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„Warten vorbei“: Warum Haftbefehls Album-Ankündigung die Musikwelt in Aufruhr verfallen lässt

Posted in: Features
Tagged: Haftbefehl

Sechs Jahre ist es nun schon her, seit Haftbefehl sein Album „Russisch Roulette“ veröffentlicht hat. Mittlerweile wird es als unumstrittener Klassiker und eines der einflussreichsten Alben der letzten Dekade gehandelt. Kein Wunder, denn spätestens mit „Russisch Roulette“ hat sich das Azzlackz-Oberhaupt als Poet der Straße geoutet. Natürlich konnte man damals auch die knallharten, ignoranten Brecher finden, für die Haftbefehl berüchtigt war, aber dieses Album war anders. Dieses Album lud zu einem unverblümten Tiefgang in die Seele eines Mannes ein, der von inneren und äußeren Dämonen geplagt war. Besonders die verschiedenen „1999“-Parts, die teilweise wie Flashbacks direkt aus Haftis Kopf wirkten, gaben dem Hörer eine Struktur und das Gefühl, hautnah die Geschichte von Aykut Anhan erzählt zu bekommen und das, ohne jegliche Filter. Auch das Soundbild, welches von dem Sound-Maßschneider Bazzazian (damals noch als Benny Blanco bekannt) war mehr als prägend für die kommenden Jahre.

Haftbefehl – 1999 Pt. 2

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Seit „Russisch Roulette“ ist viel Zeit ins Land gegangen und viel hat sich geändert. Die offensichtlichste Entwicklung ist der aktuelle Sound und inhaltliche Zeitgeist. Bazzazian ist – sofern man dem Tag auf dem Post trauen kann – diesmal auch wieder mit im Boot und wenn man sich ansieht, was der Kölner „in der Zwischenzeit“ alles vollbracht hat, kann man schonmal beruhigt aufatmen. Die Projekte aufzuzählen, in denen er seine begabten Finger im Spiel hatte, würde vermutlich den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber wer sich doch nochmal ob der Virtuosität von Bazzazian vergewissern will, der höre einfach in seinen jüngsten Streich. „The Opera“ ist ein überzeugungskräftiges Konzept- und Kollaboalbum, welches in Zusammenarbeit mit der Frau entstanden ist, die passenderweise schon damals auf „Russisch Roulette“ ihre Stimme einer gewissen „Anna Kournikova“ geliehen hat. Die Rede ist von Miss Platnum. Abgesehen von einem Prestige-Feature mit dem Frankreich-Rapstar Kaaris gab es nämlich auf dem Bahnbrecher-Album ausschließlich ihren Gastbeitrag zu finden.

Miss Platnum & Bazzazian – Weapons

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Wenn man nun die überaus kryptisch gehaltene Tracklist genauer unter die Lupe nimmt, kann man 14 Songs ausmachen, von denen neun bereits gemastert sind. Außerdem sind die sechs verpixelten Stellen ein klares Indiz für Feature-Gäste, besonders hinsichtlich des Vorgänger-Albums eine beachtliche Zahl. Glücklicherweise hat Haftbefehl so einen besonderen Status in der Musikwelt, dass man hier wirklich gespannt sein darf. Von Casper, der Feature-freudiger denn je scheint, über Till Lindemann, mit dem Hafti offensichtlich durch den gemeinsamen Hass auf Zahlen verbunden ist, bis hin zu so ziemlich jedem aktiven Rapper, der in deutscher Sprache schreibt, ist alles möglich. Hafti-Fans der „1999“-Reihe dürften besonders aufgeregt sein, denn die Reihe wird mit Part 4 – 6 erweitert. Ob neben Bazzazian noch weitere Produzenten ihr Talent beisteuern konnten, ist zu diesem Zeitpunkt nicht erkenntlich. Auch die Namen der anderen Tracks lassen höchstens Spekulationen über einzelne Themen wie das Highlife in Hotelzimmern, Depressionen oder das Leben als Vater zu.

„Warten vorbei“

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Am Ende bleibt die Frage also stehen: Wie klingt ein Haftbefehl 2020? Was hält er überhaupt von dem Kurs, auf dem sich das Schiff „Deutschrap“ aktuell befindet? Schließlich hat er in der Vergangenheit schon maßgeblich in neue Richtungen gewiesen. Welche Schlüsse zieht Aykut Anhan aus dem Leben als doppelter Vater? All diese unbeantworteten Fragen machen das Album „DWA“ (so könnte zumindest die Kurzform des Album-Namens lauten) spannender als die meisten anderen Alben dieses Jahr. Durch all diesen Fragezeichen ist zumindest die Initialfrage nach dem Ausnahmezustand der Szene beantwortet: Es gibt schließlich nur noch ganz wenige Artists, die sich nicht vom allgegenwärtigen Social Media-Strudel erfassen lassen und sich gleichzeitig so viel Zeit für ein Album nehmen.

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