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Tua und der Versuch von Pop

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Zehn Jahre ist es her, dass Tua mit seinem Album „Grau“ neue Maßstäbe dafür gesetzt hat, wieviel Potential in der Symbiose zwischen Rap und eigener Produktion steckt und wieviel musikalische Offenheit ein Rap-Album zulassen kann. Seitdem erschienen diverse EPs und als Teil der Rap- Boygroup Die Orsons wurden fleißig Festivalbühnen bespaßt, aber das große Album ließ lange auf sich warten. Doch gerade als die ersten Witze die Runde machen, dass „Das Tua-Album“ zum deutschsprachigen Detox avancieren könnte, wird mit „Vorstadt“ die erste Single veröffentlicht und von überall, selbst aus den hintersten Ecken der Rapwelt, lässt sich einstimmig ein erleichtertes Aufatmen vernehmen. Es kommt. Das Tua-Album kommt. Jetzt ist es da. Zeit also mal wieder über Tua zu sprechen. Vielleicht ist es überholt und anmaßend den Dualismus zwischen akademischem Bildungsbürgertum und sogenanntem Straßenrap zu reproduzieren, aber vielleicht darf dieses Fass auch noch ein letztes Mal aufgemacht werden. Schließlich hat sich Tua selbst immer größte Mühe gegeben, diese scheinbaren Gegensätze in einer Person zu verkörpern und sie in derselben Zeile aufzulösen. Sein Selbstverständnis entsprang immer aus dem Wechselspiel zwischen Straße und Intellektualismus.

Tua im großen Interview – neues Album, Heimat & Sehnsucht

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Während er in einem Interview noch über billigen Vodka von der Tanke und Schlägereien mit den Jungs spricht, diskutiert er im nächsten mit Visa Vie über Transhumanismus. Während er in einem Song über die eigenen Gewaltfantasien und Drogeneskapaden rappt, inszeniert er sich im nächsten als einsame Figur in einem Gemälde von Edward Hopper. Was andere zur Inszenierung einer pseudo- schizophrenen Kunstfigur ausgereizt hätten, funktioniert bei Tua ganz selbstverständlich als Ausdruck einer ambivalenten Persönlichkeit, die ihre eigenen Widersprüche nach außen kehrt. Mal melancholisch reflektiert und manchmal so radikal, dass man meinen könnte, die erhoffte Katharsis müsse zwangsläufig an der brutalen Selbstanklage scheitern, der sich der Künstler so häufig aussetzt. Nur wenige haben so offen ihre Gedankenwelt verarbeitet und explizit die eigene psychische Verfassung in Songs thematisiert, ohne dabei jedes Geheimnis um die eigene Figur zu lüften. Aber nicht nur an der Vielschichtigkeit der Künstlerperson Tua offenbarte sich gelegentlich das Unverständnis vieler Hörer:innen, auch musikalisch war Tua seit Beginn seiner Karriere für viele ein Rätsel. Bei einem Künstler wie Casper war selbst den fanatischsten Rap-Jüngern klar, dass da jemand auf innovative Weise Indie und andere gitarrenlastige Genres in einen Rap-Kontext bettet. Dagegen findet Tuas Soundbild aus der Perspektive von Deutschrap in einem nahezu referenzlosen Raum statt. Sicher ist das irgendwie elektronisch und die Dubstep-Einflüsse auf „Grau“ brachte Skrillex Anfang der 10er Jahre auch der breiten Öffentlichkeit näher. Andere musikalische Vorbilder blieben dabei weniger offensichtlich.

Tua – Wem mach ich was vor

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Teilweise erinnert Tuas Soundästhetik an frühe Alben von Trentemoeller, aber besonders bei Rhythmus- und Samplespielereien eines Burial lassen sich Elemente erkennen, die hierzulande größtenteils als Signature-Sounds von Tua bekannt sind. Diese Pluralität hat Tua dann in einen Rap- Kontext gebettet und wurde damit selbst zur musikalischen Schnittstelle zwischen Rap, UK-Bass, Dubstep und Electronica, wie sie im deutschsprachigen Raum kein zweites Mal zu finden ist. Tua hat immer wieder die Grenzen des Genres zugunsten seiner eigenen musikalischen Vision verschoben und die Frage nach dem Ursprung seiner Einflüsse offengelassen. Aber nicht nur in der Auswahl seiner Einflüsse, sondern auch in der musikalischen Umsetzung war der Soundliebhaber immer gründlich, weshalb er wohl zu einem der größten Nerds gezählt werden kann, die Rap Deutschland zu bieten hat. Ein Tüftler, der sein Können gerne in Videos unter Beweis stellt, in denen er sich dabei über die Schulter schauen lässt, wie er ganze Instrumentals nur mit einem Gegenstand oder einer einzigen Klangquelle produziert. So intuitiv das Einbetten von aufgenommenen Sounds auch wirken mag, so routiniert werden dabei Fragmente in die eigene Vorstellung eines musikalischen Gesamtwerks eingepasst. Was zugelassen wird, ist durchdacht und wird zum Teilelement eines selbstreferentiellen Universums aus Harmonien, Stilmitteln und Soundeffekten. Bei Tua werden selbst Lo-Fi-Sounds zum Bestandteil einer liebevoll produzierten Hochglanz-Fassade, in der kein Frequenzbereich dem Zufall überlassen und das Gesamtwerk nur zur eigenen Unterhaltung mit Sample-Referenzen garniert wird. Ein Nerd eben, aber nicht mit Club Mate oder Monster Energie, sondern mit einer Flasche Gorbatschow als Schmiermittel.

Tua – Vorstadt

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In Social-Media-Posts lässt sich dieser dann auch mal über Autofahrer aus, die in ihren vorbeifahrenden Karren die Frequenzregler für den Bassbereich nicht im Griff haben. Das mag mal arrogant und etwas selbstherrlich wirken, passt aber zum eigenen Anspruch und auch zum gespaltenen Verhältnis, das Tua zur eigenen Hörerschaft bzw. zur Rezeption seines Werkes hat. „Ich werfe seit Jahren schon aufs Neue, so wie seit Jahren bereits Perlen vor die Säue“ kommentiert Tua in einem Orsons-Song die Unzufriedenheit über die Wertschätzung des eigenen Schaffens. Ihm selbst ist die Qualität seiner Produktionen bewusst und trotz einstimmiger Lobpreisungen von allen Seiten gelang der Schritt in den Pop (dem er nie abgeneigt war) nur als Teil der Orsons-Formation. Selbst ein Song wie „Moment“, mit dem Tua die eigenen Grenzen in Bezug auf die Eingängigkeit der seiner Musik neu absteckte, ist in seiner Melancholie zu weit von einem radiotauglichen Hit entfernt, als dass er Tua einer breiteren Masse bekannt machen konnte. Mit „Tua“ hat sich in dieser Hinsicht einiges geändert. Damit keine Missverständnisse mehr aufkommen werden keine Interpretationen dem Zufall überlassen und schon während der Promo- Phase Songs per Insta-Story erklärt. Dabei klingt der Orsons-Gringe erstaunlich gelassen und die Freude darüber, sein selbstbetiteltes Album endlich mit der Welt teilen zu können, ist deutlich spürbar.

Tua – Vater

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Tua ist reifer geworden. Seine Songs sind nicht mehr von der gleichen Wut getragen und musikalisch gelingt ihm die Gradwanderung zwischen einem Soundbild, dass im Vergleich zu seinem früheren Schaffen schon als Pop bezeichnet werden kann. So gelang ihm mit „Wem mach ich was vor“ einer der konsequentesten Songs seiner musikalischen Karriere, in dem er ein gewisses Maß an Eingängigkeit zulässt, ohne seine charakteristischen Soundelemente in den Hintergrund zu stellen. Natürlich ist auch das neue Album noch verkopft und bis in die letzte Frequenz ausgearbeitet und der Druck, nach zehn Jahren ein so lang erwartetes Album herauszubringen, muss immens gewesen sein, aber dennoch meint man bei Tua eine gewisse Gelassenheit zu spüren. Vielleicht ist das auch nur Erleichterung darüber, die Veröffentlichung hinter sich zu haben, aber vielleicht steckt darin auch eine gewisse Akzeptanz. Die Akzeptanz über die eigene Sonderrolle in der deutschsprachigen Musiklandschaft, aber auch das endgültige Eingeständnis, dass in der Symbiose von Eingängigkeit und Sperrigkeit die Essenz des eigenen musikalischen Schaffens liegt.

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