El Hotzo trifft Mia Morgan auf dem Lebenshof
Mia Morgan provoziert und bleibt im Ohr, sie ist gleichermaßen Goth wie Pop und, vielleicht am wichtigsten: Sie ist endlich zurück. Drei Jahre ist es her, seit die Musikerin ihre Debüt-EP „Gruftpop“ veröffentlicht und damit kurzer Hand ein eigenes Genre ins Leben gerufen hat. Der schaurig-morbide Mix aus Indie-Pop und 80er-Touch fand schnell prominente Fans: Drangsal und Casper sowie die Band Kraftklub feierten allesamt die Debüt-Single „Wave Boy“ in ihren jeweiligen Podcast-Formaten ab. Die nächsten Schritte ihrer jungen Karriere ging die Gruft-Königin dann aber sehr bedacht an – und veröffentlichte erstmal keine weitere Musik.
Hinter verschlossenen Mausoleums-Pforten ging es aber natürlich weiter, denn Mia Morgan war in den letzten drei Jahren keines wegs untätig. Still und heimlich werkelte die in Kassel geborene Musikerin mit Tausendsassa Max Rieger an ihrem Debütalbum. Nachdem die Öffentlichkeit davon lange Zeit gar nichts mit bekam, sind wir an dieser Front inzwischen ein bisschen schlauer: Der erste Langspieler hört auf den simplen wie auch plakativen Titel „Fleisch“ und soll am 29. April erscheinen.
Aus der Gruft auf die Alm
Neben dem Titel ist uns inzwischen auch das Album-Cover bekannt, dass ein gänzlich andere Richtung als noch die „Gruftpop“-EP einschlägt: Statt als verruchte Vampir-Heilige sehen wir Mia Morgan hier im Blumenkleid auf einer Kuhweide. Aber irgendwie will man dieser paradiesischen Idylle und dem blauen Himmel nicht so ganz trauen, es schwingen beklemmende Assoziationen an obskure Sekten-Symbolik oder den Horror-Trip von „Midsommar“ mit.
So oder so, Mia Morgan ist keineswegs in dieser Heidi-Ästhetik festgefahren. Bisher erschienen für „Fleisch“ schon zwei Vorab-Singles, die ihre musikalische und stilistische Vielseitigkeit unterstreichen.
Pop von und für Außenseiter:innen
Da wäre zum einen der Song „Teenager“, in dem sich Mia an ihre nicht all zu rosige Schulzeit zurück erinnert: „Wär’ ich als Teenager cooler gewesen, wär’ ich vor dir jetzt nicht halb so verlegen“. Der wavige Goth-Sound weicht hier softem Gitarren-Pop, der eher an die 2000er als an die unterkühlten 80er erinnert. Bis der Song dann in der Hook schließlich umbricht: Mia Morgan findet sich mit dem „Anders-Sein“ ab und begibt sich auf eine scheppernde Indie-Rock-Abfahrt.
Cyberpunk und Empowerment
In „Teenager“ tritt Mia noch als Clown mit Luftballon auf, nur um in der nächsten Single „Segen“ zur rachsüchtigen Cyborg-Heldin zu werden, die vom Himmel herab steigt. Passend zu diesem retro-futuristischen Stil spielt das Cartoon-Video in einer verregneten Neon-Stadt, die an „Cyberpunk 2077“ oder den Kultanime „Akira“ erinnert. Gleich zu Beginn des Songs weist sie dabei auf die Problematik hin, die Auslöser und Motiv für den Song bildet: „Ich bin Frau, darum zu viel oder zu wenig“.
Mia Morgan hat es satt, sich durch den „male gaze“ begucken und zum Objekt für die Männerwelt machen zu lassen. Überhaupt zieht sich diese Auseinandersetzung mit Weiblichkeit konsequent durch das kommende Album und stellt sogar eine der vielen Facetten des Titels „Fleisch“ dar.
„Teenager“ und „Segen“ sind bisher unsere einzigen musikalischen Einblicke in das Debüt-Album. Um mehr über den Hintergrund von „Fleisch“ zu erfahren, haben wir keinen geringeren als El Hotzo losgeschickt, um Mia Mia Morgan für unsere neue Titelstory zu treffen. Für alle, die die letzten Jahre keinen Blick auf Instagram gewagt haben, hier nochmal ein kleiner Wachruf: El Hotzo aka Sebastian Hotz können wir guten Gewissens als den Meme-Account unseres Vertrauens bezeichnen. Auf seinen Social Media-Kanälen ist er mit seinen pointierten Gags Sprachrohr einer ganzen Internet-Generation – und bearbeitet selbige Generation immer wieder auch mit fiesen Pieksern, die aus dem Sprachrohr ganz schnell einen vorgehaltenen Spiegel machen.
Treffen sich zwei Internet-Menschen im Kuhstall …
Darüber hinaus ist El Hotzo sehr gut mit Mia Morgan befreundet – beste Vorraussetzungen also, um sie zum Interview zu treffen und ihr einige Informationen zum kommenden Album und dem ganzen Drum-herum zu entlocken. Das Setting für die Titelstory fällt diesmal etwas ungewöhnlich aus: El Hotzo und Mia treffen sich auf dem Lebenshof „Wilde Hilde“ bei Göttingen. Wichtig ist dabei die Bezeichnung „Lebenshof“ statt Bauernhof: Alle Tiere hier wurden aus der Zucht und vor der Schlachtung gerettet und haben nun die Chance auf ein ungestörtes Weiterleben. Hier ist auch das Cover-Foto für „Fleisch“ entstanden – nur angemessen also, dass El Hotzo und Mia Morgan hier, inmitten von Landluft und zutraulichen Kühen, ihr Gespräch führen.
Und was für ein Gespräch! Man hat das Gefühl, zwei guten Freunden bei einem lockeren Plausch zuzuhören – was vielleicht daran liegt, dass genau das der Fall ist! Es geht um MTV und Mias Internet-Obsession, damals und heute. Außerdem sprechen die beiden über den Weg von Garageband-Demos zu Studio-Sessions mit Max Rieger und darüber, wie es sich anfühlt, jetzt mit einer richtigen Live-Band zu spielen.
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