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Orange Blossom Special 2025: „Es regnet. Erstmal Sonnenbrille aufsetzen.“

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1. Ein Morgen in der Batze (Samstag)

Das OBS ist wohl das einzige Festival, bei dem sich ein Teil des Publikums früh morgens in einem Freibad trifft – und das, obwohl man auf den legendären Aftershow-Partys im Stadtkrug in Beverungen bis kurz vor Schwimmbaderöffnung durchfeiern kann. Am Samstagmorgen ist die „Batze“ in Beverungen jedenfalls pickepackevoll – was nicht am beschissenen Nieselregenwetter liegt, sondern an der „Otterprüfung“. 

Dazu muss man wissen: Das OBS hat in jedem Jahr ein Wappentier. 2025 ist es ein Otter namens „Günter“, Spitzname „Günni“. Ein an und in der Weser wohnender Feinripp-tragender Otternormal-Deutscher, der es eigentlich eher ruhig mag, für das OBS die Gesellschaft seines Lieblingssteins und seiner Gattin aber mal gegen dieses rund 3.500 Besucher:innen empfangende Festival vor seiner Haustür eintauscht. Im Zeichen des jeweiligen Wappentieres kann man jedes Jahr ein Schwimmabzeichen machen, für das sich der örtliche Bademeister und das OBS-Team ein paar eher witzige als sportliche Übungen ausdenken. 

Dieses Schauspiel an sich wäre schon einen Artikel wert gewesen (vor allem die letzte Disziplin in der Rutsche), aber mein Batze-Morgen war eher eine Kombination aus Verkatert-ins-kalte-Wasser-kippen und einem unerwarteten Konzerthighlight. Als unsere kleine Festivalclique nämlich nach der Abzeichen-Übergabe im Café chillt, baut das Indie-Americana-Duo Stereo Naked Kontrabass & Co. auf und spielt eine halbe Stunde lang zum feinen Nieselregen ein paar sehr charmante Lieder. Sie sind an diesem Tag der „Walking Act“, der den ganzen Tag über das Gelände zieht und mal an der Straße, mal am Campingplatz und eben mal in der Batze performt. 

So sitze ich also da mit einem Teil meiner Festivalgang (die hier seit Jahren anreist), auf den ersten Kaffee folgt das erste Bier um kurz nach elf und ich denke mir so, während mein Blick von dem Duo zum Becken, zu meinen Freund:innen und zurück schweift: So was gibt’s nur hier! Kurz darauf liefert Ina aus meiner Crew dann auch noch die perfekte Artikelüberschrift: „Es regnet, erst mal Sonnenbrille aufsetzen.“

Der Autor bei der Arbeit (Foto: Ina Plinke)

2. Cari Cari sagen, was gesagt werden muss (Freitag)

Freitagabend: Cari Cari sind Headliner auf der Hauptbühne und zeigen mit ihrer Live-Energie, dass sie tatsächlich Headliner-Material sind. Sänger Alexander sagt dann kurz vor Ende der Show, was uns schon seit dem Ende des Maifeld Derby im Kopf herumschwirrt. Den genauen Wortlaut kriege ich nicht mehr hin, aber im Grunde meinte er, dass Festivals wie das OBS (oder eben auch das Maifeld Derby, das Immergut …) verfickt noch mal WICHTIG sind. „Wenn es mehr Festivals wie dieses gäbe, wäre die Welt ein besserer Ort.“

Denn hier träfen sich Gleichgesinnte, hier erschaffe man einen Safe Space, hier zelebriere man zwischenmenschlichen Austausch und gäbe gute Musik eine Chance, die auf den Riesenfestivals oftmals übersehen werden. Klar, man feiert sich selbst, wenn man wie ich dabei laut johlt und klatscht, aber er hat nun mal einen Punkt. Wer den Vibe dieses Open-Airs kennt, die Macher:innen und die tolle Crew, der spürt eben, dass das man hier auf einer besonderen Insel feiert – inmitten einer Welt voller apokalyptischer Vibes, in der viele eher im Internet aneinander vorbeischreien, als im Real Life spannende Kultur zu feiern.

3. Der Von-der-kleinen-auf-die-große-Bühne-Moment mit Stina Holmquist (Samstag)

Fast in jedem Jahr gibt es einen Act, der es innerhalb eines Jahres von der kleinen Nebenbühne auf die Hauptbühne geschafft hat. Diesmal ist es Stina Holmquist, die ich schon 2024 in meinen Nachbericht gepackte habe. Bei der Anmoderation von OBS-Cheffe Rembert Stiewe (die jede Band auf der Hauptbühne bekommt) erzählt er, wie er im letzten Jahr einmal völlig gestresst über das Gelände eilte und plötzlich Stinas Soundcheck hörte. „Ich bin stehengeblieben und auf einmal fühlte ich mich ruhig und glücklich. Der Vibe ihrer Musik hat mich voll abgeholt und runtergebracht.“

Diesmal also Stina Holmquist mit Band auf der großen Bühne, und auch hier gewinnt sie viele Herzen, obwohl oder gerade weil Petrus während ihres Sets einmal den ganzen Wetterbericht durchspielt (nur Hagel, Blitzeis und Schnee hätten noch gefehlt). Eines sei an dieser Stelle aber noch mal gesagt: Stina kann nicht nur den Runterbring-Sound, aktuelle Songs wie „Closing Doors“ sind eher in dieser feinen Schublade namens „tanzbare Melancholie“ zu finden, in der ich mich immer sehr wohl fühle.

4. Das Wetter kippt, der Crowd ist’s egal (Sonntag)

War der Freitag entgegen den Prognosen sehr angenehm und der Samstag ertragbar durchwachsen, wird es wettertechnisch am Sonntag noch mal unschön. Schon beim traditionellen „Secret Act“, um 11:30 Uhr, den ich mir trotz durchzechter Apfel-Vodka-Nacht im Stadtkrug NATÜRLICH (mit Cola in der Hand) anschaue, regnet es und der fiese, kalte Wind wird noch ein wenig fieser und kälter.

Acht Eimer Hühnerherzen sind in diesem Jahr die Überraschungsband und spielen nach eigener Aussage den frühsten Gig ihrer Karriere. Das macht nicht nur mir ungemein Spaß – auch wenn die immer wieder kehrenden Regenschauer leicht nerven. Bei der anschließenden Lesung von Bela B. ist es dann mit dem Regen so schlimm, dass er kaum noch die nassen Seiten lesen kann.

Auch der Nachmittag macht die Leute mürbe – ABER: die meisten bleiben stehen. Bei Highlights wie Smile oder dem atmosphärischen Closing-Act King Hannah stehen alle im Schlamm und genießen trotzdem, was da von der Bühne schallt. Überhaupt muss ich an dieser Stelle mal loswerden: Ich kenne so einige Festivals, aber es gibt nur wenige, auf dem sich das Publikum so sehr auf das Line-up der Macher:innen einlässt – obwohl da immer sehr viele Bands bei sind, die gerade erst am Anfang ihrer Karriere stehen. Schön zu sehen, wenn Bands wie zum Beispiel die sehr guten Personal Trainer aus Holland, die am Freitag spielten, regelrecht ergriffen sind von der Neugier und der Stimmung dieser sehr speziellen Crowd. 

5. Einer von vielen Gängen zum Campingplatz (Freitag bis Samstag möglich)

Für Leute, die das OBS nicht kennen, klingt es vielleicht etwas schräg, wenn ich einen Gang in Richtung Campingplatz als Highlight nenne. Aber irgendwie haben auch die hier etwas Besonderes. Dazu muss man wissen: Der Campingplatz liegt direkt an den grünen Uferwiesen der Weser. Wenn man nicht gerade von aggressiven Fahrradtouristen an die Seite geklingelt wird, ist der Weg zum eigenen Zelt immer wieder schön – vor allem, wenn dem OBS mal ein Postkarten-Sonnenuntergang beschert wird. Außerdem trifft man dort immer auch die ein oder andere Festivalbekanntschaft oder die eigene Crew. Wenn man sich dann auch noch ein Wegbier oder eine Mini-Calzone, die es vor dem Festivalgelände für stabile fünf Euro gibt, gönnt, kann man hier sehr schön reflektieren, was man so alles gesehen und erlebt hat.

Und auch das Aufbrechen nach der letzten Band wird einem auf dem OBS leicht gemacht: Als ich am Freitag noch eine Weile auf dem Gelände bin, kommt anstelle von zwei schlecht gelaunten Security-Mitarbeitern mit Absperrband eine junge Frau im Nachtkleid, die eine Kerze in der Hand hält und sagt: „Ich bin die Gute-Nacht-Fee. Schön, dass du da warst, aber wir müssen hier nun aufräumen. Wenn ihr in zehn Minuten noch da seid, komme ich wieder – und singe! Seid also gewarnt.“ Danach macht man den Gang zum Zelt an der Weser lang ja nun wirklich zu gerne. Natürlich nur, um kurz das Shirt zu wechseln, um danach in den Stadtkrug aufzubrechen … 

Danke also, liebes OBS, dass du immer noch da bist und in unserem Festivalsommer eine Bank! Jetzt hoffen wir, dass ihr den Rasen für das kommende Jahr wieder fit kriegt ...

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