DIFFUS

Time & Space von Turnstile könnte das absolute Hardcore-Album des Jahres 2018 werden

Posted in: Features

Mit über 30 Jahren auf dem Buckel lässt sich Hardcore Punk sicherlich nicht so leicht neu erfinden. Über die Jahrzehnte haben sich dennoch viele interessante Sparten und Subgenres innerhalb des Genres entwickelt. Die Grundrezeptur aus schnellen, verzerrten Gitarren, welche meist stärker auf Rhythmus als auf Melodie ausgeprägt sind, einem aggressiven treibenden Schlagzeug und gebrüllten Gesang bleibt aber größtenteils bestehen. Turnstilegehören momentan zu den wohl meist gehypten Bands der Szene. Während Sie sich mit den 2011er und 2013er EPs „Pressure To Succeed“ und „Step 2 Rhythm“ bereits einen Namen machen konnten, war das 2015er Debütalbum „Nonstop Feeling“ ein Rundumschlag, der die komplette Hardcore-Szene überrollen sollte. Wenn auch die Einflüsse ihrer Heroen nicht zu leugnen sind, sind diese so vielfältig, dass Turnstile so frisch wie wenige Bands vor ihnen klingen. Die Groovigen Rhythmen und melodischen Riffs gepaart mit einer guten Portion Singalong-Chören trafen den Nerv der Zeit und wurden zum sommerlichen Pflichtprogramm für Hardcore-Kids weltweit. Wenn man sich nur annähernd mit dem großen Kosmos Hardcore-Punk beschäftigt hat, war es in den letzten Jahren im Prinzip fast unmöglich an Turnstile vorbeizukommen.

Anfang 2016 wurde dann verkündet, dass die Jungs aus Baltimore, Maryland beim Branchenriese Roadrunner Records (bei dem u.a. auch Misfits, Slipknot oder Royal Republic unter Vertrag stehen) unterschrieben haben. Kurz darauf folgte dann erst einmal noch die EP „Move Thru Me“ auf dem befreundeten Label Pop Wig. Danach sollte es aber zumindest Album-technisch erst einmal etwas ruhiger um die Band werden. Zunächst wurde sich anderen Projekten gewidmet, so nahm Sänger Brendan Yates zum Beispiel mit seiner alten Band Trapped Under Ice, in der er Schlagzeug spielt, deren erstes Album seit sechs Jahren auf – „Heatwave“. Anschließend folgten noch Tourneen durch die USA und Europa. Auch wenn das sicherlich ein mehr als fairer Ausgleich war, wurde ein neues Turnstile Album immer ungeduldiger erwartet. Schließlich ist das Debüt inzwischen drei Jahre alt und schon länger gab es erste Andeutungen auf einen Nachfolger. Im Oktober 2017 ließen die Jungs dann die Bombe platzen – mit einem kryptischen Foto und noch kryptischeren Videoteasern wurde das neue Album, welches den Titel „Time & Space“ tragen soll, angeteasert. Wenige Tage später wurden mit dem psychedelischen Video zu „Real Thing“ letzte Zweifel aus dem Weg geräumt – die „Dancy Hardcore Boys“, wie sie von ihren Fans gerne genannt werden, sind zurück!
Das neue Album „Time & Space“
Turnstile waren nie eine Band, die sich an festgesetzte konservative Hardcore-Regeln gehalten hat oder mit Scheuklappen auf durch die Szene getourt ist, so haben sie beispielsweise unter anderem mit der Dream Pop Band Turnoverund den Alternative Rockern von Basement die Bühne geteilt. Dass die Band um Sänger Brendan Yates ihre Einflüsse eben nicht nur aus den immer wieder recycelten New York Hardcore Riffs bezieht, spiegelt sich auf „Time & Space“ wieder. Mit ihrem zweiten Album emanzipieren sich Turnstile nun einmal mehr von der Masse an gleichklingenden Hardcore Bands – ein Attribut, was man in den Spätneunzigern schon den schwedischen Hardcore-Pionieren Refusedzuschrieb – und eben genau das macht Turnstile auch so spannend. Ohne Missverständnis ist „Time & Space“ im Kern definitiv eine Hardcore-Platte, aber irgendwie ist es auch viel mehr als das. „Time & Space“ ist ein Album, welches mit einer ordentlichen Portion Groove und guter Laune festgefahrene Genregrenzen sprengt und das Potenzial hat die Band über den Rand des Hardcore-Kosmos hinauszutragen. So spielt die erste Single „Real Thing“ mit 90s-Alternative-Rock-Nostalgie, bevor der Song am Ende in entspannter Lounge-Fahrstuhl-Musik ausklingt. „Big Smile“ startet mit Vollspeed-Punk und wird im Verlauf dann von Garage-Rock Riffs getrieben. Nur wenige Songs überschreiten die Zweiminuten-Marke – erst einmal nichts ungewöhnliches für eine Hardcore Band – die Vielzahl an unterschiedlichen Genres, die die Band aus Baltimore in dieser kurzen Zeit mit einbringt, ist dagegen schon beachtlich. Nicht nur Brendan Yates’ Stimme erinnert beispielsweise ein wenig an Zack De La Rocha, auch die groovige Rhythmus Fraktion aus Pat McCrory (Rhythmus Gitarre), Daniel Fang (Schlagzeug) und Franz Lyons (Bass) weckt Nostalgie für den Funk Metal von Rage Against The Machine.
„High Pressure“ überrascht mit wild pumpenden Keyboard-Anschlägen, die an den wilden Honky Tonk eines Cowboys erinnern, der in einem Western Saloon auf die Tasten haut. Das Interlude „Bomb“ würde dagegen auch nicht fehl am Platz auf einem neueren Indie Hip-Hop oder RnB Album wirken. Mit „I Don’t Wanna Be Blind“ liefern Turnstile zudem einen der langsamsten Songs ihrer Karriere ab, der von seinem schweren Groove und der einprägsamen Gesangsmelodie lebt, bevor Sänger Yates im Chorus frenetisch die Worte „KNOCKED OUT WHEN YOU’RE AROUND“ruft. Auf „Moon“ tauschen Sänger Brendan Yates und Bassist Franz Lyons die Rollen und so wird der Track durch den klaren Gesang und die hallige Produktion von Produzent Will Yipp zu einem Pop Punk/Space Rock Hybrid. Mit „Disco“ lockert erneut ein entspanntes Lounge-Fahrstuhl-Musik Interlude das Album auf. Durch die vielen Tempowechsel rauschen die 13 Songs geradezu durch, bevor der Titeltrack das Album nach nicht mal 26 Minuten abschließt.

Hier wäre eigentlich etwas eingebettet. Du hast aber Embed und Tracking deaktiviert.

Zur Optimierung unseres Angebots nutzen wir Cookies, Google Analytics und Embeds von Seiten wie YouTube, Instagram, Facebook, Spotify, Apple Music und weiteren. Mit dem Klick auf "Jetzt aktivieren" stimmst du dem zu. Mehr Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.


Mit „Time & Space“ haben Turnstile erneut ein genre-definierendes Album vorgelegt, welches zum Maßstab in der Szene werden wird und gleichzeitig das Potential hat, die Band über die Grenzen dieser hinauszutragen und Musik-Fans aus unterschiedlichen Bereichen mit dem Genre Hardcore Punk sensibilisieren könnte. „Time & Space“ ist ab sofort erhältlich. Tourdaten für Deutschland stehen noch nicht fest, sind aber für den Sommer geplant.

Cover neues DIFFUS Magazin

Das neue DIFFUS Print-Magazin

Titelstory: SSIO

Außerdem im Heft: Interviews mit badmómzjay, t-low, Magda, Paula Engels, fcukers, Betterov uvm. Außerdem große Reportagen über Kneipenkultur, Queer Rage und Essays!