Zehn Jahre „XOXO“: Das wegweisende Album von Casper in der Retrospektive
Heute feiert ein Album zehnjähriges Jubiläum, das nicht nur genreprägend und wegweisend für den deutschen Hip-Hop war, sondern eine ganze Generation nachhaltig geformt und geprägt hat. Die Rede ist dabei von Caspers Album ”XOXO”, mit welchem dem Rapper aus Extertal-Bösingfeld der endgültige Durchbruch gelang.
Während der Feuilleton ihn schon vor der Veröffentlichung zu einer Messias-artigen Retterfigur für den Deutschrap ernennt, bekommt Casper in den frühen 2010er Jahren innerhalb der Szene sowohl Rücken- als auch heftigen Gegenwind. Er bricht bewusst mit Konventionen und sein „schwarzer Shirts und (Skinny)Jeans”-Style gefällt längst nicht allen. Doch schon kurz nach der Veröffentlichung von seines Albums waren sich Fans und namhafte Kritiker:innen einig: ”XOXO” ist das klang- und wortgewordene Sinnbild für einen längst überfälligen Paradigmenwechsel, der sich zuvor bereits mit Marterias ”Zum Glück in die Zukunft” anbahnte. Es ist einer dieser berüchtigten „Moments in Time“, es ist ein Klassiker, oder wie Casper heute sagen würde: Es ist es.
Der Sound von „XOXO“
Im Vergleich zum 2008 erschienenen Album ”Hin zur Sonne” ist ”XOXO” monumental produziert. Wir sprechen hier von 12-14 Spuren nur für Live-Drums, was zur damaligen Zeit den Rahmen einer „normalen“ Hip-Hop-Produktion nach -wortwörtlich- allen Regeln der (Rap)-Kunst gesprengt hat. Der zwischenzeitlich allgegenwärtige Indie-Einfluss vieler Rap-Kolleg:innen findet in ”XOXO” seinen Ursprung. Nicht umsonst rappt Casper nur zweieinhalb Jahre nach dem Aufprall von ”XOXO” in ”Jambalaya” die bezeichnenden Worte ”Erst kam die Kopie, dann die Kopie der Kopie / Indie-basierte Beats, gespielte Melancholie / Tagebuch-Poesie, billig klingende Melodien / Alle woll’n sein wie mein Team, aber wissen leider nicht wie”.
Doch auch abgesehen von den organischen Instrumenten glänzt „XOXO“ mit einer musikalischen Raffinesse, die stellenweise sicherlich auch mit den selbstauferlegten Regeln während der Produktionsphase zu tun hatte – „Crossover ist der Feind” war eine davon. Gleichzeitig steckt hinter dem Album auch ein Drahtseilakt, denn der Plan war, dass es sowohl aus musikalischer Sicht als auch auf Rap-Ebene perfekt funktionieren sollte. Im Nachhinein kann man getrost sagen, dass Casper seine hochgesteckten, selbstauferlegten Ziele erreicht hat.
Anti-Alles für immer
Hört man sich dieses Album zehn Jahre nach Veröffentlichung an, gehen einem die eindringlichen Textzeilen und der vielseitige (und bis dato viel-kopierte) Sound immer noch sehr nah. ”Der Druck steigt” vermittelt immer noch die gleiche Dringlichkeit, ”Blut sehen” die gleiche Bedrohlichkeit, ”Michael X” stiehlt einem nach wie vor den Atem, genau so wie das ”Arlen Griffey Prelude” und das dazugehörige, hemmungslos atmosphärische und ungefilterte „Kontrolle/Schlaf”. Kurz: ”XOXO” genießt eine Zeitlosigkeit, die vielleicht daher rührt, dass Casper mit dem Album alte Bahnen gebrochen und neue Highways geschaffen hat, die für andere Künstler:innen und Bands aller Gattungen den Weg gen künstlerischer Freiheit ebnete. Oder einfacher ausgedrückt: ”XOXO” war für viele aufstrebende Musiker:innen das Signal, sich trauen zu können, das zu machen, was man möchte – ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Angst vor Spott. ”Anti-Alles für immer” halt.
Apropos Zitate aus ”XOXO”: Bezeichnender als die Poleposition der Charts und die Edelmetall-Auszeichnungen (Plural!) ist vermutlich die steile aber gar nicht mal so realitätsferne These, dass sich ein Großteil der Texte des Albums mit Fan-Tattoos darstellen ließe, sollten sich alle weltweiten Casper-Fans zusammenfinden. Doch auch Musiker:innen zitieren den vielleicht vielseitigsten Rapper Deutschlands gerne oder verweisen zumindest auf Textpassagen, wie zuletzt Lea mit ”Schwarz” gezeigt hat.
Zehn Jahre später ist ”XOXO” immer noch eines der wichtigsten deutschsprachigen Hip-Hop-Alben aller Zeiten und das ist keine abgedroschene Phrase sondern ein unumstößlicher Fakt. In diesem Sinne: Happy Birthday ”XOXO” und danke für alles.
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