publikum in ihrer Einfachheit zu überfordern wissen. Als würden sie ihren Zuhörern mit der aktuellen Single eine Antwort auf stetige Verwirrung liefern wollen, lautet das allumfassende und alles beantwortende Credo der Stunde „Cool bleiben“. Genau antizyklisch zum textlich verabreichten Beruhigungsmittel, verhält sich die musikalische Inszenierung und so schaffen es International Music auch mit diesem Song, Mimik irgendwo zwischen Verwirrung und Schmunzeln zu erzeugen.Hinds – The Club
Hinds stehen auf Eis. Nicht auf dem sprichwörtlich dünnen Eis, das im nächsten Moment einzubrechen verspricht, weil man zu viel gewagt hat. Nein, die vierköpfige Band aus Madrid bewegt sich ganz freiwillig, aber dennoch sympatisch unbeholfen über winterliche Eisflächen, um Zuschauer direkt auf den ersten Blick im Winter-Wonderland zu verorten. Falls das in den ersten Sekunden noch nicht so ganz geklappt haben sollte, aus welchem Grund auch immer, Hinds haben noch mehr Filmmaterial aus dem letzten gemeinsamen Skiurlaub auf Lager. Ob mit dem Schneemobil über die Piste heizend, oder einfach nur in der Ski-Hütte abhängend, würde man den Ton ausschalten, könnte man die Trennlinie zwischen Musikvideo und privatem Winterurlaub-Aftermovie nicht mehr so einfach ziehen. Aber zum Glück machen wir den Ton nicht aus, sonst würden wir den souveränsten Umgang mit der Absage an eine feste Beziehung verpassen. Während sich das Abenteuer von letzter Nacht mit seiner Bindungsunfähigkeit herauszureden versucht, sagen Hinds Nein zum Nein und zerfahren mit ihren Schneemobilen parallel dazu nicht nur den frisch gefallenen Schnee, sondern deine drögen Ausreden gleich mit.Seinabo Sey – I Owe You Nothing
Seinabo Sey ist zurück mit neuem Song und macht gleich zu Anfang klar – sie schuldet dir gar nichts. Die schwedische Soulpop-Sängerin ist ganz sie selbst, wenn sie breitbeinig und mit üppigen Stoffen bekleidet, ihre Attitüde vermittelt. Alle, die ihr im Video zur Single „I Ow You Nothing“ dabei zugucken wollen, werden erstmal mit dem allseits bekannten aristotelischen Dreizeiler zum Schlagwort Kritik empfangen. Eigentlich ist also schon genug gesagt, bevor der Song überhaupt losgegangen ist. Seinabo Sey strotzt vor Selbstbewusstsein und ist dabei trotzdem so lässig und besonnen, wie man es nur sein kann. Abseits von persönlichen Fronts und unsinnigen Rechtfertigungsversuchen, ist die Schwedin einfach sie selbst, einfach so. No excuses. Wer in 2018 mit so viel weiblichem Selbstbewusstsein nicht zurechtkommt, hat ein Problem, für dass sich die Schwedin mal so gar nicht interessiert.Ahzumjot – Wieder nicht dein Jahr
Es ist gerade mal Ende März und Ahzumjot sagt dir wie es ist, 2018 wird leider auch nicht dein Jahr. Kleiner Trost aber für Jeden, der sich jetzt angesprochen fühlt, ihr seid nicht allein. Ahzumjot hat euch Leidensgenossen rausgesucht, die euch gut vier Minuten lang vor Augen führen, wie sehr man morgens mit dem linken Fuß aufstehen kann. So sehr nämlich, dass beim Angrillen plötzlich der komplette Garten Feuer fängt, oder du beim Treppen runterlaufen mit dem Gesicht den Fliesen zuerst begrüßt. Was das für Konsequenzen hat? Für den Rapper selbst erstmal eine Timeline, die seit Zusammenschnitt des Videos nur noch aus Fail-Compilations und Rap-Interviews besteht, Übergang fließend. Aber auch Ahzumjot bewegt sich ab und zu mal ganz gerne auf dem Boden der Tatsachen, vorzugsweise mit dem Hintern auf der Bühne vor Live-Publikum. Kleines Trostpflaster aber für alle Kopf in den Sand-Stecker: Der eingangs vom Stuhl gekippte Herr hat sich auch wieder aufrappeln können und wenn mit „Wieder nicht dein Jahr“ Deutschraps most hyped Playlist fortgesetzt wird, muss ja auch ein bisschen rechter Fuß beim Aufstehen dabei gewesen sein.KMPFSPRT – Trümmer
Hey ihr Selfie-Fanatiker, Radio-Rotations-Verantwortlichen und Sneaker-Heads – hat sich eigentlich schon mal Jemand so richtig über euch aufgeregt? Ja? Ok, dann könnt ihr ja das hier auch noch ertragen. Die Kölner Band KMPFSPRT hat beschlossen, sich Anfang 2018 noch mit den Relikten aus vergangenem Jahr zu beschäftigen, sprich: auch an dieser Stelle muss noch mal gesagt werden, wie abstoßend man derzeit kursierende Trends, Songs und grundsätzlich existierende Gegebenheiten findet. Dass man mit einem Anti-Zeitgeist-Song fast mehr Zeitgeist ist, als mit einem neuen Paar Sneaker ist anscheinend egal, der Wut muss Luft gemacht werden. Das geht immer noch am Besten, indem man als Band einen Song inklusive Video veröffentlicht, in dem der Frontsänger einem den lyrischen Zeigefinger ab Sekunde eins so dicht vor die Linse hält, dass man das eigentliche Video kaum noch wahrnimmt. Wenn dieser eine totgehörte Song schon wieder im Radio laufen sollte, kann man ja einfach mal ne CD einwerfen, oder den Sender wechseln. Und solange man sich selbst nicht ständig die Handykamera vor die Nase hält, hält sich die Belästigung durch 21-century-Portaits doch auch in Grenzen, oder? KMPFSPRT thematisieren zugegeben nervige Gepflogenheiten unserer Generation, die sich durch eine weitere vertonte Ansage jedoch kaum eindämmen lassen werden. Nicht zuletzt vielleicht, weil die Sneaker-Sammler gar nicht eurer Zielgruppe angehören.Hier wäre eigentlich etwas eingebettet. Du hast aber Embed und Tracking deaktiviert.
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