Stumpf ist Trumpf und Klangexperimente: Die besten neuen Metal-Releases
Mantar – Post Apocalyptic Depression
Mantar haben sich das Motto „All killer, no filler“ sehr zu Herzen genommen. Wer dreckige Knüppel-Hymnen wie aus der „Death By Burning“-Ära vermisst hat, kriegt sie hier eindrucksvoll um die Ohren gehauen. Live mit den einfachsten Mitteln aufgenommen, liefert uns das Duo mit Album Nummer fünf seine absolute Quintessenz, freigemacht von allem Schnickschnack und allen Gefälligkeiten. Das trauen sich nur wenige Bands an so einem fortgeschrittenen Punkt ihrer Karriere, und bei noch wenigeren kommt solch ein Brecher dabei raus.
Schon der Opener „Absolute Ghost“ ist wie eine Adrenalinspritze mitten ins Herz, in den folgenden gut 30 Minuten Spielzeit beschränken sich Mantar auf eine Soundpalette von „fies groovend“ bis „aggressiv eskalierend“ – und mehr braucht’s auch gar nicht. Im Interview erklärten uns die beiden übrigens kürzlich das Erfolgsrezept „Stumpf is Trumpf“, den ungewöhnlichen Entstehungsprozess von „Post Apocalyptic Depression“ und ihre Pop-Einflüsse – hier gibt’s das Video.
Spy – Seen Enough
Wo wir schon gerade dem Punk-Spirit huldigen, darf auch die neue EP von Spy nicht fehlen. Ebenfalls live aufgenommen und sechs Songs in weniger als zehn Minuten Spielzeit abbrennend, ist „Seen Enough“ ein Testament der furiosen Live-Energie der Kalifornier. Der Einfluss von Bay Area (Hardcore) Punks wie Dead Kennedys und Black Flag ist hier genauso rauszuhören wie eine ordentliche Metal-Kante, die jedoch explizit nichts mit dem Metallic-Hardcore-Revival zu tun haben will. Spy sind dreckiger und viszeraler als das. Zwischen punkigen High-Speed-Riffs und mächtigen Downtempo-Parts ist die größte Ruhe, die die Band uns gönnt das schmerzgeplagte Feedback ihrer Gitarren. Perfekt für kurze Wutausbrüche während des Alltags.
Wrekmeister Harmonies – Flowers In The Spring
Wir können natürlich auch ruhig. „Flowers In The Spring“ könnte zu keinem passenderen Zeitpunkt erscheinen als jetzt, wo sich die ersten Blümchen aus der Wintererde freikämpfen. Hier ist jedoch nicht alles Kumbaya: Das Album von Wrekmeister Harmonies steckt voller Dissonanz, Drones und Distortion, die die unterschiedlichsten Stimmungen hervorrufen. In ihrer minimalistischen, meditativen Natur sind die vier Langform-Tracks eine Studie mikrotonaler Progressionen und Obertöne, ebenso nerdy und bedacht wie instinktiv und emotional. Perfekt für den Comedown nach den kurzen Wutausbrüchen des Alltags.
Maud The Moth – The Distaff
Da wir zu Beginn schon ausreichend gemeddlt haben, ist hier auch noch Platz für ein Post-Genre-Release (Hard In Here ist ja auch liebevolle Heimat für den weird shit): Amaya López-Carromero alias Maud The Moth veröffentlicht mit „The Distaff“ ein im wahrsten Sinne des Wortes fantastisches Release – düster, geheimnisvoll und surrealistisch –, das gleichermaßen in Folklore, Neoklassik, Avantgarde und Post-Rock verwurzelt ist. Das Album wird sehr passend in einer „ätherischen aber gewaltsamen Welt der ästhetischen Überlappungen“ verortet, die die Musikerinnen mit ihrer Stimme und dem Piano erkundet. Man kann jetzt hier mit Referenzen von Kate Bush über Diamanda Galás bis Björk um die Ecke kommen, die Gänsehaut-Qualität dieses Albums spricht aber eigentlich für sich.
Hier gehts zur Hard in Here Playlist:
Christina Wenig ist Redakteurin, Journalistin und Fotografin aus Berlin. Für Magazine wie Visions und Metal Hammer schreibt sie über Metal, Hardcore und Artverwandtes; auf ihrem Instagram-Kanal teilt sie Live-Eindrücke aus verschwitzten Clubs und sinniert über Feminismus, Antifaschismus, Filme und ihren Hund.
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