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Was erwartet uns bei Rock am Ring 2022?

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DIFFUS geht in offizielle Medienpartnerschaft mit Rock am Ring 2022. Es ist das wohl bekannteste Festival des Landes – aber auch eines, das zuletzt in der Kritik stand, zum Beispiel durch einen Beitrag von Carolin Kebekus. Seit 2021 ist außerdem ein neues Team am Start, das den Festivalriesen übernimmt. Alles gute Gründe, um mal bei Cathi Krämer – ihres Zeichens „Head of Festival Experience“ – nachzufragen, wie man die Sache angeht und auf die Kritik reagiert.

Wir schrieben ja schon an anderer Stelle, dass die Festivalsaison 2022 eine ganz besondere wird. Auch innerhalb der Branche gibt es spannende Entwicklungen. Eine davon: Das Traditionsfestival Rock am Ring steht unter neuer Kooperation von DreamHaus und eventimpresents, die allerdings – was der Pandemie-Pause und den Absagen von 2020 und 2021 geschuldet ist – eine andere bzw. unübliche Grundvoraussetzung für das 2022er Line-up vorliegen hatten. Trotzdem hat sich das junge Team vorgenommen, ein paar Dinge anders zu machen.

DIFFUS ist Medienpartner des Festivals – warum eigentlich?

Damit ist auch zu erklären, warum DIFFUS in diesem Jahr einer der offiziellen Mediapartner ist. Klar, dort spielten schon immer einige von uns seit Jahren supportete Acts – in diesem Jahr zum Beispiel Casper, Drangsal (mit Mia Morgan) und Broilers. Es gibt also große Überschneidungen zwischen unserer Leser:innenschaft und dem Festivalpublikum. Und Rock am Ring und der Zwilling Rock im Park waren schon immer die Festivals, auf denen man Headline Acts sah, die eben nur dort spielten. Aber weitere Annäherungen gab es kaum, was vielleicht auch daran lag, dass Marek Lieberberg mit seinem Erfolgsmodell ein junges Musikmagazin wie uns nicht auf dem Schirm hatte. Fair enough.  Andererseits vermissten wir dort auch ein wenig die Erkenntnis, dass sich Musik- und Festivalwelt verändern und man nicht jedes Jahr gewohnt gigantisch seinem treuen Publikum das „Futtern wie bei Muttern“ vorsetzen kann. Deshalb – und weil wir viele Leute aus dem neuen Team seit Jahren kennen und schätzen – haben wir uns gedacht: Wir glauben ihnen, dass Neuerungen ins Haus stehen. Und werden sie an ihrer Arbeit in den nächsten Jahren messen.

Die „Head of Festival Experience“ stellt sich vor

So kommt es zu einem ersten Interview mit Cathi Krämer, ihres Zeichens „Head of Festival Experience“. Eine Berufsbezeichnung, die sich jeder gerne ins Insta-Profil oder gar aufs T-Shirt schreiben wollen würde. Aber was bedeutet er konkret? „Die Quintessenz der Position ist“, so Cathi, „dass auf dem Festivalmarkt lange Zeit nur das musikalische Bühnenprogramm im Fokus stand. Wir wissen aber und haben verstanden, dass die Einzigartigkeit eines Festivals von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Da ist natürlich weiterhin ein stimmig kuratiertes Musikprogramm wichtig, aber es sind eben auch die Erlebnisse drum herum, die die Besucher:innen mit nach Hause tragen. Wir denken dabei nicht nur über die Veranstaltung als solche nach, sondern fragen uns, was passiert ab dem Moment der Ticketkaufentscheidung bis hin zur digitalen Verlängerung des Festivalerlebnisses, nachdem die Sommermonate vorbei sind.“ Die Aufgabe ihres Teams sei es nun, „herauszukitzeln, was die Bedürfnisse der Besucher:innen sind und dann das Angebot neben dem Musikprogramm entsprechend zu erweitern.“ Hier sieht Cathi noch „kreativen Freiraum, Themen zu platzieren, die auf einem Festivalacker sonst keinen Platz hätten.“ Was ebenso für Unterhaltungsangebote gilt wie für Ess- und Trinkkultur oder auch politische oder gesellschaftliche Themen und Organisationen, die diese vermitteln.

Alles neu bei Rock am Ring 2022? Jein.

Bei all dem Anspruch, neue Wege zu gehen, ist es Cathi Krämer jedoch auch wichtig, folgendes klarzustellen: „Wir haben auf jeden Fall den Auftrag dieses Festival zukunftsfähig zu machen, werden dabei aber nicht die DNA des Festivals verlieren. Thema Nummer eins bei uns ist nach wie vor, dass wir ein hochkarätiges Booking aus internationalen und nationalen Größen und Newcomer:innen auf die Bühne stellen. Das ist es, was dieses Festival schon seit Jahrzehnten ausmacht.“ Dennoch wolle man die Kommunikation zwischen den Veranstaltenden und dem Publikum intensivieren. „Technologische Innovationen“ stünden ebenfalls auf der To-Do-Liste: „Rock am Ring hat bisher bewusst auf Dinge wie bargeldloses Zahlen oder personalisierte Tickets verzichtet. Hier haben sich aber auch die Ansprüche eines großen Teils des Publikums geändert – darauf werden wir entsprechend reagieren und gute Lösungen finden.“ Man wolle aber auch dem Publikum Themen nahebringen, die im Festivalalltag wichtiger geworden sind, wie zum Beispiel „Abfall, Mobilität, nachhaltige Strom-Nutzung“. Allesamt Bereiche, die einige andere Festivals schon eine Weile länger auf dem Prüfstand haben, wie man hier fairerweise sagen muss.

Die Sache mit den Röcken und dem Ring

Ein Thema können und wollen wir an dieser Stelle natürlich nicht aussparen, auch wenn es ein wenig unfair ist, dass Cathi sich diesem Part stellen muss. Carolin Kebekus hat in ihrer Show im Juli einen sehr wichtigen Beitrag über Sexismus in der Musikindustrie gezeigt. Der Titel: „Kein Rock am Ring – Über Sexismus in der Musikindustrie“. Das 2022er-Line-up des Rings war dabei der dankbare und wohl verdiente Aufhänger. Blendete man alle Bands auf dem im Mai geposteten Plakat aus, die ausschließlich aus Männern bestanden, blieben nur die Broilers und die Distillers übrig. Diese Mechanik lässt zwar viele Mainstream-Festivals schlecht aussehen, aber beim Ring war diese Bilanz nun mal besonders verheerend – und konnte auch mit den weiteren Bookings nur in einem sehr überschaubaren Rahmen korrigiert werden. Zwar bleibt Kebekus mit ihrem Team im Beitrag nicht nur beim Ring, sondern lässt Betroffene aus der gesamten Branche zu Wort kommen, aber der Ring lieferte nicht zu Unrecht eine gute, weil greifbare „Inspiration“. Cathi sagt: „Ihr Beitrag ist ja durchaus berechtigt. Und natürlich haben wir das als Zielscheibe abbekommen, weil wir ein sehr großes und sehr traditionsreiches Festival sind. Das, auf was sie aufmerksam macht, ist aber ein systemisches Problem, das sich durch die gesamte Musikindustrie zieht. Festivals und Booker:innen sind ein wichtiger Bereich davon und einer, bei dem die Probleme besonders sichtbar werden. Aber es erstreckt sich ja auch weiter in Richtung A&R-, Label- und Management-Themen. Ich glaube, dass man das Bewusstsein dahingehend schärfen muss, dass man dieses Thema gemeinsam angeht. Es bringt nichts, wenn die Labels sich verschließen, mehr diverse Künstler in ihrem Portfolio aufzunehmen oder wenn die Managements und Talent-Scouts keinen entsprechenden Nachwuchs fördern.“ Cathi findet es gut, dass nicht zuletzt durch Beiträge wie der von Kebekus „die gesamte Branche mit in die Verantwortung genommen wird, diese Strukturen, die sich seit zu langer Zeit etabliert haben, aufzubrechen.“ Sie könne natürlich nicht versprechen, dass es 2023 ein 50:50 Line-up geben wird, so realistisch müsse man sein. Aber: „Die Bestrebungen diverser zu werden, die sind bei unserem Booker:innen total da. Das ist ein Thema, das wir leben, auch in anderen Facetten des DreamHaus-Kosmos. Sonst wäre ich hier nicht an Bord.“ Die Ansage von Drangsal, dass er sich die Bühne mit Mia Morgan teilen werde, begrüßt sie deshalb ausdrücklich.

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„Eine Melange aus 100 Gecs, Lewis Capaldi und Volbeat“

Da wären wir bei Aussagen, an denen wir ihre Kolleg:innen messen werden, denn wie eingangs erwähnt, sind die Spielräume für das 2022er-Line-up eher übersichtlich. Immerhin steht gerade sortierungsbedingt das Hyperpop-Duo Laura Les und Dylan Brady alias 100 Gecs an erster Stelle auf dem Line-up-Plakat. Diese kleinen Ausritte in andere Genres gab es zwar schon immer, man wolle sie aber ein wenig verstärken. „Natürlich sind wir ein Rockfestival und wir werden auch immer ein Rockfestival bleiben“, beruhigt Cathi Krämer. „Aber: Ich habe sehr großes Vertrauen in unsere Besucher:innen, dass sie eine gewisse Neugierde und Offenheit gegenüber anderen Genres und neuen Acts mitbringen und dass wir da ein bisschen wagemutiger werden können. In diesem Jahr haben wir ja auch schon eine schöne Melange aus 100 Gecs, Lewis Capaldi und Volbeat. Wir wollen nicht den Kern des Festivals verändern oder verwässern. Wir sind uns da unserer Tradition und Verantwortung schon bewusst. Aber wir wollen auf jeden Fall Platz für Neues bieten.“

Was wird Rock am Ring 2022 besonders machen?

Keine Frage, 2022 ist ein besonderes Jahr für ein Debüt als Veranstaltungsteam des traditionsreichsten Festivals Deutschlands. Aber trotzdem zum Abschluss noch eine Frage, die optimistisch in die Zukunft blickt: Was wird – neben unserer DIFFUS-Berichterstattung natürlich – Rock am Ring 2022 besonders machen? Cathi Krämer meint: „Ich glaube, bei Rock am Ring und Rock im Park 2022 wird die Reunion zwischen Künstler:innen und Fans sein das wichtigste sein. Wir sind das erste deutsche oder vielleicht sogar EU-weite Festival in dieser Größenordnung, das wieder stattfindet. Das heißt, es wird das erste Mal sein, dass die Leute wieder vor riesigen Bühnen stehen und ihre geliebten verzerrten Gitarren hören können. Wir werden alles dafür tun, dass dieser Moment für alle Beteiligten enthusiastisch, sicher und unvergesslich wird. Ich habe das letztens mal ‚betreute Anarchie‘ genannt und finde das als Wunschziel eigentlich sehr treffend.“

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