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Jugendliche Momentaufnahme und konserviertes Fliegen: „Nimmerland“ von Rin ist eine Hommage an die Popkultur

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Wer sein Album „Nimmerland“ tauft, begreift sich selbst nicht zwingend als Peter Pan, mindestens aber als Kindskopf und auf jeden Fall als Jemand, der am Erwachsen werden nicht viel Gefallen findet. Zu Letzteren zählt sich vermutlich auch Rin, der mit „Nimmerland“ den seit zwei Jahren andauernden Karriere-Höhepunkt einfrieren und das jugendliche, unbeschwerte Hier und Jetzt auf dreizehn Songs zu konservieren versucht. Möchte man Rins Vorstellung des Nimmerlandes geographisch näher kommen, wird schon auf dem Opener „Hollywood“ ausgeholfen. „Wir wollen alle nach Amerika“ heißt es dort und auch die Vielzahl aller popkulturellen Referenzen, die noch folgen sollen, begreifen ihren Ursprung im gern getauften „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Von M.I.A, über Nirvana und Travis Scott bis zu Frank Ocean – Songtitel und Textzeilen sind ein laut grummelndes Referenz-Gewitter. War das Nimmerland in seiner ursprünglichen Fassung ein Ort der omnipräsenten Unsterblichkeit und noch dazu ein riesengroßer Spielplatz, muss man nach 45 Minuten Nimmerland aus dem Hause Division doch zu der Erkenntnis kommen, dass Rin’s Version dieses Sehnsuchtsortes im Wesentlichen ein amerikanisiertes Nimmerland spiegelt. „Bietigheimication“ ist also als die 74321-Version des Album- oder auch Serien-Klassikers Californiacation zu verstehen. An die Stelle der einst angestrebten Unsterblichkeit tritt nun die Vorstellung an unermesslich viel Geld, das einem Zutritt hinter die dicken Glasscheiben verschafft, an denen einst nur der gaffende Atem kondensierte. Aus dieser Vorstellung ist im Fall Rin schon lange Wirklichkeit geworden und diese Wirklichkeit mündet auf „M.I.A“ in folgender Zeile: „Alles ist Designer, doch was nützt uns dieses Geld, machen wir am Ende nicht mal das was uns gefällt“. Das Geld allein also nicht glücklich macht, ist die Moral so mancher Geschichte, in diesem Fall aber ist es zumindest Eintrittskarte ins besagte Nimmerland. Denn ohne Geld und die Vorstellung von materiellem Reichtum könnte man wohl kaum so treffsicher Frank Ocean’s „Sweet Life“ zitieren. Viel mehr noch, als hier und da eine Referenz an Ocean einzustreuen („Ich sing’ wie Ocean für dich und du bist mein Crack Rock“ / aus „Up In Smoke“), hat sich Rin deutschsprachige Gesellschaft gesucht, die es in der Vergangenheit geschafft hat, besagtes „Sweet Life“ in Gitarrenriffs und Dada-Sprech zu konservieren, wie niemand sonst. Resultat dieser musikalischen Gesellschaft ist der gleichnamige Titeltrack des Albums in Zusammenarbeit mit Bilderbuch.

RIN – Bietigheimication

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Dass allgemein die gedankliche Nähe zum Nimmerland eng verbunden mit dem eigenen Heimatort ist, soll an dieser Stelle aber nicht mehr als eine wage Vermutung sein. Dennoch: Auch Rap-Kollege Shindy ist wie Rin in Bietigheim-Bissingen beheimatet und scheinbar genauso mit dem Gedanken des nicht Alterns befreundet. Anders als bei Rin ist es nicht unbedingt das Nimmerland, dass Konzept- und Inhaltsgebend ist, sondern Peter Pan selbst, in dessen Rolle man hin und wieder gerne schlüpft. Vielleicht aber, hat dieses nicht älter werden wollen gar nichts mit Bietigheim, sondern mehr noch mit dem Rap-Umfeld im Allgemeinen zu tun, indem Rin sich befindet. Denn auch Feature-Kollege reezy hat mit „Teenage Forever“ schon seine Ode an das jugendliche Ideal verfasst. Ein Konstrukt, das in besagtem Umfeld und somit auch auf Nimmerland hin und wieder zum Vorschein kommt, ist das des sehr konservativen Frauenbildes. Gerade erst war der zurecht mehr als umstrittene Titel „Arreté“ von sämtlichen Streaming-Plattformen verschwunden, da tauchte mit „Keine Liebe“ nicht nur ein Bausa-Feature, sondern auch die Zeile „Du bist eine Bitch, doch ich glaub’ nicht, dass du es weißt“ auf. In Rins Nimmerland, und hier ist man der Romanvorlage leider ziemlich nah, sind Frauen Märchenfiguren, die es zu erobern gilt. Sie tragen zwar mittlerweile Channel, aber Eigenständigkeit hingegen, steht ihnen immer noch nicht.

RIN – Fabergé

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„Komm’ aus deinem Zimmer wenn du kannst“ heißt es auf dem abschließenden und titelgebenden Track des Albums und genau das ist es, was Rin nach dreizehn Songs Nimmerland bei einem Großteil seiner Zielgruppe geschafft haben dürfte: Jugendliche in seine Lebensrealität und all dem was ihr zugrunde liegt entführen – zumindest für eine Dreiviertelstunde. Dass sich im Hinblick auf Peter Pan und das Nimmerland, dass nur in Koexistenz mit der Realität und demnach auch diversen Kinderzimmern staffinden kann, Rin auch dazu entschieden hat, ein Abbild seines Zimmers auf das Cover der Platte zu packen, zeugt nur davon, wie akribisch man sich an der Vorstellung eines Konzeptes versucht hat. „Nimmerland“ ist zwar nicht in eine Autofahrt à la „Channel Orange“ gebettet, dennoch kann man hier guten Gewissens von Konzept sprechen. Wer nach „Nimmerland“ immer noch behauptet, Rins Lyrik bestünde ausschließlich darin, Namen von Luxusgütern aneinander zu reihen, der hat nicht aufmerksam genug hingehört. Hinter jedem Fremdwort tut sich ein neues Universum auf und die popkulturellen Referenzen reichen von „Junimond“ bis „Paperplanes“. Diverse Textzeilen frönen dem Reichtum, genauso aber beinhaltet Rins Nimmerland aber auch die Erkenntnis, dass Geld allein nur Etappenziel gewesen sein kann. Der Berg auf dem man gerade steht, ist vermutlich höher, als man ihn sich je erträumt hätte, deshalb dreht man sich vorsichtshalber nochmal um – „Nimmerland“ ist jugendliche Momentaufnahme, konserviertes Fliegen und eine Hommage an die Popkultur.

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Rin „Nimmerland“-Tour 2020 präsentiert von DIFFUS

31.01.20 – Köln, Palladium (Ausverkauft) 01.02.20 – Köln, Palladium (Zusatzshow) 05.02.20 – Frankfurt, Jahrhunderthalle 06.02.20 – Berlin, UFO im Velodrom 07.02.20 – München, Zenith 08.02.20 – Leipzig, Haus Auensee 09.02.20 – Wien, Gasometer 12.02.20 – Nürnberg, Arena 13.02.20 – Hannover, Swiss Life Hall 14.02.20 – Hamburg, Sporthalle 19.02.20 – Saarbrücken, E-Werk 20.02.20 – Münster, Halle Münsterland 21.02.20 – Dortmund, Warsteiner Music Hall 22.02.20 – Zürich, Samsung Hall

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